Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Die SS in der Verfassung des Dritten Reiches 135<br />
selbst Reichsinnenminister und Generalbevollmächtigter <strong>für</strong> die Reichsverwaltung<br />
geworden war, fiel übrigens seit November des gleichen Jahres in seiner Dienstbezeichnung<br />
als Polizeichef der Zusatz „im RMdI" weg. .<br />
Die Unterstellung der Polizei unter den Reichsminister des Innern und damit<br />
ihre Zugehörigkeit zum Rechtsraum des Staates hing also ausschließlich an der im<br />
Erlaß vom 17. Juni 1936 vorgesehenen „persönlichen und unmittelbaren" Unterstellung<br />
des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei unter den Minister.<br />
In ihr drückt sich scheinbar ein sehr enger und verbindlicher Zusammenhang<br />
aus; im Rahmen der gesamten Verfassungswirklichkeit des nationalsozialistischen<br />
Deutschland gesehen, erweist sie sich aber gerade als Besiegelung der völligen<br />
Unabhängigkeit der Polizei. Denn Träger der politischen Gewalt und Inhaber<br />
der Souveränität war im Dritten Reich nicht mehr der Staat, sondern der<br />
Führer, der als Vollstrecker des völkischen Gemeinwillens gedacht wurde 11 . Er vereinigte<br />
in sich alle hoheitliche Gewalt des Reiches; und alle öffentliche Gewalt im<br />
Staat wie in der Partei leitete sich von der unteilbaren und umfassenden Führergewalt<br />
ab. Dabei hatte die als Trägerin des politischen Willens des Volkes gedachte<br />
Partei noch den Vorrang vor dem Staat, dessen Aufgabe lediglich „die Fortführung<br />
der historisch gewordenen und entwickelten Verwaltung der staatlichen Organisation"<br />
war 12 . Die Führergewalt umfaßte alle Mittel der politischen Gestaltung:<br />
alle Gesetze, auch die verfassungsändernden Gesetze, waren Ausfluß des Führerwillens,<br />
dem auf seiten der Volksgenossen die Verpflichtung zu Treue und Gehorsam<br />
entsprach. In den späteren Jahren setzte sich als höchste Form der politischen<br />
Gestaltung der Führerbefehl durch, der alles entgegenstehende geschriebene<br />
Recht aufhob. Dem entsprach der Grundsatz, daß alle Maßnahmen der politischen<br />
Führung rechtsetzende Kraft hätten und Vorrang vor den durch die Verwaltung<br />
getroffenen Regelungen 13 . Ebenso hatten im Aufbau des Reiches die Organe<br />
der politischen Führung Vorrang vor den Verwaltungsbehörden; und unter den<br />
Organen der politischen Führung wiederum waren jeweils die dem Führer näherstehenden<br />
und ihm unmittelbarer verbundenen den fernerstehenden übergeordnet.<br />
Also hatte der Reichsführer SS als typische <strong>Institut</strong>ion der politischen Führung verfassungsrechtlich<br />
den Vorrang vor dem Reichsminister des Innern als Chef der<br />
typischen Verwaltungsbehörde; und dieser Vorrang wurde durch die „persönliche<br />
und unmittelbare" Unterstellung nicht nur nicht abgeschwächt, sondern vielmehr<br />
bestätigt und besiegelt. Denn diese Form der Unterstellung bedeutet an sich <strong>für</strong><br />
den Untergebenen eine sehr enge Bindung an seinen Vorgesetzten, da er sich ihm<br />
11<br />
Vgl. hierzu Huber, Verfassungsrecht des Groß deutschen Reiches, Hamburg 1939,<br />
S. 230ff. und 56f.<br />
12<br />
Hitler auf dem Parteitag 1935; zitiert bei Gottfried Neeße, Partei und Staat, Hamburg<br />
1936, S. 49.<br />
13<br />
Schadenersatzklagen waren nicht zulässig, bei Schäden, die Angehörige der NSDAP oder<br />
deren Gliederungen in Vollzug von Entscheidungen der politischen Führung verursachten.<br />
Denn es wäre auf dem Wege über eine Schadenersatzklage zur Nachprüfung politischer Entscheidungen<br />
der Führung gekommen, die mit dem Wesen des Führerstaates unvereinbar gewesen<br />
wäre. Vgl. Haidn-Fischer, Das Recht der NSDAP, München 1936, S. 87.