Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
würden, befürchtet Dr. Ingrid Schneider,<br />
Institut für Politikwissenschaft der<br />
Universität Hamburg. Zudem sollte<br />
nach ihrer Ansicht im Gesetz ver<strong>an</strong>kert<br />
werden, dass nur kryokonservierte <strong>Embryonen</strong><br />
zur Herstellung von Stammzelllinien<br />
verwendet werden dürfen.<br />
Ansonsten sei nicht gewährleistet, dass<br />
diese tatsächlich „überzählig“ seien.<br />
Feilschen um den Stichtag<br />
Ein Streitpunkt war bei der Anhörung<br />
erneut die Stichtagsregelung – obwohl<br />
sich die Abgeordneten bereits Ende Februar<br />
auf den 1. J<strong>an</strong>uar 2002 als Stichtag<br />
geeinigt hatten. Damit waren sie der<br />
Vorgabe des Bundestagsbeschlusses<br />
nachgekommen, nur den Import von<br />
Stammzelllinien zu erlauben, die vor einem<br />
bestimmten Stichtag hergestellt<br />
wurden. Die <strong>Forschung</strong>spolitiker um Peter<br />
Hintze, Katharina Reiche (beide<br />
CDU) und Ulrike Flach (FDP) fordern<br />
jedoch eine liberalere Genehmigungspraxis<br />
und einen flexiblen Stichtag. Dabei<br />
soll jeweils zwischen dem Antrag der<br />
Forscher auf Import und der Herstellung<br />
der Stammzellen ein bestimmter Zeitpunkt<br />
liegen,beispielsweise sechs Monate,<br />
wie Flach meint. Behielte m<strong>an</strong> die<br />
vorgesehene Stichtagsregelung bei, würde<br />
dies bedeuten, dass sich die Forscher<br />
auf wenige Stammzelllinien beschränken<br />
müssten.<br />
Die Naturwissenschaftler unterstützen<br />
diesen Vorschlag. Für die Grundlagenforschung<br />
reichten die Stammzelllinien,<br />
die den deutschen Forschern<br />
durch die bisherige Stichtagsregelung<br />
zur Verfügung stünden, zwar aus, die<br />
Entwicklung von Therapien wäre jedoch<br />
nicht möglich, erklärte Friedrich.<br />
Als Gründe führte die Biologin einerseits<br />
die geringe Anzahl der Stammzelllinien<br />
<strong>an</strong>, <strong>an</strong>dererseits aber deren Kontaminierung<br />
mit tierischen Zellen und<br />
Viren. In der Tat basieren die meisten<br />
der etwa 80 weltweit existierenden und<br />
in den USA registrierten Stammzelllinien<br />
auf Mausnährzellen und können<br />
„verseucht“ und somit für die Anwendung<br />
am Menschen ungeeignet sein.<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Rüdiger Wolfrum,<br />
Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut für ausländisches<br />
Recht und Völkerrecht, Heidelberg, hat<br />
rechtliche Bedenken bezüglich der Stichtagsregelung.<br />
Der § 5 des neuen Stammzellgesetzes<br />
spreche nicht nur von<br />
Grundlagenforschung,sondern nenne als<br />
Ziel auch die Entwicklung diagnostischer,<br />
präventiver und therapeutischer<br />
Verfahren zur Anwendung beim Menschen.<br />
Dies müsse bei der Stichtagsregelung<br />
bedacht werden, wenn das Gesetz<br />
einige Jahre gültig sein solle. Ein weiteres<br />
Problem sei die rechtliche Verfügbarkeit<br />
der Stammzelllinien.Denn auf die amerik<strong>an</strong>ischen<br />
Zelllinien sind meist Patente<br />
<strong>an</strong>gemeldet. Jede <strong>Forschung</strong> bedarf der<br />
Genehmigung der Verwertungsfirmen.<br />
Die Firma Gerold besitze sogar die Lizenz<br />
auf die Herstellung der Stammzelllinien,<br />
argumentiert Schneider. „Alle Forscher<br />
müssen somit dieses Patent beachten.<br />
Nicht der Stichtag schreibt das Monopol<br />
der Stammzell<strong>an</strong>bieter vor, sondern<br />
das internationale Patentrecht.“<br />
Die Vertreter der ev<strong>an</strong>gelischen und<br />
katholischen Kirche sind enttäuscht<br />
über die Ausgestaltung des Gesetzes.<br />
Besonders beklagen sie die „ungleichmäßige“<br />
Zusammensetzung der zentralen<br />
Ethikkommission der Zulassungsbehörde,<br />
die die Erfüllung der Auflagen<br />
überprüfen und entscheiden soll, ob die<br />
<strong>Forschung</strong>sprojekte ethisch vertretbar<br />
sind. Die Kommission soll sich aus fünf<br />
Naturwissenschaftlern und Medizinern,<br />
aber nur aus vier Ethikern und Theologen<br />
zusammensetzen. Juristen warnten<br />
vor zu einschneidenden Regelungen im<br />
Gesetz. Es laufe dadurch Gefahr, verfassungswidrig<br />
zu sein. Die Hürden, die<br />
es setze, müssten bewältigbar bleiben.<br />
Die „Haltbarkeitsdauer“ des Gesetzes<br />
ist ihrer Meinung nach sowieso bereits<br />
eng begrenzt. Dr. med. Eva A. Richter<br />
Heft 16, 19. April 2002<br />
Die Vertreter der beiden großen christlichen<br />
Kirchen in Deutschl<strong>an</strong>d sind<br />
sich einig: In einer Stellungnahme <strong>an</strong>lässlich<br />
der „Woche für das Leben“ betonen<br />
Präses M<strong>an</strong>fred Kock und Kardinal<br />
Karl Lehm<strong>an</strong>n, dass für die Kirchen „die<br />
Erkenntnis maßgeblich ist, dass menschliches<br />
Leben mit der Befruchtung von<br />
Ei- und Samenzelle beginnt. Der<br />
Mensch entwickelt sich von diesem Zeitpunkt<br />
<strong>an</strong> nicht mehr zum Menschen,<br />
sondern als Mensch.“<br />
Folglich lehnen sie auch die „Vernutzung<br />
menschlicher <strong>Embryonen</strong>, wie sie<br />
bei der embryonalen Stammzellforschung<br />
geschieht, aus christlicher Sicht<br />
entschieden ab, selbst wenn sie zugunsten<br />
der Heilung <strong>an</strong>derer Menschen <strong>an</strong>gestrebt<br />
wird.“ Denn die Gewinnung<br />
Kirchen<br />
Absage <strong>an</strong> <strong>PID</strong><br />
menschlicher embryonaler Stammzellen<br />
ist, wie die Kirchen betonen, nur<br />
durch die Vernichtung von <strong>Embryonen</strong><br />
möglich. Die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(<strong>PID</strong>) stößt ebenfalls auf scharfe<br />
Kritik. Im Gegensatz zur Pränataldiagnostik<br />
diene die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
keinerlei therapeutischen<br />
Zwecken, sondern sei allein auf die Selektion<br />
von menschlichem Leben ausgerichtet.<br />
Einen Anspruch auf ein Kind,<br />
gar auf ein gesundes Kind, gebe es nicht.<br />
Die Kirchen wollen es jedoch nicht bei<br />
dieser Stellungnahme belassen, sie wollen<br />
auch auf die Politik einwirken.Sie bedauern<br />
den Beschluss des Bundestages<br />
zum Import embryonaler Stammzelllinien<br />
und hoffen, dass die strikte Begrenzung<br />
des Imports embryonaler Stammzellen<br />
im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens<br />
nicht aufgeweicht werde. Der<br />
Beschluss des Bundestages müsse so umgesetzt<br />
werden, „dass das grundsätzliche<br />
Nein zum Import und der Koppelung der<br />
ausnahmsweisen Zulassung <strong>an</strong> enge Voraussetzungen<br />
auch deutlich wird“, so<br />
Kock.In Bezug auf die <strong>PID</strong> begrüßen die<br />
Kirchen das „Votum der Enquete-Kommission<br />
und hoffen, dass der Bundestag<br />
diesem Votum folgen wird“.<br />
Ob die Kirchen tatsächlich Einfluss auf<br />
politische Entscheidungen nehmen werden,<br />
bleibt abzuwarten. Die ökumenische<br />
„Woche für das Leben“, auf der sie gemeinsam<br />
ihre St<strong>an</strong>dpunkte vertreten, ist<br />
jedenfalls ein Beitrag zur Debatte über<br />
medizinethische Themen, der nicht überhört<br />
werden sollte. Gisela Klinkhammer<br />
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