Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
Schematische Begutachtung<br />
Der Schein von Wissenschaftlichkeit<br />
wurde gewahrt, die Diagnose, sprich, die<br />
Entscheidung über Leben und Tod,stellten<br />
Ärzte. In den „Kinderfachabteilungen“<br />
wurden mindestens 5 000 Kinder<br />
umgebracht.Bei T4 wurden 70 000 Menschen<br />
ermordet.Als die Aktion 1941 eingestellt<br />
werden musste – nachdem sich<br />
die Kirchen, aber auch einzelne Ärzte<br />
dagegen w<strong>an</strong>dten und in der Bevölkerung<br />
Unruhe entst<strong>an</strong>d –, lagen noch<br />
30 000 begutachtete Meldebögen vor,<br />
die bei einer Wiederaufnahme der Aktion<br />
hätten verw<strong>an</strong>dt werden können. Die<br />
Begutachtungen durch Ärzte verliefen<br />
schematisch. Mit Plus oder Minus wurde<br />
das Urteil gesprochen.<br />
Auch nach der Beendigung von T4<br />
wurden die Tötungsaktionen fortgesetzt.<br />
Es gab Sonderaktionen ab 1942<br />
mit mindestens 20 000 Opfern und<br />
schließlich die wilde Euth<strong>an</strong>asie mit<br />
mehr als 25 000 Ermordeten. Winau<br />
machte darauf aufmerksam, dass der<br />
Begriff wilde Euth<strong>an</strong>asie irreführend<br />
ist. Tatsächlich hätten neuere Untersuchungen<br />
gezeigt, dass es sich auch hier<br />
um eine zentral gesteuerte Form des<br />
Patientenmords geh<strong>an</strong>delt habe.<br />
Parallel zur negativen Eugenik in<br />
Gestalt der Ermordung von „Ballastexistenzen“<br />
lief die positive Eugenik,<br />
also die Förderung erwünschter Rassenmerkmale<br />
und die Unterdrückung<br />
unerwünschter. Menschen mit unerwünschten<br />
Eigenschaften wurden sterilisiert.<br />
Zw<strong>an</strong>gssterilisationen, auch diese<br />
formal korrekt gesetzlich geregelt,<br />
wurden bei mehr als 350 000 Menschen<br />
vorgenommen. Als Indikation – auch<br />
die wurde von Ärzten gestellt – wurde<br />
in mehr als der Hälfte aller Fälle erblicher<br />
Schwachsinn <strong>an</strong>gegeben.<br />
Mit dem Ende des NS-Staates endet<br />
zwar auch das Morden. Beteiligte Wissenschaftler<br />
konnten aber zum Teil l<strong>an</strong>ge<br />
unbehelligt weiterarbeiten. Das Gesetz<br />
zur Verhütung erbkr<strong>an</strong>ken Nachwuchses,<br />
auf dessen Basis sterilisiert<br />
wurde, wurde nicht als Nazigesetz <strong>an</strong>gesehen.<br />
Die Opfer erhielten erst 1980 aus<br />
einem Fonds pauschale Entschädigungen.<br />
Schon in den 50er-Jahren wurde ein<br />
neues Sterilisationsgesetz gefordert, teilte<br />
Winau mit, und noch 1961 bef<strong>an</strong>d der<br />
Berliner Genetiker H<strong>an</strong>s Nachtsheim:<br />
„Ein Eugenik-Gesetz ohne jeden<br />
Zw<strong>an</strong>g ist erbhygienisch ebenso unwirksam<br />
wie ein Impfgesetz ohne Zw<strong>an</strong>g.“<br />
Eugenisches Ged<strong>an</strong>kengut wurde<br />
noch 1962 auf dem bek<strong>an</strong>nten Ciba-<br />
Symposion „M<strong>an</strong> <strong>an</strong>d his future“ gepflegt.<br />
Der Biologe Juli<strong>an</strong> Huxley forderte<br />
dazu auf, wieder den „uralten<br />
Kurs einer positiven Verbesserung“ einzuschlagen.<br />
Das Symposion versammelte<br />
27 international bek<strong>an</strong>nte Wissenschaftler,<br />
auch ein Zeichen dafür,<br />
dass Eugenik in der (westlichen) Welt<br />
weit verbreitet war. Das aber ist ein<br />
Thema für sich.<br />
Das Berliner Projekt<br />
Winaus Vortrag war Teil einer Vortragsreihe<br />
der KV Berlin, die sich im Weiteren<br />
insbesondere mit der Rolle der<br />
KVen im Nationalsozialismus, einschließlich<br />
der Ausschaltung jüdischer Ärzte in<br />
Berlin beschäftigen wird. Der Rolle der<br />
Heft 44, 1. November 2002<br />
Verg<strong>an</strong>genheit<br />
Zu dem Beitrag „Eugenik und Euth<strong>an</strong>asie:<br />
Aktuelle Verg<strong>an</strong>genheit“ von Norbert Jachertz<br />
in Heft 28–29/2002:<br />
Starker Tobak<br />
Haeckel und Darwin, verdienstvolle<br />
Forscher, als geistige Wegbereiter der<br />
Euth<strong>an</strong>asie des Nationalsozialismus<br />
Tötung auf Verl<strong>an</strong>gen, Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
als bedauerlicher Atem<br />
der Eugenik, der ins 21. Jahrhundert<br />
weht Starker Tobak, der von dem<br />
Vortragenden präsentiert wird. Schnell<br />
wird der innere Zusammenh<strong>an</strong>g und<br />
der rote Faden deutlich, dem der Hass<br />
des Vortragenden gilt, und der diese<br />
Punkte verbindet, es ist die Frage:Wie<br />
lässt sich menschliches Leid verhindern<br />
und ein möglichst selbstbestimmtes<br />
und würdiges Leben führen Keine<br />
<strong>an</strong>dere Frage liegt dem Arztberuf zugrunde.<br />
Gerade die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
k<strong>an</strong>n wie keine <strong>an</strong>dere<br />
Methode zukünftiges Leid erkennen<br />
und bietet dadurch die Möglichkeit, es<br />
zu verhindern. Durch die Kontamination<br />
KV gilt zudem ein <strong>Forschung</strong>sprojekt,<br />
<strong>an</strong>gestoßen durch Berliner jüdische<br />
Ärzte und Psychologen, mit dem die<br />
Historikerin Dr. phil. Rebecca Schwoch<br />
beauftragt ist. Die KV Berlin war in<br />
der NS-Zeit eine Untergliederung der<br />
Kassenärztlichen Vereinigung Deutschl<strong>an</strong>ds<br />
und diese wiederum Teil der<br />
Reichsärztekammer. Das <strong>Forschung</strong>sprojekt<br />
könnte Aufschluss geben, inwieweit<br />
eine Untergliederung selbstständig<br />
h<strong>an</strong>deln konnte, oder ob sie gemäß<br />
dem Führerprinzip strikt <strong>an</strong> Anweisungen<br />
von oben gebunden war. Der Berliner<br />
KV-Vorsitzende, Dr. med. M<strong>an</strong>fred<br />
Richter-Reichhelm, befragt, weshalb<br />
sich die KV diesem Thema zuwendet,<br />
<strong>an</strong>twortete kurz und bündig: „Es wurde<br />
einfach Zeit.“ Die Berliner Ärztekammer<br />
habe bereits 1983 damit begonnen,<br />
damals habe es harsche Attacken seitens<br />
der KV gegeben. Norbert Jachertz<br />
mit dem Faschismus sollen Haeckel<br />
und Darwin in den Schmutz gezogen<br />
und eine bitter notwendige Diskussion<br />
abgewürgt werden. Der Faschismus war<br />
ein originärer Gegner eines solchen<br />
Programms, das eine Minimierung des<br />
irdischen Jammertals für die Mehrheit<br />
vorsah. Und wenn schon nach geistigen<br />
Wegbereitern gesucht wird, sind sie in<br />
den Reihen derer zu finden, die auch<br />
heute gegen die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
vorgehen.An erster Stelle ist<br />
die katholische Kirche zu nennen,<br />
deren Judenhass von Hitler übernommen<br />
wurde und wahrscheinlich ihn <strong>an</strong><br />
vergossenem Blut immer noch übertrifft.<br />
Das Hitler-Konkordat, das den<br />
Kirchen den Religionsunterricht <strong>an</strong><br />
den Schulen und die staatliche Einziehung<br />
der Kirchensteuer gar<strong>an</strong>tiert,<br />
heute immerhin 15 Milliarden DM<br />
jährlich, wurde von der Bundesrepublik<br />
nahtlos übernommen, ist heute noch<br />
gültig und war der Lohn für die weltweit<br />
erste staatliche Anerkennung des<br />
Faschismus durch den Vatik<strong>an</strong>.<br />
Dr. Karl Albert Mutter,<br />
Am Waldpark 29, 63071 Offenbach<br />
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