Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936 193<br />
tärischen Forderungen mußten von Tag zu Tag höher getrieben werden; sie haben<br />
die deutsche Wirtschaft dazu erzogen, zu neuen Fertigungsverfahren überzugehen,<br />
Hochleistungsmaschinen zu bauen, neue Schneide- und Schweißverfahren anzuwenden<br />
und sonstige Verbesserungen in der Fertigungstechnik vorzunehmen"<br />
(Thomas). Zusammenfassend schreibt Thomas wohl etwas zu günstig, aber im<br />
ganzen richtig: „Das vom Führer auf Vorschlag des Reichskriegsministers angeordnete<br />
Rüstungsprogramm der drei Wehrmachtsteile konnte dank der ausgezeichneten<br />
Leistung der deutschen Wirtschaft und der tatkräftigen Arbeit der Dienststellen<br />
der Wehrmacht bis Ende 1936 planmäßig durchgeführt werden."<br />
Inzwischen hatte Hitler auf dem Parteitag im September 1935 die Produktion<br />
eigener Werkstoffe — er nannte Benzin, Faserstoffe und künstlichen Kautschuk —<br />
mit dem Ziel der Unabhängigkeit vom Import angekündigt. Und der Reichspressechef<br />
der NSDAP Dr. Dietrich hatte am 28. 1. 1936 auf einer Kundgebung der<br />
Deutschen Arbeitsfront in Essen über „Das Wirtschaftsdenken im Dritten Reich"<br />
Gesichtspunkte geäußert, die später in Hitlers Denkschrift wieder zum Ausdruck<br />
kamen. Dietrichs Vortrag erging sich in einer Reihe von Variationen über das<br />
Thema „Gemeinnutz geht vor Eigennutz". Doch hieß es auch: „Wir setzen dem<br />
persönlichen Erfolgsstreben im Wirtschaftsleben nur diejenigen gemeinnützigen<br />
Grenzen, die <strong>für</strong> das Ganze unerläßlich sind und die letzten Endes auf dem Wege<br />
über die Gemeinschaft den Interessen jedes Einzelnen selbst wieder dienen." Weiter<br />
umschrieb Dietrich die wirtschaftlichen Grundsätze eines „Sozialismus der<br />
Hilfsbereitschaft und der Leistung auf der Grundlage der nationalen Gemeinschaft".<br />
Er kam aber auch auf konkretere Fragen, wie z. B. auf die angestrebte Gewinnung<br />
der „Brotfreiheit" und der „wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Nation" zu sprechen,<br />
„die wir durch die grundlegende Neugestaltung unserer Volkswirtschaft<br />
gewinnen wollen und gewinnen werden". Jedoch: von der Erfindung notwendiger<br />
Ersatzrohstoffe bis zu ihrer wirtschaftlichen Großherstellung bedürfe es einer gewissen<br />
Zeit. Bei alledem gehe Hitler wie immer „mit der Sicherheit seines intuitiven<br />
Könnens" voran. Die private Wirtschaft aufzufordern, seiner Initiative zu<br />
folgen, heiße letzten Endes nichts anderes, als den Spürsinn des Kapitals auf die<br />
richtige wirtschaftliche Fährte zu lenken. — Ob in dieser Rede Dietrichs die erste<br />
Andeutung des Vierjahresplans zu sehen ist, steht nicht fest — möglich ist es.<br />
Ein Vierteljahr später, am 27. April, wurde amtlich mitgeteilt, daß Hitler den<br />
preußischen Ministerpräsidenten und Generaloberst Göring zur obersten koordinierenden<br />
Instanz in allen Rohstoff- und Devisenfragen <strong>für</strong> Staat und Partei ernannt<br />
hatte. Damit war ein Grund <strong>für</strong> das Zerwürfnis Schachts mit Göring und schließlich<br />
mit Hitler gelegt; es war auch der erste Schritt zu Görings beherrschender Stellung<br />
im zweiten Vierjahresplan getan, nachdem Hitler wohl schon früher durch Kepplers<br />
Klagen gegen Schacht mißtrauisch gemacht worden war 18 . Den Abschluß bildeten<br />
18 Einzelheiten darüber werden sich in einer durch Herrn cand. phil. Gerhard Meinck in<br />
Göttingen vorbereiteten Dissertation über „Die Amtszeit des Reichskriegsministers v. Blomberg"<br />
finden.<br />
<strong>Vierteljahrshefte</strong> 2/6