Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
32<br />
tar zum ESchG von Keller et al., 1992,<br />
die sich auf Deutsch und Eser beziehen,<br />
bestätigt und gestützt: „Bezüglich eines<br />
generellen Wertungswiderspruchs zwischen<br />
kategorischen strafbewehrten<br />
Verboten der <strong>Embryonen</strong>forschung einerseits,<br />
der strafrechtlichen Duldung<br />
der Nidationsverhütung und des<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruches <strong>an</strong>dererseits<br />
sind die Unterschiede der jeweiligen<br />
Interessenkollisionen zu bedenken.<br />
Dem Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch zugrunde<br />
liegt eine aus der symbiotischen<br />
Verbindung zwischen schw<strong>an</strong>gerer<br />
Frau und ungeborenem Kind erwachsene,<br />
höchst persönliche und gegenwärtige<br />
Konfliktsituation. Diese Lage lässt<br />
sich nicht mit der des Forschers vergleichen,<br />
der ohne persönliche Not zur<br />
Mehrung seines Wissens und Ansehens<br />
um möglicher zukünftiger Vorteile für<br />
die Menschheit willen fremdes Leben<br />
aufopfern will. Dass die Rechtsordnung<br />
darauf verzichtet, schw<strong>an</strong>gere Frauen<br />
mit dem Mittel des Strafrechts zu zwingen,<br />
Mutter zu werden, taugt deshalb<br />
nicht als Argument dafür, dem Forscher<br />
<strong>Embryonen</strong> verbrauchende Experimente<br />
zu ermöglichen.“<br />
Es ist wohl davon auszugehen, dass<br />
dieser Kommentar von Keller et al. nicht<br />
nur die verbrauchende <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
in die Wertungsdiskussion rückt,<br />
sondern auch die aus diagnostischen<br />
Gründen gezielte Schaffung eines nicht<br />
unter allen Umständen zu tr<strong>an</strong>sferierenden<br />
Embryos in vitro und damit das<br />
Problem der Embryo-Selektion.<br />
Persönlich meine ich, dass m<strong>an</strong> zum<br />
§ 219 StGB, der mit Verzicht auf rechtliche<br />
S<strong>an</strong>ktionierung der Präimpl<strong>an</strong>tationsphase<br />
in vivo die Nidationsverhütung<br />
ermöglicht, wohl einen Wertungswiderspruch<br />
zum hohen Schutz<strong>an</strong>spruch<br />
des Embryos in vitro sehen<br />
k<strong>an</strong>n.<br />
Zusammenfassend ist zu konstatieren,<br />
dass zunächst zwischen der im<br />
§ 218 a Abs. 2 StGB i. d. F. des Schw<strong>an</strong>geren-<br />
und Familienhilfegesetzes (1992)<br />
im Bundestag geregelten und als nicht<br />
strafbar und nicht rechtswidrig deklarierten<br />
Fristenlösung und dem ESchG<br />
(1991) zweifellos ein tiefer Wertungswiderspruch<br />
best<strong>an</strong>d. Dieser wurde erst<br />
durch die im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes<br />
wiederhergestellte<br />
Rechtswidrigkeit des Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs<br />
aufgehoben: Die Tötung eines<br />
Embryos in vivo ist straffrei und rechtswidrig.<br />
Die Tötung eines Embryos in<br />
vitro ist rechtswidrig und strafbewehrt.<br />
Bei der Tötung in vivo (nach der Impl<strong>an</strong>tation)<br />
sieht der Gesetzgeber lediglich<br />
wegen einer subjektiven Notlage<br />
der Einzelnen nach Pflichtberatung von<br />
Strafe ab – ein Konflikt, der beim Embryo<br />
in vitro, das heißt in der H<strong>an</strong>d<br />
Dritter (Biologe und/oder Arzt), in der<br />
Regel nicht existiert.<br />
Ob bei schwerer genetischer, <strong>an</strong>amnestischer<br />
Belastung der die Straffreiheit<br />
im § 218 StGB begründende Konflikt<br />
vor einer gepl<strong>an</strong>ten Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
<strong>an</strong>tizipierbar ist und auf<br />
diese Weise ein Verbot dieser Diagnostik<br />
tatsächlich einen Wertungswiderspruch<br />
zum gültigen § 218 a bewirken<br />
würde und ob der zu Recht aufgebaute<br />
besondere Schutz des Embryos in vitro<br />
in eng einzugrenzenden und zu beschreibenden<br />
Indikationen für eine<br />
PGD aufzuheben ist, wird später (Kapitel<br />
3) hinterfragt.<br />
2.2 PGD und ESchG<br />
M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n das durch die Etablierung<br />
der PGD neue Machbare mit Blick auf<br />
das ESchG gleichsam positivistisch entscheiden<br />
und ohne die vorhergehende<br />
Prüfung einer etwaigen Kompatibilität<br />
fordern, das Gesetz habe sich dem neuen<br />
Machbaren <strong>an</strong>zupassen und sei gegebenenfalls<br />
zu ändern. Dieser Ansatz<br />
ist nach meiner Überzeugung ebenso<br />
wenig für das Zusammenleben der<br />
Menschen in einer Gesellschaft akzeptabel<br />
wie jenes in der ethischen Diskussion<br />
um die Fortschritte der assistierten<br />
Reproduktion erhobene Postulat:<br />
„Ethics do not st<strong>an</strong>d still, they have to<br />
move with technology“ (Edwards,<br />
1988).<br />
Sowohl die Bioethik-Kommission<br />
des L<strong>an</strong>des Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz unter der<br />
Leitung des damaligen Justizministers,<br />
P. Caesar (1999), wie auch die Arbeitsgruppe<br />
des Wissenschaftlichen Beirates<br />
der Bundesärztekammer (BÄK) gingen<br />
in ihren Diskussionen von dem in<br />
unserem L<strong>an</strong>d gültigen, den <strong>Embryonen</strong>schutz<br />
regelnden Gesetz aus.<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass die<br />
IVF mit <strong>an</strong>schließendem Embryotr<strong>an</strong>sfer<br />
als ärztliches St<strong>an</strong>dardverfahren zur<br />
Beh<strong>an</strong>dlung der Sterilität nach Abs. B<br />
IV Nr. 15 in der 1998 überarbeiteten<br />
neuen Musterberufungsordnung (MBO)<br />
zulässig ist, wenn die nach § 13 MBO<br />
maßgebenden Richtlinien der Ärztekammer<br />
eingehalten werden.<br />
Die Frage, ob die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik,<br />
die eine IVF als diagnostische<br />
Einstiegstechnik zur Voraussetzung<br />
hat, mit dem seit 1. J<strong>an</strong>uar 1991<br />
gültigen ESchG kompatibel ist, wird<br />
unter Juristen kontrovers diskutiert.<br />
Zunächst geht es um die Frage, ob die<br />
PGD einen Verstoß gegen § 2 I. ESchG<br />
darstellt. Nach diesem Paragraphen ist<br />
es verboten, einen extrakorporal erzeugten<br />
Embryo zu einem nicht seiner<br />
Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden.Würde<br />
die Diagnostik <strong>an</strong> einer<br />
noch totipotenten Zelle erfolgen, also<br />
<strong>an</strong> einem zum Zweck der Diagnostik<br />
klonierten Zwilling, wodurch dieser<br />
vernichtet wird, wäre der Tatbest<strong>an</strong>d<br />
des § 2 I. ESchG erfüllt und die PGD<br />
schon von diesem Ansatz her strafrechtlich<br />
verboten. Jede Zelle, soweit<br />
sie noch Totipotenz besitzt, ist über § 8<br />
I. ESchG als Embryo strafrechtlich geschützt.<br />
Denn als Embryo im Sinne des<br />
§ 8 gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige<br />
menschliche Eizelle vom<br />
Zeitpunkt der Kernverschmelzung <strong>an</strong>,<br />
ferner jede,einem Embryo entnommene<br />
totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen<br />
der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen<br />
zu teilen und zu einem Individuum<br />
zu entwickeln vermag. Der<br />
Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1<br />
GG ist also bereits für die befruchtete<br />
Eizelle markiert. Erfolgt die Diagnostik<br />
nach Entnahme <strong>an</strong> einer nicht mehr<br />
totipotenten Blastomere, die also nach<br />
§ 8 I. ESchG nicht als „Embryo“ geschützt<br />
ist,liegt kein Verstoß gegen § 2 I.<br />
ESchG im Sinne einer verbrauchenden<br />
<strong>Forschung</strong> vor (Schreiber u. Schneider,<br />
1999).<br />
Die Frage, ab w<strong>an</strong>n eine aus einer befruchteten<br />
Eizelle hervorgehende Zelle<br />
ihre Totipotenz verliert, scheint mittlerweile<br />
wissenschaftlich eindeutig be<strong>an</strong>twortet.<br />
Dies soll spätestens nach Abschluss<br />
des Acht-Zell-Stadiums des<br />
Embryos der Fall sein (Beier, 1999).<br />
Neuere Untersuchungen lassen den<br />
Schluss zu, dass wahrscheinlich bereits<br />
im Vier-Zell-Stadium nicht mehr alle<br />
Blastomeren totipotent beziehungswei-