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(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt

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ORTE DES VERRATES 85<br />

E<strong>in</strong>e solche Idealwohnung war z. B. e<strong>in</strong> Appartement im Arbeiterwohnheim amJuri-Gagar<strong>in</strong>-R<strong>in</strong>g.<br />

Zu den „subjektiven“ Voraussetzungen gehörte, dass sich die<br />

<strong>MfS</strong>-Offiziere diese Wohnung nur untere<strong>in</strong>ander teilen mussten, auf e<strong>in</strong>en Hauptmieter<br />

aber ke<strong>in</strong>e Rücksicht zu nehmen brauchten. Die „objektiven“ Gründe lagen<br />

<strong>in</strong> der relativen Nähe zu e<strong>in</strong>er Polikl<strong>in</strong>ik, die regen Publikumsverkehr versprach, <strong>in</strong><br />

der günstigen Verkehrsanb<strong>in</strong>dung und <strong>in</strong> der Anonymität e<strong>in</strong>es Arbeiterwohnheims.<br />

Das e<strong>in</strong>zige Problem war, dass die <strong>Stasi</strong> der Konspiration wegen nicht als Mieter<br />

solcher Appartements auftreten konnte. Deshalb mussten sie jemanden f<strong>in</strong>den, <strong>des</strong>sen<br />

berufliche Position es erlaubte, ohne großes Aufsehen e<strong>in</strong> solches Appartement<br />

zu mieten. Dafür wurde im <strong>MfS</strong>-eigenen Archiv recherchiert, ob nicht e<strong>in</strong> „stillgelegter“<br />

ehemaliger Informant als Mieter fungieren könnte. Und tatsächlich: Bezirksbaudirektor<br />

Werner R. hatte bereits Anfang der 1960er Jahre als „Wolfgang Lorenz“<br />

Informationen geliefert, bis er als Bezirksbaudirektor nicht mehr <strong>in</strong>offiziell<br />

befragt wurde, da ihn das <strong>MfS</strong> aufgrund se<strong>in</strong>er Position ohneh<strong>in</strong> ansprechen konnte.<br />

Zwischen 1961 und 1981 war Werner R. Bezirksbaudirektor <strong>in</strong> <strong>Erfurt</strong>. 162 Im Oktober<br />

1975 „baten“ <strong>MfS</strong>-Offiziere ihn, unter se<strong>in</strong>em Namen e<strong>in</strong> Appartement im Arbeiterwohnheim<br />

zu mieten und es den Genossen der „Firma“ zu überlassen. Fortan<br />

existierte e<strong>in</strong>e KW-Akte unter dem Namen „Wolfgang Lorenz“. Auch nach se<strong>in</strong>er<br />

Absetzung als Bezirksbaudirektor mietete er dieses Appartement weiterh<strong>in</strong> für das<br />

<strong>MfS</strong>, da se<strong>in</strong>e neue Position als Direktor <strong>des</strong> VEB Ingenieurbüro <strong>des</strong> Bauwesens<br />

<strong>Erfurt</strong> dies ebenfalls erlaubte und die Konspiration weiterh<strong>in</strong> gesichert schien. 163<br />

Im Mai 1982 wurde festgehalten, dass sich die operativen Mitarbeiter <strong>in</strong> der KW<br />

„Wolfgang Lorenz“ mit sieben IM und GMS trafen. 164 Im April 1986 wurde die<br />

KW mit der Begründung archiviert, dass die Funktionslegende mit dem „Ausscheiden<br />

<strong>des</strong> IMK Lorenz als Bezirksbaudirektor nicht mehr wirksam“ wäre. Außerdem<br />

sei die Zusammenarbeit mit IMK „Lorenz“ h<strong>in</strong>fällig, weil es den Mitarbeitern der<br />

Abteilung XVIII gelungen sei, e<strong>in</strong>en neuen IM zu werben, der für sie wiederum e<strong>in</strong>e<br />

KW <strong>in</strong> dem besagten Arbeiterwohnheim anmietete. 165<br />

162<br />

BStU, <strong>MfS</strong>, BV <strong>Erfurt</strong>, Abt. XVIII, NA 475, Blatt 18.<br />

163<br />

Ebd., Blatt 88.<br />

164<br />

Ebd., Blatt 89.<br />

165<br />

Der frühere Bezirksbaudirektor Werner R. wurde 1988 noch e<strong>in</strong>mal vom <strong>MfS</strong> angesprochen. Als<br />

Direktor <strong>des</strong> Ingenieurbüros <strong>des</strong> Bauwesens <strong>Erfurt</strong> mietete er nun e<strong>in</strong> Zimmer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Arbeiterhotel<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Köpenick, damit die <strong>Erfurt</strong>er <strong>MfS</strong>-Mitarbeiter e<strong>in</strong>en geheimen Treffpunkt <strong>in</strong> der<br />

Hauptstadt besaßen. Die <strong>MfS</strong>-Mitarbeiter, die <strong>in</strong> der Folge dort e<strong>in</strong> und aus g<strong>in</strong>gen, galten als Gäste<br />

von Werner R., der erneut ke<strong>in</strong> Problem mit dieser Form der Zusammenarbeit hatte. Das <strong>Erfurt</strong>er<br />

<strong>MfS</strong> konnte auch <strong>des</strong>halb gut <strong>in</strong> diesem Hotel verkehren, weil es meist von <strong>Erfurt</strong>er Bauarbeitern<br />

bewohnt war. Warum sich die <strong>Erfurt</strong>er <strong>Stasi</strong>-Offiziere für e<strong>in</strong>e KW <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> verwandten, war<br />

den Akten nicht zu entnehmen. Unklar blieb, ob sie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geheimen Ort brauchten, um<br />

ihre IM auch dort treffen zu können oder ob sie von den Berl<strong>in</strong>er Kollegen um Unterstützung gebe-

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