Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Die SS in der Verfassung des Dritten Reiches 139<br />
voll gewordene Einheit wie die deutsche Polizei, deren Mannschaft überdies durch<br />
das Charisma eines persönlichen Führers und durch das Band unverbrüchlicher<br />
Treue zusammengeschlossen werde, eigenes verfassungsrechtliches Gewicht gewinne<br />
22 . Das ist panegyrisch ausgedrückt, kommt aber der Wirklichkeit wesentlich<br />
näher als ein Versuch, die Stellung der Polizei im Dritten Reich aus der rudimentären<br />
Unterstellung unter den Reichsinnenminister zu erklären.<br />
Die Waffen-SS<br />
Die am 17. März 1933 neu aufgestellte „Stabswache" erhielt auf dem Parteitag<br />
des gleichen Jahres die Bezeichnung „Leibstandarte Adolf Hitler" und wurde am<br />
9. November auf Hitler persönlich vereidigt. Die Tragweite dieser Vereidigung<br />
dürfte seinerzeit nur sehr wenigen Deutschen bewußt geworden sein. Die Leibstandarte<br />
war ja mit ihrem Kommandeur Sepp Dietrich der Befehlsgewalt des<br />
Reichsführers SS entzogen und hatte auf diese Weise den Status eines Teils einer<br />
Gliederung der NSDAP verloren; andererseits war sie auch keiner <strong>Institut</strong>ion des<br />
Staates einschließlich der Reichswehr unterstellt, sondern ausschließlich Hitler persönlich.<br />
Solange dieser nur Parteiführer und nicht einmal deutscher Staatsbürger<br />
gewesen war, war eine persönliche Verpflichtung seiner früheren Stabswachen eher<br />
ein romantischer, jedenfalls aber ein bedeutungsloser Akt gewesen. Nachdem er jedoch<br />
Reichskanzler, und erst recht später, nachdem er 1934 Staatsoberhaupt geworden<br />
war, gewann ein ihm persönlich geleisteter Eid einzigartige verfassungsrechtliche<br />
Bedeutung. Denn der Kanzler beziehungsweise das Staatsoberhaupt schuf<br />
sich auf diese Weise nicht kraft seines Amtes, sondern als Person einen Bereich<br />
eigenen Rechts und persönlicher Souveränität neben der Partei und allen Einrichtungen<br />
des Staates. In diesem Raum neuen Rechts, in den im Laufe weniger<br />
Jahre die Polizei, die bewaffneten SS-Verbände und die Reichsführung SS<br />
mit vielen ihr unterstehenden Dienststellen einbezogen wurden, fand die Führerverfassung<br />
ihre konsequente Verwirklichung. Es war ein Bezirk jenseits von<br />
Partei und Staat, in dem die Grundlagen der Bindung an eine dieser beiden<br />
<strong>Institut</strong>ionen, die Beamteneigenschaft oder die Parteimitgliedschaft, relativiert<br />
waren zugunsten einer ausschließlichen Treue- und Gehorsamspflicht gegenüber<br />
zitierten Stellen nicht. Statt dessen schreibt er (a. a. O., S. 101): „So einschneidend auch der<br />
1933 begonnene Umbruch <strong>für</strong> die innere Struktur des deutschen Staates war, so ist doch<br />
nicht zu verkennen, daß er mehr in der geistigen Grundlegung, der nationalsozialistischen<br />
Staatsidee, als in der äußeren Organisation des überkommenen Bestandes an Behörden und<br />
Behördenzügen bestand, der überall übernommen wurde und bei dem es in den Mittelinstanzen<br />
und in der Ortsinstanz weithin mit der Einführung des ,Führerprinzips' getan war.<br />
Auch die ,Verreichlichung' der Polizei und die Einsetzung des Chefs der Deutschen Polizei<br />
im Reichsministerium des Innern hatte <strong>für</strong> den Behördenaufbau keine so tiefgehende Wandlung<br />
zur Folge, ..." — Er berücksichtigt nicht, daß es zwischen der „geistigen Grundlegung"<br />
der Staatsidee und der „äußeren Organisation des Bestandes an Behörden" auch eine Verfassung<br />
gab, <strong>für</strong> die es mit der Einführung des Führerprinzips nicht „getan war", sondern<br />
die dadurch eine allerdings „tiefgreifende Wandlung" erfuhr.<br />
22 Maunz a. a. O., S. 6f.