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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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HANS BUCHHEIM<br />

DIE SS IN DER VERFASSUNG DES DRITTEN REICHES<br />

Was im Dritten Reich über Struktur und Stellung der SS veröffentlicht<br />

wurde, ging über Belanglosigkeiten kaum hinaus; auch die juristische Fachliteratur<br />

und die <strong>für</strong> den Gebrauch der Parteifunktionäre gedachten Schriften brachten nur<br />

sporadische Hinweise und kleine Ausschnitte, aus denen sich die Rechtsverhältnisse<br />

und organisatorischen Zusammenhänge bestenfalls erahnen ließen. So besaßen auch<br />

interessierte Zeitgenossen nur bruchstückhafte Kenntnisse und nebelhafte oder<br />

falsche Vorstellungen. Vergleichsweise am besten wußten wohl die Abwehrorganisationen<br />

der westlichen Alliierten Bescheid, doch verblüffen auch deren in den<br />

letzten Kriegsjahren <strong>für</strong> den Dienstgebrauch herausgegebenen Handbücher mehr<br />

durch minutiöse Kenntnisse von Personalien und technischen Einzelheiten als durch<br />

ein richtiges Bild, vom Ganzen. Erheblich besseres Material wurde dann durch die<br />

in den Nürnberger Prozessen vorgelegten Dokumente, die eidesstattlichen Versicherungen<br />

und Verhandlungsprotokolle bekannt. Doch konnte im Spannungsfeld<br />

von Anklage und Verteidigung und bei der damit verbundenen Vermengung verfassungsrechtlicher<br />

und strafrechtlicher Erörterungen kein zutreffendes Bild vom<br />

institutionellen Charakter der SS entstehen. Die Anklage hob diejenigen Züge hervor,<br />

die geeignet schienen, bestimmte Einzelpersonen mit Verantwortung zu belasten,<br />

und die Verteidigung bildete virtuose Fähigkeiten aus, zu parzellieren, was<br />

zusammengehörte, und die Verantwortung jeweils denen zuzuschieben, die gerade<br />

nicht auf der Anklagebank saßen. Dem Historiker, dem andere Aufgaben gestellt<br />

sind als dem Richter und dem Anwalt, ist es dagegen nicht nur erlaubt, sondern<br />

geboten, auf die Kategorien von Anklage und Verteidigung zu verzichten und die<br />

persönlichen „Fälle" einzelner außer acht zu lassen. Er muß sich bemühen, ein Bild<br />

von der Eigenart des Ganzen zu entwerfen und so konkret wie möglich zu zeichnen;<br />

denn je weiter das Dritte Reich zurückliegt, desto mehr begnügen sich die Menschen,<br />

in allgemeinen Begriffen darüber zu sprechen, mit denen sie keine sicheren<br />

Vorstellungen verbinden. Die Vorstellungen vom „totalen Staat" werden mehr von<br />

der Erinnerung an sinnfällige Äußerlichkeiten gespeist als von der Erkenntnis der<br />

Ursachen, die zur Zerstörung des Staatswesens geführt haben. Wie ein „totaler<br />

Staat" entsteht und wirklich aussieht, das läßt sich an der Entwicklung der SS als<br />

an einem wesentlichen Teilgebiet erforschen und darlegen.<br />

Die SS war keine homogene Organisation, in der alle Mitglieder gleiche Rechte<br />

und Pflichten gehabt hätten, sondern sie war ein variantenreiches politisches Gebilde<br />

mit sehr verschiedenen Formen und Abstufungen der rechtlichen Zugehörigkeit<br />

und der tatsächlichen und inneren Anteilnahme. Auch scheinen sich in ihr<br />

während der letzten Jahre der nationalsozialistischen Zeit die Bezirke des Staates<br />

und der Partei unentwirrbar überschnitten zu haben, so daß sie zu einer <strong>für</strong> unsere<br />

rechtsstaatlichen Begriffe komplexen <strong>Institut</strong>ion wurde. Trotz allem aber war sie

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