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(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt

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ORTE DES VERRATES 98<br />

für die therapeutische Beratung. Der „bedürftige“ IM „zahlte“ mit Berichten über<br />

andere. Dafür erhielt er a) e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Gespräch, <strong>in</strong> dem es sche<strong>in</strong>bar vorrangig<br />

um ihn selber g<strong>in</strong>g. Damit verbunden b) e<strong>in</strong>en Bedeutungszuwachs, nämlich Anerkennung,<br />

und c) das Gefühl angeblich etwas für se<strong>in</strong> Land tun zu können, e<strong>in</strong> Umstand,<br />

der umso bedeutungsvoller war, weil er geheim bleiben musste. Somit erhielt<br />

der IM <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wahrnehmung viel mehr und er hatte etwas für das angebliche<br />

„Geme<strong>in</strong>wohl“, nämlich die staatliche Sicherheit, getan. 230<br />

5 Was wussten die Bürger über konspirative Wohnungen?<br />

Nur sehr selten fanden sich H<strong>in</strong>weise darüber, was <strong>Erfurt</strong>er Bürger über solche geheimen<br />

Wohnungen der <strong>Stasi</strong> wussten. Auf e<strong>in</strong>ige wurde schon verwiesen, wie das<br />

Beispiel der KW „Zentrum“ gezeigt hat. Ähnliches fand sich für die KW „Achse“,<br />

die angeblich von der so genannten „Zivilverteidigung“ genutzt wurde. Im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er Neubeschilderung aller Türen dieses Bahnhofsgebäu<strong>des</strong> wurde dieser Raum<br />

von Reichsbahnmitarbeitern als „Gästezimmer“ ausgewiesen. In der anschließenden<br />

Aussprache, warum der Raum nicht mit dem Schild „Zivilverteidigung <strong>des</strong> Rates<br />

<strong>des</strong> Bezirkes“ versehen worden sei, antworteten die Bahnangestellten „übere<strong>in</strong>stimmend“,<br />

dass sie annahmen, der Raum werde vom <strong>MfS</strong> genutzt, da sie niemand<br />

darüber <strong>in</strong>formiert habe, dass es sich hier um die „Zivilverteidigung“ handele. 231<br />

Trotz der peniblen E<strong>in</strong>haltung der Legendierung dieser Räume kam es auch zu Enttarnungen.<br />

Das deutlichste Beispiel hierfür war die KW „Johannes“, von der aus<br />

das Johannes-Lang-Haus observiert wurde. Der eigentliche Wohnungsnutzer „Johannes“<br />

erhielt folgenden Brief von den Nachbarn: „Werter Herr R..., Bitte s<strong>in</strong>d<br />

Sie so lieb und richten Ihren Gästen etwas aus: – Mir ist es eigentlich völlig egal<br />

wer, warum ... usw. Nur bitte nicht die Nacht über unserem Schlafzimmer herumlaufen.<br />

Die Bauarbeiter vor 500 Jahren kannten Schalldämmung noch nicht. Wenn<br />

es sich e<strong>in</strong>richten lässt, dann bitte die Bewegungsübungen <strong>in</strong> den angrenzenden<br />

Zimmern. Es ist doch Platz.“ 232 Heute schmunzelt der Leser über die zur Schau gestellte<br />

Ahnungslosigkeit der Nachbarn und fragt sich, ob dort nicht e<strong>in</strong>er der beobachtenden<br />

<strong>Stasi</strong>-Mitarbeiter e<strong>in</strong> lauschiges Plätzchen e<strong>in</strong>gerichtet hatte. Die nun<br />

e<strong>in</strong>setzenden Untersuchungen schienen diese naheliegende Vermutung völlig außer<br />

acht zu lassen, statt <strong>des</strong>sen beschrieben die <strong>Stasi</strong>-Beobachter ausführlich, mit welchen<br />

technischen Geräten sie das Johannes-Lang-Haus überwachten, was die erste<br />

Assoziation eher noch zu unterstreichen sche<strong>in</strong>t.<br />

230 Vgl. Kerz-Rühl<strong>in</strong>g/Plänkers, a.a.O.<br />

231 BStU, <strong>MfS</strong>, BV <strong>Erfurt</strong>, Abt. VIII, NA 578, Blatt 180.<br />

232 BStU, <strong>MfS</strong>, BV <strong>Erfurt</strong>, Abt. XX, NA 1174, Bd. 1, Blatt 249.

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