(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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ORTE DES VERRATES 91<br />
4 Konspirative Wohnungen als „Bewährungsräume“<br />
Konspirative Wohnungen, <strong>in</strong> denen <strong>Stasi</strong>-Mitarbeiter Informanten trafen, als „Bewährungsräume“<br />
zu <strong>in</strong>terpretieren, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. 199 Und<br />
doch soll es hier versucht werden, denn <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Staatsicherheit<br />
der DDR geht es nicht zuletzt auch um den Versuch zu erklären, weshalb<br />
sich Bürger auf e<strong>in</strong>e konspirative Zuarbeit für die „Firma“ e<strong>in</strong>ließen. Hilfreich<br />
schien es hierfür zu se<strong>in</strong>, psychoanalytische Gesichtspunkte der Zusammenarbeit<br />
der Informanten mit der <strong>Stasi</strong> heranzuziehen, wie im Kapitel 2 geschehen. Nun soll<br />
das Verhältnis zwischen den <strong>Stasi</strong>-Offizieren und den Informanten noch genauer<br />
angeschaut werden. Was lässt sich darüber aussagen, wie lässt es sich beschreiben?<br />
Wie gestaltete sich dieses Verhältnis?<br />
4.1 Verhältnis <strong>MfS</strong>-Mitarbeiter û Informanten<br />
Es wurde schon erwähnt, dass bewohnte und unbewohnte konspirative Wohnungen<br />
Vor- und Nachteile für das zu untersuchende Verhältnis mit sich brachten. Die<br />
„Vorteile“ bewohnter KWs lagen <strong>in</strong> dem schon konstatierten zur Schau gestellten<br />
Vertrauensverhältnis zwischen Mieter und <strong>MfS</strong> und verdeutlichten dem Informanten<br />
die Macht der <strong>Stasi</strong>. Nicht umsonst sprach das <strong>MfS</strong> von e<strong>in</strong>em „Staun-Effekt“<br />
mancher IM, als diese das erste Mal e<strong>in</strong>e konspirative Wohnung aufsuchten.<br />
Nachteilig wirkte sich aus, dass die <strong>Stasi</strong>-Offiziere <strong>in</strong> den bewohnten KWs ebenfalls<br />
Gäste waren und sich vermutlich auch als solche benahmen, wollten sie wiederkommen.<br />
Zwar schienen sie wie selbstverständlich ihre Gäste zu bewirten, an<br />
ihrer eigenen Fremdheit <strong>in</strong> den jeweiligen Wohnungen änderte das jedoch nichts.<br />
Dies war <strong>in</strong> sche<strong>in</strong>baren Wohnungen, die im Grunde wie Büros betrieben wurden,<br />
natürlich anders. Dort waren die <strong>MfS</strong>-Offiziere die Hausherren und konnten viel<br />
klarer und selbstverständlicher auftreten.<br />
In Richtl<strong>in</strong>ien und Anordnungen wird immer wieder betont, dass e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis<br />
zum IM von Seiten der <strong>MfS</strong>-Offiziere aufzubauen war. Jan C. Behrends<br />
konstatierte <strong>in</strong> Anlehnung an Hannah Arendt, dass sich die kommunistischen Eliten<br />
„der immensen Bedeutung vertikalen Vertrauens für e<strong>in</strong> reibungsloses Funktionieren<br />
von Herrschaft sehr wohl bewusst“ waren. 200 Arendt unterschied für totalitäre<br />
Systeme zwischen „vertikalem“ und „horizontalem“ Vertrauen, wobei sich ersteres<br />
auf das Vertrauen zwischen Herrschenden und Beherrschten bezog und das zweite<br />
199 Dass KW, die als Beobachtungsstützpunkte oder als Anlaufstellen für <strong>MfS</strong>-Mitarbeiter, die<br />
zu personenbezogenen Überwachung e<strong>in</strong>gesetzt waren, andere Funktionen hatten, versteht<br />
sich von selbst.<br />
200 Jan C. Behrends: Soll und Haben, S. 338.