Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Demokratie ohne Sicherheitsventil 171<br />
kraten hatten mit 40,1 Prozent der Stimmen 44,3 Prozent der Mandate erhalten,<br />
während Liberale, Republikaner und Sozialdemokraten zusammen nur 9,1 Prozent<br />
der Stimmen erhalten hatten, im Vergleich zu 13,3 Prozent im Jahre 1948, und <strong>für</strong><br />
diesen verminderten Stimmenanteil nur 6,5 Prozent der Sitze erhielten. Sie erklärten<br />
ihren Stimmenverlust durch die Einbuße an Prestige, die sie durch die Zusammenarbeit<br />
mit den Christlichen Demokraten und insbesondere wegen der Unpopularität<br />
des Wahlgesetzes erlitten hatte. Diese Reaktion ist verständlich, da<br />
Absplitterungen von den kleineren Koalitionsparteien, die durch das neue Wahlgesetz<br />
veranlaßt worden waren, eine halbe Million Stimmen erhielten und sich<br />
weithin die Auffassung verbreitet hatte, es habe keinen Sinn, <strong>für</strong> die kleineren<br />
Mittelparteien zu stimmen, da sie ein bloßes Anhängsel der Christlichen Demokraten<br />
darstellten. Es war nicht unnatürlich, daß daraufhin insbesondere die Sozialdemokraten<br />
versuchten, ihre Unabhängigkeit von den Christlichen Demokraten mit<br />
einiger Vehemenz zum Ausdruck zu bringen. Diese Stimmung äußerte sich zunächst<br />
in dem Verlangen Saragats, man solle eine „Öffnung nach Links" vornehmen, d. h.<br />
die mit den Kommunisten verbündeten Linkssozialisten in die Koalition aufnehmen.<br />
Es hätte von vornherein, trotz aller Versuche Nennis, sich von den Kommunisten<br />
zu distanzieren, klar sein sollen, daß in diesem Falle auch die Kommunisten zur<br />
Koalitionsteilnahme hätten eingeladen werden können. Ehe diese Schlußfolgerung<br />
gezogen wurde, hatte man jedoch die von De Gasperi neugebildete Regierung zu<br />
Fall gebracht. Es folgte das rein christlich-demokratische, aber von den auf<br />
40 Kammermandate angewachsenen und mit den Christlichen Demokraten eine<br />
Mehrheit bildenden Monarchisten unterstützte Kabinett Pella. Es sollte ein Übergangskabinett<br />
sein mit rein verwaltungsmäßigen Aufgaben, konnte jedoch nicht<br />
allen politischen Entscheidungen aus dem Wege gehen. Pella versuchte durch eine<br />
Kabinettsumbildung eine Dauerlösung zu schaffen, vermochte jedoch nicht die Be<strong>für</strong>chtungen<br />
seitens der Linken in seiner eigenen Partei zu zerstreuen, daß der<br />
monarchistische Einfluß zu einer Lähmung der Agrarreform führen würde.<br />
Als daraufhin Fanfani, der Führer der christlich-demokratischen Linken, seinerseits<br />
ein Kabinett bildete, brachten ihn die Sozialdemokraten zu Fall, weil er nicht<br />
gewillt war, ihnen die reine Verhältniswahl zuzugestehen. Gewiß war die Mehrheitsprämie<br />
des Gesetzes von 1953 diskreditiert, aber die Christlichen Demokraten<br />
waren der Auffassung, daß man nicht zu der Art Gesetz zurückkehren könne, das<br />
im Jahre 1946 bestanden hatte, als auch die kleinsten Parteien zur Geltung kamen.<br />
Immerhin hatte im Juni 1953 die Mitte als Ganzes mit etwas weniger als der Mehrheit<br />
der Stimmen 51,3 Prozent der Mandate erhalten, da die Gewinne der Christlichen<br />
Demokraten größer waren als die Verluste der kleineren Parteien. Auf der<br />
anderen Seite glaubte Romita, der in diesen Dingen zum Sprecher der kleineren<br />
Koalitionsparteien wurde, daß bei reiner Verhältniswahl deren Stimmenzahl genug<br />
wachsen werde, um der Mitte eine Mehrheit zu sichern. Die Christlichen Demokraten<br />
antworteten, daß das eine Spekulation sei und es sich genau so gut ereignen<br />
könne, daß die Mitte als Ganzes geschlagen würde.<br />
Nach langem Hin und Her wurde schließlich im Herbst 1954 ein Entwurf ausge-