(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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ORTE DES VERRATES 55<br />
Repressions- und Überwachungsmethoden überhaupt zur Anwendung zu br<strong>in</strong>gen,<br />
bedurfte es jedoch umfassender Informationen über die angeblich Andersdenkenden.<br />
Deshalb wurde der Mitarbeiterstab <strong>in</strong> den Folgejahren um ca. 20.000 bis<br />
30.000 Hauptamtliche Mitarbeiter erweitert, mit deren Hilfe die politische Verfolgung<br />
Andersdenkender ebenso subtil wie verhältnismäßig „leise“ durchgeführt<br />
werden konnte, weshalb für diese Phase von e<strong>in</strong>er „lautlosen Durchherrschung“ der<br />
Gesellschaft gesprochen wird. 16 Der <strong>in</strong> den 1950er und 1960er Jahren mehr oder<br />
weniger praktizierte offene „Terror“ wurde <strong>in</strong> den 1970er und 1980er Jahren durch e<strong>in</strong>e<br />
subtile Mischung aus Bestechung, sozialer Ausgrenzung und politischer Instrumentalisierung<br />
<strong>des</strong> Rechts ersetzt, also durch Methoden, die Klaus-Dietmar Henke als typisch<br />
für Diktaturen mit langer Lebensdauer charakterisierte. 17 Deshalb wandelte sich<br />
auch die Herrschaftsform unter Honecker <strong>in</strong> der DDR von e<strong>in</strong>er „offenen“ Diktatur<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> eher „autoritäres“ System 18 , welches <strong>in</strong>nerhalb der Gesellschaft zunehmend<br />
die Bildung von Nischen zuließ, sofern dieseüberschaubar blieben. 19<br />
Die „lautlose Durchherrschung“ – von ihrem Anspruch und ihrer Umsetzung her<br />
gedacht, nicht von ihrem Erfolg 20 – wurde gerade <strong>des</strong>halb möglich, weil es den<br />
Mitarbeitern der Staatssicherheit gelang, sowohl Informanten <strong>in</strong>nerhalb der Bevölkerung<br />
als auch Bürger zu gew<strong>in</strong>nen, die ihre Wohnungen bzw. e<strong>in</strong>zelne Räume<br />
den <strong>MfS</strong>-Offizieren zur Verfügung stellten, damit diese dort die Informanten treffen<br />
konnten.<br />
Die Maßgaben der Staatssicherheit zur Anwerbung und Nutzung konspirativer<br />
Wohnungen wurden seit den 1950er Jahren immer wieder präzisiert. Dabei handelte<br />
es sich um die „Richtl<strong>in</strong>ie über die Erfassung der geheimen Mitarbeiter, der Informanten<br />
und der Personen, die konspirative Wohnungen unterhalten“ vom 20.<br />
September 1950, um die „Richtl<strong>in</strong>ie 21: Über die Suche, Anwerbung und Arbeit<br />
mit Informanten, geheimen Mitarbeitern und Personen, die konspirative Wohnungen<br />
unterhalten“, um die „Richtl<strong>in</strong>ie 1/58 für die Arbeit mit <strong>in</strong>offiziellen Mitarbei-<br />
den autonomen Kunstgruppen und Gruppen der späteren Bürgerbewegung mit, um das Sicherheitsbedürfnis<br />
der Staatspartei durch entsprechende Informationen aus der Szene abzudecken.<br />
Nicht selten bee<strong>in</strong>flussten diese IM die Ästhetik der „Andersdenkenden“ und <strong>in</strong>formierten<br />
das <strong>MfS</strong> über geplante Westpublikationen, vgl. Beate Ihme-Tuchel: Die DDR, S.<br />
70. Gieseke, Mielke-Konzern, S. 155. Zu den Methoden <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> vgl. außerdem Matthias<br />
Wanitschke: Methoden und Menschenbild <strong>des</strong> <strong>MfS</strong>.<br />
16<br />
Vgl. Beate Ihme-Tuchel: Die DDR, S. 68, im Anschluss an Jürgen Kockas ‚weichen’ Totalitarismusbegriff.<br />
Zu den Zahlen der Hauptamtlichen Mitarbeiter vgl. Günter Agde (<strong>Hrsg</strong>.): Kahlschlag,<br />
S. 21. Süß, a.a.O. Clemens Vollnhals: Das M<strong>in</strong>isterium für Staatssicherheit, S. 501.<br />
17<br />
Klaus-Dietmar Henke: Für e<strong>in</strong>e „Anatomie <strong>des</strong> SED-Sozialismus“, S. 84f.<br />
18<br />
Ihme-Tuchel, a.a.O., S. 70.<br />
19<br />
Schröder, a.a.O., S. 249; Michelmann, a.a.O., S. 85.<br />
20<br />
Vgl. Thomas L<strong>in</strong>denberger: Die Diktatur der Grenzen, S. 20.