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(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt

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ORTE DES VERRATES 103<br />

bewohnten konspirativen Wohnungen wurden meist nur vier bis fünf Jahre bis zur<br />

Friedlichen Revolution im Herbst 1989 genutzt. Wenn Informanten von Besuchsreisen<br />

<strong>in</strong> die Bun<strong>des</strong>republik nicht zurückkehrten oder im Sommer und Frühherbst<br />

1989 über Ungarn <strong>in</strong> die Bun<strong>des</strong>republik flüchteten, wurden die von ihnen besuchten<br />

konspirativen Wohnungen noch zwischen September und November aufgelöst.<br />

Während <strong>in</strong> der Anfangszeit <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> vorwiegend Wohnungen bewährter Genossen<br />

im Ruhestand angeworben wurden, waren es <strong>in</strong> den 1980er Jahren vorwiegend alle<strong>in</strong>stehende<br />

Frauen und Rentner<strong>in</strong>nen, die meist über sche<strong>in</strong>bar mehr als ausreichenden<br />

Wohnraum verfügten – zwei Zimmer mit Küche und Bad schienen für e<strong>in</strong>e<br />

alle<strong>in</strong>stehende Frau angemessen, drei Zimmer h<strong>in</strong>gegen nicht mehr. Ferner wurden<br />

bewährte Parteifunktionäre gebeten, als Mittelsmänner Räume für das <strong>MfS</strong> anzumieten,<br />

oder <strong>MfS</strong>-Mitarbeiter anderer Dienststellen traten als Zivilpersonen auf und<br />

unterschrieben den entsprechenden Mietvertrag.<br />

Die Nutzung e<strong>in</strong>er konspirativen Wohnung erfolgte unter pragmatischen Gesichtspunkten.<br />

So bestellte derjenige Offizier, der die Wohnung erfolgreich angeworben<br />

hatte, „se<strong>in</strong>e“ ebenfalls erfolgreich geworbenen Informanten meist <strong>in</strong> diese Wohnung.<br />

Aus der Zuständigkeit <strong>des</strong> Offiziers ergab sich auch der Inhalt, über den die<br />

IM berichten sollten. Somit wurden die KW <strong>in</strong> den meisten Fällen thematisch genutzt,<br />

was das Magdeburger Beispiel über die KW der Mediz<strong>in</strong>ischen Akademie<br />

bislang nur vermuten ließ. Der Pragmatismus der <strong>MfS</strong>-Offiziere g<strong>in</strong>g sogar noch<br />

weiter: Nicht selten beauftragten sie Informanten damit, sie auf weiteren konspirativ<br />

nutzbaren Wohnraum h<strong>in</strong>zuweisen. Und nicht selten wurden sie damit auf e<strong>in</strong>e<br />

Wohnung aufmerksam, wie z.B. auf die KWs „Bebel“, „Werder“ oder „Akademie“.<br />

Außerdem konnten sie im Rahmen <strong>des</strong> POZW Mitarbeiter <strong>in</strong> der Kommunalen<br />

Wohnungsverwaltung und <strong>in</strong> der Abteilung Wohnraumvergabe beim Rat der<br />

Stadt zur Zusammenarbeit heranziehen, was die personengebundene Zuweisung<br />

von Wohnraum wesentlich erleichterte.<br />

Geheimzuhalten war an e<strong>in</strong>er konspirativen Wohnung fast alles, neben den <strong>Trefforte</strong>n<br />

vor allem die Inhalte der Treffen. Denn bei diesen Treffen g<strong>in</strong>g es zum e<strong>in</strong>em<br />

um das Vertrauen zwischen <strong>MfS</strong>-Offizieren und Informanten, zum anderen um Denunziation.<br />

Das Vertrauensverhältnis kam, wie gezeigt wurde, <strong>in</strong> vielen Fällen dank<br />

konspirativer Wohnungen sehr viel besser zustande, <strong>in</strong>dem es das tatsächlich bestehende<br />

Abhängigkeitsverhältnis vertuschte. So funktionierten die geheimen Räume<br />

wie Schleusen, <strong>in</strong> denen die Unterschiede zwischen <strong>MfS</strong>-Offizier und Informant<br />

vorübergehend aufgehoben schienen. Hier war man unter sich, der <strong>MfS</strong>-Offizier<br />

gab sich dem Informanten gegenüber väterlich, kollegial, loyal, als Kumpel, als<br />

Mann, der zuhören konnte, als Freund – je nach dem, was der IM brauchte. Als<br />

Gegenleistung erhielt der Offizier e<strong>in</strong>en Bericht, den er wiederum brauchte, um se<strong>in</strong>e<br />

Fähigkeiten <strong>in</strong>nerhalb der „Firma“ zu beweisen. War dieser Bericht aus Sicht

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