Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
Entwicklung steht; umgekehrt fordert<br />
das Lebensrecht des her<strong>an</strong>wachsenden<br />
Fetus umso größere Achtung, je mehr<br />
sich dieser dem geborenen Menschen<br />
<strong>an</strong>nähert. Dies hat gegenläufige Konsequenzen:<br />
für die Schlussphase der<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft eine grundsätzliche<br />
Unzulässigkeit der Spätabtreibung lebensfähiger<br />
Kinder, für den ersten Abschnitt<br />
die Möglichkeit einer Güterabwägung<br />
auch zulasten des eben erst gezeugten<br />
embryonalen Lebens.<br />
In den ersten Tagen spielt sich ja die<br />
PGD ab; doch welches Gewicht soll das<br />
keimende Lebensrecht der winzigen<br />
Morula in der Petrischale besitzen Ein<br />
einfacher Umkehrschluss von dem<br />
zweiten, unter der Beratungslösung stehenden<br />
Abschnitt – Alleinentscheidung<br />
der Frau erst recht hier! – wäre voreilig.<br />
Gewiss überzeugt die gegen die PGD<br />
vorgetragene These von der Unvergleichbarkeit<br />
der Situationen in vitro<br />
und in vivo (19) im Wesentlichen nicht:<br />
denn hier wie dort sieht sich die Frau<br />
mit dem Dilemma konfrontiert, ein<br />
schwerstgeschädigtes Kind austragen<br />
zu sollen – bei einer PGD würde dieser<br />
Konflikt nur „<strong>an</strong>tizipiert“, aber gleichwohl<br />
real erlebt. Zudem wäre es ein<br />
rechtlicher Widerspruch, denselben geschädigten<br />
Embryo in vitro nicht absterben,<br />
in vivo dagegen durchaus abtreiben<br />
lassen zu dürfen – ein zu Recht<br />
häufig vorgebrachtes Argument.<br />
Allerdings ist in der Petrischale das<br />
„künstlich gezeugte“ Leben tatsächlich<br />
wesentlich gefährdeter, da seine Abtötung<br />
ohne ärztlichen Eingriff im Körper<br />
der Mutter möglich ist. Deshalb sollte<br />
eine rechtliche Regelung dieser Diagnostik<br />
von einer engen genetischen Indikation<br />
ausgehen, die in einem formellen<br />
Verfahren – nach Billigung durch eine<br />
Ethikkommission – festzustellen wäre.<br />
Dies hat der Wissenschaftliche Beirat<br />
der Bundesärztekammer mit seinem<br />
restriktiven und ver<strong>an</strong>twortungsvollen<br />
Diskussionsentwurf vorgeschlagen. Die<br />
<strong>an</strong> einer PGD Beteiligten würden d<strong>an</strong>n<br />
rechtmäßig h<strong>an</strong>deln.<br />
Eine vom Vorst<strong>an</strong>d der Bundesärztekammer<br />
– nach Ablauf der Diskussionsphase<br />
– verabschiedete Muster-<br />
Richtlinie müsste von der jeweiligen<br />
Ärztekammer umgesetzt werden; da<br />
nach hier begründeter Auffassung die<br />
PGD nicht strafbar ist, wäre dies auch<br />
ohne weiteres möglich. Allerdings sollte<br />
dieses Verfahren von erheblicher<br />
Grundrechtsrelev<strong>an</strong>z durch den Gesetzgeber<br />
über eine gesetzliche Klarstellung,<br />
wenn auch in engen Grenzen,<br />
ausdrücklich erlaubt werden.<br />
Anmerkungen<br />
Mein D<strong>an</strong>k für Hinweise auf Literatur bzw. zum M<strong>an</strong>uskript<br />
dieses Aufsatzes gilt den Professoren K. Bayertz<br />
(Ethik), H. M. Beier, K. Diedrich und W. Holzgreve (Medizin)<br />
sowie F. Hufen und H.-L. Schreiber (Recht).<br />
1. DÄBl v. 3. 3. 2000, S. A-525 ff. Die ver<strong>an</strong>twortliche<br />
Arbeitsgruppe der BÄK st<strong>an</strong>d unter der Federführung<br />
von H. Hepp. Der „Lübecker Fall“ (von K. Diedrich und<br />
E. Schwinger wegen Mukoviszidose-Belastung des<br />
Paares be<strong>an</strong>tragte PGD) f<strong>an</strong>d durch die dortige Ethik-<br />
Kommission 1996 ein zwiespältiges Votum (ethisch<br />
ja, nach ESchG nein).<br />
2. Zwei Tagungsbände „Fortpfl<strong>an</strong>zungsmedizin in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d“ dürften Anf<strong>an</strong>g 2001 bei Nomos, Baden-Baden,<br />
erscheinen (Wiss. Red. D. Arndt, Berlin,<br />
und G. Obe, Essen). Kritik <strong>an</strong> dem Symposium übt H.<br />
M. Beier in: Reproduktionsmedizin 2000/16, S. 332 ff.<br />
3. Die folgenden Kurzbelege sind exemplarisch und notwendigerweise<br />
subjektiv: Für die Theologen Rendtorff<br />
eher pro und Mieth eher kontra (R. auf dem Symposium,<br />
M. in: Ethik Med, Bd. 11, Suppl. 1); für die Ethiker<br />
Bayertz pro, Graum<strong>an</strong>n kontra (beide auf dem Symposium);<br />
für die Naturwissenschaftler Ludwig/Diedrich<br />
pro, Kollek kontra (L./D. in: Gynäkologie 4/98, S. 353 ff.,<br />
K.: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik, Tüb. u. Basel, 2000);<br />
für die Juristen Schreiber pro, Laufs kontra (Schr. in:<br />
DÄBl v. 28. 4. 2000, S. A-1135 ff., Laufs im Symposium<br />
und in: Ethik Med 1999/11, S. 55 ff.).<br />
4. Zum Verfahren ausführlich R. Kollek (Fußnote 3, S.<br />
27 ff.), M. Ludwig/B. Schöpper/K. Diedrich in: Reproduktionsmedizin<br />
1999/15, S. 65 ff., und H. M. Beier:<br />
Assistierte Reproduktion, München 1997 („Befruchtungskaskade“,<br />
S. 10 f.).– Ende 1999 gab es insgesamt<br />
nur 424 nach PGD geborene Kinder aufgrund<br />
von 499 Schw<strong>an</strong>gerschaften bei 1 317 Patientinnen<br />
(Mitteilung Prof. Diedrich).<br />
5. DÄBl v . 21. 11. 1991, S. A-4157 ff.<br />
6. DÄBl v. 20. 11. 1998, S. A-3013 ff. Die Arbeitsgruppe<br />
des Wiss. Beirates der BÄK st<strong>an</strong>d wie diejenige zur<br />
PGD unter der Federführung von H. Hepp. Gemäß<br />
Empfehlung in: Frauenarzt 12/1998, S. 1803 ff. (unter<br />
Mitwirkung u. a. von H. Hepp und W. Holzgreve).<br />
7. Statistisches Bundesamt, Gesundheitswesen, Fachserie<br />
12, Reihe 3 1999 (zur Methodik – Untererfassung<br />
– dort 2.3); die Dauer der abgebrochenen<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft ist p. c. berechnet (2.4.).<br />
8. M. Ludwig/K. Diedrich in: Ethik Med 1999/11, Suppl.<br />
1, S. 38 ff. (39): 838 Fälle für 1994.<br />
9. Bei den Juristen gegen Strafbarkeit H.-L. Schreiber<br />
(Mitglied der BÄK-AG) in: DÄBl v. 28. 4. 2000, S. A-<br />
1135 f., Ch. Rittner in: DÄBl v. 28. 4. 2000, S.A-1130 f.,<br />
R. Ratzel in: DÄBl v. 28. 4. 2000, S.A-1125 f., S. Schneider<br />
in: MedR 2000/8, S. 360 ff., B. Tag in: Kämmerer/<br />
Speck, Geschlecht und Moral, Heidelberg 1999, S. 87<br />
ff., R. Neidert in: MedR 1998/8, S. 347 ff., Bericht der<br />
Bioethik-Kommission Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz v. 20. 6. 1999,<br />
Teil II Vorbem. und Thesen II. 8 ff., im Ergebnis auch<br />
M. Frommel (Symposium); für Strafbarkeit A. Laufs in:<br />
Ethik Med 1999/11, S. 55 ff., R. Beckm<strong>an</strong>n in: DÄBl<br />
v. 17. 7. 2000, S. A-1959 ff., U. Riedel in: DÄBl v. 10. 3.<br />
2000, S. A-586 f., R. Röger in: Schriftnr. der Juristenv.<br />
Lebensrecht e.V., Nr. 17 (2000), S. 55 ff. – Bei den juristischen<br />
Laien gegen Strafbarkeit insb. H. Hepp (im<br />
Anschluss u. a. <strong>an</strong> Schreiber) in: DÄBl v. 5. 5. 2000, S.<br />
C-930 ff.; für Strafbarkeit R. Kollek (Fußnote 3), Kap. 6<br />
(jedoch zum Teil ohne zureichende juristische Interpretation).<br />
10. § 8 Abs. 1 ESchG. – Ende der Totipotenz nach dem 8-<br />
Zell-Stadium (H. M. Beier in: Reproduktionsmedizin<br />
1998/14, S. 41 ff. und 2000/16, S. 332 ff.). Im Ausl<strong>an</strong>d<br />
punktiert m<strong>an</strong> schon vor dem 8-Zell-Stadium; allerdings<br />
ist die Diagnostik auch noch d<strong>an</strong>ach möglich.<br />
11. H.-L.Günther im Komm. Zum ESchG von Keller/Günther/Kaiser<br />
1992, Rz. 34 zu § 2.<br />
12. So – über den Gegenst<strong>an</strong>d der Entscheidung (§ 218)<br />
hinaus – das Bundesverfassungsgericht am 28. 5.<br />
1993 (Bd. 88, S. 203 ff., 251 f.) und u. a. A. Laufs<br />
(Fußnote 3).<br />
13. H. Tröndle, Komm. zum StGB, Rz 14 b vor § 218. Mit<br />
seinem Beratungskonzept verfolgt das BVerfG immerhin<br />
das Ziel, dem Lebensschutz des Ungeborenen<br />
in der Frühphase der Schw<strong>an</strong>gerschaft durch austragungsorientierte<br />
Beratung statt durch Strafdrohung<br />
zu dienen (Fußnote 12, S. 264 ff.).<br />
14. Stellungnahme des Wiss. Beirates der BÄK (Fußnote<br />
5), Ziffer 2.<br />
15. So ausdrücklich auch der Ethiker K. Bayertz (Symposium,<br />
Fußnote 3), der eine „gradualistische Auffassung“<br />
vertritt: wachsender, graduell abgestufter Status<br />
zwischen Befruchtung und Geburt. Dass auf der<br />
leiblich-seelischen Grundlage von Personalität der<br />
Gradualismus auch von einem Moraltheologen vertreten<br />
werden k<strong>an</strong>n, zeigt das Beispiel von B. Irrg<strong>an</strong>g,<br />
dargestellt von P. Fonk: Schw<strong>an</strong>gerschaft auf Probe<br />
. . . in: Ethica 7 (1999), S. 29 ff. und 143 ff. (161 f.).<br />
16. Ansatzweise E. G. Mahrenholz und B. Sommer in ihrer<br />
abweichenden Meinung zu BVerfGE 88, S. 203 ff.<br />
(342). Auch das eigentliche Urteil <strong>an</strong>erkennt, dass<br />
das Lebensrecht nicht absolut gilt (S. 253 f.); sogar in<br />
das „Recht auf Leben“ des (geborenen) Menschen<br />
darf aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden<br />
(Art. 2 Abs. 2 GG). Der in der ethischen Diskussion oft<br />
unkritische Umg<strong>an</strong>g mit der (absoluten) „Würde des<br />
Menschen“ (Art. 1 Abs. 1 GG) verdiente eine gesonderte<br />
verfassungsrechtliche Widerlegung.<br />
17. BVerfGE 39 (S. 1 ff., 37 f.) und E 88 (S. 203 ff., 251 f.)<br />
sowie H. Tröndle (Fußnote 13), Rz. 19 vor § 218, mit<br />
weiteren Nachweisen.<br />
18. Eine Änderung fordert auch A. Laufs (Symposium,<br />
Fußnote 3). Mögliche Ansatzpunkte einer Änderung:<br />
Befristung der medizinischen Indikation, übergesetzlicher<br />
Notst<strong>an</strong>d. E. G. Mahrenholz und B. Sommer<br />
(Fußnote 16, S. 345) weisen auf das niederländische<br />
StGB hin (Abbruch nur bis zur 24. Woche).<br />
19. Insbesondere R. Kollek (Symposium der Ärztekammer<br />
Berlin am 11. 4. 2000, auch Publikation Fußnote<br />
3, S. 210 f.). Überzeugend gegen diese These Chr.<br />
Woopen, Zeitschr. für med. Ethik 1999, S. 233 ff. (mit<br />
einem Überblick über die Vertreter der Nichtvergleichbarkeits-These).<br />
Dieselbe Autorin erörtert Argumente<br />
zur ethischen Bewertung der PGD und deren<br />
Folgen in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik,<br />
Bd. 5, 2000, S. 117 ff. (auch zu Kriterien für ein abgestuftes<br />
Schutzkonzept, S. 119).<br />
❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dt Ärztebl 2000; 97: A 3483–3486 [Heft 51–52]<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Ministerialrat a. D. Dr. jur. Rudolf Neidert<br />
Herrengarten 15<br />
53343 Wachtberg<br />
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