23.11.2012 Aufrufe

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

164 Ferdinand A. Hermens<br />

nung, welche, um mit Oswald Spengler zu sprechen, „in Form" ist; sie festigt<br />

den sozialen Körper gegen seine Gebrechen, indem sie die Position der positiven<br />

Kräfte stärkt und die der negativen schwächt. Es gibt auch eine politische Ordnung,<br />

die im Grunde Un-Ordnung ist, da sie die Möglichkeiten der positiven Kräfte<br />

schwächt und die der negativen stärkt.<br />

Nun ist Italien eines der Länder, in welchen sich Schwierigkeiten daraus ergeben,<br />

daß die Formen der modernen Demokratie auf eine Gesellschaft angewandt<br />

werden, die in gewissen Bereichen — insbesondere wieder dem Süden und den<br />

Inseln — noch vor-modern ist 9 . Manches spricht jedoch da<strong>für</strong>, daß die sich daraus<br />

ergebenden Probleme nicht so ernst sind, wie es den Anschein hat. Allerdings fragt<br />

es sich, ob es unter solchen Umständen klug war, die Monarchie abzuschaffen; sie<br />

hat sich in anderen Ländern als eine recht brauchbare Brücke zwischen dem Alten<br />

und dem Neuen erwiesen, und einer der Führer der Labour Party hat uns jüngst<br />

in einem lesenswerten Buche daran erinnert, daß sie auch im Rahmen des Neuen<br />

ihren Platz hat 10 . Die Monarchie wäre wohl zu retten gewesen, wenn Victor<br />

Emanuel im Jahre 1943 zugunsten seines Enkels abgedankt hätte, und auch noch,<br />

wenn er den Thron wenigstens nach Kriegsende seinem Sohne überlassen hätte,<br />

anstatt damit zu warten, bis das Plebiszit über Monarchie oder Republik unmittelbar<br />

bevorstand. Nun wurde sie nicht gerettet, und ehe man diesem Umstande zu<br />

große Wirkungen beimißt, muß man sich erinnern, daß, was immer man über<br />

das Verhalten des italienischen Monarchen zum Faschismus sagen mag (und es<br />

läßt sich manches zu seinen Gunsten sagen), doch die Einrichtung der Monarchie<br />

den Zusammenbruch des Parlamentarismus und den Sieg des Faschismus nicht<br />

verhindern konnte.<br />

Hat man einmal ein parlamentarisches System, wie das jetzt in Italien wieder<br />

der Fall ist, so kommt es schließlich und letztlich darauf an, ob eine Mehrheit<br />

besteht, die dem Lande eine stabile Regierung zu geben vermag. In dieser Hinsicht<br />

begegnet uns das Problem der politischen Form in einer ganz elementaren<br />

Weise: Im Wahlrecht, von dem es zwar nicht allein, aber doch in weitem Umfange<br />

abhängt, ob die unvermeidliche Vielheit und weitgehende Gegensätzlichkeit<br />

der sich in einer Gesellschaft regenden Kräfte genug umgeformt werden kann,<br />

um eine klare Mehrheit zu schaffen und dadurch die erforderliche Einheit des<br />

staatlichen Handelns zu gewährleisten.<br />

Daß Italiens politische Ordnung sich (in dieser Hinsicht) als defektiv erwies,<br />

wird jedenfalls einem Beobachter nicht als Überraschung gekommen sein: dem<br />

Präsidenten der Republik. Luigi Einaudi ist ein Nationalökonom, dem die Realität<br />

des Wirtschaftlich-Sozialen so gut bekannt ist wie wenigen seiner Zeitgenossen,<br />

der sich jedoch nie auf das Wirtschaftliche beschränkt hat. Im Februar 1946 hielt<br />

er in der Consultà, der vor der Wahl der Nationalversammlung einberufenen be-<br />

9 Für die Einzelheiten, wie auch <strong>für</strong> die Einschränkungen, denen diese Feststellung unterliegt,<br />

siehe F. A. Hermens, Demokratie oder Anarchie, Eine Untersuchung über die Verhältniswahl,<br />

Frankfurt 1951, S. 157ff.<br />

10 Herbert Morrison, Government and Parliament, London 1954, S. 73 ff.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!