Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
fung schwerer Kr<strong>an</strong>kheiten, d<strong>an</strong>n wiegt<br />
das für die meisten schwerer als <strong>an</strong>dere<br />
Bedenken“, sagte die Meinungsforscherin.<br />
So plädierten laut Köcher knapp<br />
zwei Drittel dafür, die <strong>Forschung</strong> zu forcieren,<br />
bei der Eingriffe in die Erb<strong>an</strong>lagen<br />
zur Bekämpfung von Erbkr<strong>an</strong>kheiten<br />
vorgenommen werden.<br />
In der d<strong>an</strong>n folgenden Debatte zeigte<br />
sich, wie schwer fassbar das Thema ist.<br />
Letztlich verabschiedeten die Synodalen<br />
mit großer Mehrheit ein Papier, das philosophisch<br />
und theologisch fundiert besonders<br />
auf den Schutz der Menschenwürde<br />
abhebt. Ob in der <strong>Forschung</strong>, im<br />
Zusammenleben, bei der Pflege, bei Behinderten<br />
oder im Wirtschaftsleben, die<br />
EKD sieht derzeit in vielen Lebensbereichen<br />
die Würde des Menschen gefährdet.<br />
Zwar bejaht die Erklärung ausdrücklich<br />
medizinische <strong>Forschung</strong>, die<br />
der Minderung oder Vermeidung von<br />
unnötigem Leiden, der Suche nach<br />
neuen Heilungsmöglichkeiten und der<br />
Verbesserung der menschlichen Lebensqualität<br />
dienen könnten, lehnt<br />
aber alle Methoden der <strong>Forschung</strong><br />
oder Therapie ab, „durch die Menschen<br />
bloß als Mittel für die Heilungsch<strong>an</strong>cen<br />
<strong>an</strong>derer gebraucht werden“. Verändernde<br />
Eingriffe in das Erbgut des<br />
Menschen dürfe es nicht geben.<br />
Menschen mit Behinderung müssten<br />
auch in Zukunft einen <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Platz<br />
in der Gesellschaft haben, fordern die<br />
Synodalen. Anlass zu großer Besorgnis<br />
gibt ihnen, dass eine aufgrund von vorgeburtlicher<br />
Diagnostik festgestellte Behinderung<br />
inzwischen fast selbstverständlich<br />
zum Grund für einen Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch<br />
werde. Die Erklärung spricht<br />
sich dezidiert gegen Schritte in Richtung<br />
auf eugenische Selektion – etwa aufgrund<br />
einer Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik – aus.<br />
Ein klares Nein zu niederländischen<br />
Verhältnissen bringt das Papier in Sachen<br />
Sterbehilfe. Hospizbewegung und<br />
Palliativmedizin sollten unterstützt und<br />
gefördert werden. „Dazu gehört auch<br />
die ärztliche Weisheit, die erkennt,<br />
w<strong>an</strong>n es geboten ist, im Einvernehmen<br />
mit Patienten und Angehörigen auf<br />
medizinisch noch mögliche Maßnahmen<br />
zur Lebensverlängerung zu verzichten“,<br />
so die Erklärung. Die strittige<br />
Frage, w<strong>an</strong>n das Menschsein und damit<br />
die Schutzwürdigkeit beginnt, lässt der<br />
Text offen.<br />
Dorthe Kieckbusch<br />
Heft 51–52, 23. Dezember 2002<br />
Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik als Option<br />
Differenzierte Meinung<br />
der Behinderten-Vertreter<br />
Der Nationale Ethikrat fragte nach gesellschaftlichen Folgen.<br />
Mukoviszidose-Patienten stellt m<strong>an</strong><br />
sich <strong>an</strong>ders vor als Steph<strong>an</strong><br />
Kruip. Der 37-jährige Diplom-<br />
Physiker, Vater dreier Kinder, sitzt im<br />
lichten Saal des „dbb forum berlin“, wo<br />
am 13. Dezember der Nationale Ethikrat<br />
tagt. Dort erläutert Kruip, Vorst<strong>an</strong>dsmitglied<br />
von Mukoviscidose e.V.,<br />
mit <strong>an</strong>deren Vertretern von Behindertenorg<strong>an</strong>isationen<br />
seine Position zum<br />
Thema „Genetische Diagnostik vor<br />
und während der Schw<strong>an</strong>gerschaft“.<br />
Mukoviszidose werde häufig als Paradebeispiel<br />
für eine Kr<strong>an</strong>kheit <strong>an</strong>geführt,<br />
die m<strong>an</strong> mithilfe der Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(<strong>PID</strong>) verhindern könne,<br />
sagt Kruip. Er sei in seinem Selbstwertgefühl<br />
nicht gekränkt, weil es eine<br />
solche Methode gebe und m<strong>an</strong>che Paare<br />
sich ihre Anwendung wünschten. Er<br />
sorge sich jedoch, dass die medizinische<br />
Versorgung für chronisch Kr<strong>an</strong>ke mit<br />
genetischen Defekten schlechter werde,<br />
wenn m<strong>an</strong> die <strong>PID</strong> in Deutschl<strong>an</strong>d<br />
erlaube. Denn d<strong>an</strong>n ließe sich leichter<br />
sagen: „Das muss doch heute nicht<br />
mehr sein.“<br />
Kruip weist gleichzeitig darauf hin,<br />
dass dies in mehrerer Hinsicht eine unzulässige<br />
Schlussfolgerung sei. Jährlich<br />
würden rund 200 Kinder in Deutschl<strong>an</strong>d<br />
geboren, die <strong>an</strong> Mukoviszidose leiden,<br />
ohne dass die Eltern eine Ahnung<br />
von dieser Ver<strong>an</strong>lagung gehabt hätten.<br />
Wer eine <strong>PID</strong> erwäge, habe in der Regel<br />
bereits ein Mukoviszidose-Kind. Trotz<br />
der Belastungen empfänden die Eltern<br />
ihr Leben und das ihres Kindes als lebenswert.<br />
Falls m<strong>an</strong> Mukoviszidose als<br />
zulässige Indikation für eine <strong>PID</strong> auf eine<br />
entsprechende Liste setzen würde,<br />
würde dies „einen Sturm der Entrüstung<br />
auslösen“, betont Kruip. Seine<br />
Org<strong>an</strong>isation lehnt das Verfahren<br />
gleichwohl nicht völlig ab. Im Verein gebe<br />
es Paare mit Kinderwunsch, die die<br />
<strong>PID</strong> einer „Schw<strong>an</strong>gerschaft auf Probe“<br />
vorziehen würden: „Diese wollen<br />
wir ernst nehmen.“<br />
Ernst ist die Atmosphäre während<br />
der mehrstündigen Anhörung des<br />
Ethikrates. Neben Kruip schildern sieben<br />
weitere Sachverständige <strong>an</strong>schaulich,<br />
wie unterschiedlich Behinderte<br />
diagnostische Möglichkeiten wahrnehmen<br />
und bewerten, die ihr Leben mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit verhindert<br />
hätten, und wie Familien und Berater<br />
damit umgehen. „Das muss doch<br />
nicht sein“, sei nicht nur die Meinung<br />
von Lieschen Müller, gibt die Ärztin<br />
Je<strong>an</strong>ne Nicklas-Faust zu bedenken. Sie<br />
engagiert sich in der Bundesvereinigung<br />
Lebenshilfe für Menschen mit<br />
geistiger Behinderung e.V.<br />
Dammbruch schon durch <strong>PND</strong><br />
Nicklas-Faust weist darauf hin, dass bereits<br />
die Pränataldiagnostik (<strong>PND</strong>) den<br />
Umg<strong>an</strong>g mit Behinderung verändert habe.<br />
Menschen mit einem Down-Syndrom<br />
zum Beispiel nähmen sehr wohl<br />
wahr, dass bei Ungeborenen vor allem<br />
nach dieser Behinderung gesucht werde.<br />
Ähnlich sieht es Günter Graum<strong>an</strong>n<br />
von der <strong>PID</strong>-Betroffenen-Initiative:<br />
„Die <strong>PND</strong> ist jetzt schon ein flexibles<br />
Selektionsinstrument.“ Insofern sei <strong>PID</strong><br />
„kein so großer Neuerungsschritt“. Das<br />
ist umstritten. Zwar herrscht bei den<br />
Sachverständigen Einigkeit, dass wohl<br />
zunächst nur wenig Paare ein so belastendes<br />
Verfahren auf sich nehmen würden.<br />
„Der normative Druck auf Frauen<br />
wird steigen“,glaubt aber Nicklas-Faust.<br />
Sie vermutet, dass Staat und Gesellschaft<br />
sich immer weniger solidarisch<br />
mit Eltern behinderter Kinder verhalten<br />
würden, deren Existenz zu verhindern<br />
gewesen wäre. Sabine Rieser<br />
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