(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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ORTE DES VERRATES 68<br />
wichtig! Wir brauchen dich!“ Maaz konstatierte für diese Informanten, dass schon<br />
das überaus freundliche Entgegenkommen der <strong>Stasi</strong>-Offiziere ausreichte und es e<strong>in</strong>es<br />
direkten Auftrages oft gar nicht mehr bedurfte, gegen andere auszusagen. 79<br />
„Bertram“ schien ebenfalls solch e<strong>in</strong> „Bedürftiger“ zu se<strong>in</strong>, wenn auch die Akten<br />
ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise über se<strong>in</strong>e Motivation enthalten. Er hatte von 1977 bis 1980 als<br />
GMS gearbeitet, wurde ab 1980 „wegen mangelnder Perspektive“ nicht weiter abgefragt.<br />
Als die hauptamtlichen Mitarbeiter ihn 1982 erneut ansprachen, erlag er<br />
dem Gefühl „Du bist wichtig! Wir brauchen dich!“, das ihm die <strong>Stasi</strong> suggerierte,<br />
zumal er ja wusste, worauf er sich e<strong>in</strong>ließ. Se<strong>in</strong>e erneute Werbung wurde <strong>in</strong> der<br />
Kreisdienststelle <strong>Erfurt</strong> mit dem Ausscheiden von „Vera“ aus dem Museumsverband<br />
begründet. Da dies absehbar war, hatten die hauptamtlichen Mitarbeiter die<br />
Werbung „Bertrams“ <strong>in</strong> ihrem Jahresplan 1982 bereits festgeschrieben. Karsten G.<br />
sollte Informationen über kulturelle E<strong>in</strong>richtungen der Stadt liefern sowie auch über<br />
die Interessen westdeutscher Fernseh- und Radioteams, die <strong>in</strong> Vorbereitung <strong>des</strong> Lutherjahres<br />
1983 <strong>in</strong> der Stadt waren. Karsten G. wurde ihnen als Stadtführer zur Seite<br />
gestellt, offiziell durch se<strong>in</strong>e Dissertation über die Festung Petersberg legitimiert.<br />
80 Für das <strong>MfS</strong> war „Bertram“ wichtig, weil er den Direktor <strong>des</strong> Naturkundemuseums<br />
und den Stadtrat für Kultur gut kannte. Außerdem besuchte „Bertram“<br />
Veranstaltungen der Interessengeme<strong>in</strong>schaft „Umweltschutz/Umweltgestaltung“. 81<br />
1984 wurde Renate G. als „Viktoria“ registriert. Damals arbeitete sie im VEB<br />
„Denkmalpflege“. Dort kündigte sie jedoch, belegte e<strong>in</strong>en Schneiderlehrgang und<br />
versuchte als Selbstständige zu leben. Mit dieser beruflichen Entwicklung konnte<br />
sich „Viktoria“ gegenüber „Andersdenkenden“ als e<strong>in</strong>e von ihnen ausgeben. Sie<br />
glaubte mit ihren Berichten etwas für ihren Staat zu tun, sie spitzelte aus Überzeugung.<br />
82 In den Folgejahren wurden ihre Berichte <strong>in</strong> den Operativen Vorgängen<br />
„Kassandra“, „Allerheiligen“, „Petition“, „Kleeblatt“, „Andreas“, „Korrespondent“<br />
79 Maaz, a.a.O., S. 249.<br />
80 BStU, <strong>MfS</strong>, KD <strong>Erfurt</strong> EF 500, Bd. I, Blatt 161.<br />
81 Vermutlich war er es auch, der dem <strong>MfS</strong> z.B. mitteilte, dass der 1984 amtierende Stadtrat für<br />
Umweltschutz/Wasserwirtschaft und Erholung sich besagter IG gegenüber bereit erklärt hatte,<br />
die Ausweise als ehrenamtliche Helfer für Umweltschutz auszustellen. Daraufh<strong>in</strong> wurde<br />
dann die Position <strong>des</strong> Stadtrates neu besetzt, und die Umweltgruppe erhielt bis 1989 ke<strong>in</strong>e<br />
Ausweise, die ihre ehrenamtliche Arbeit als Umweltschützer legitimiert hätten. BStU, <strong>MfS</strong>,<br />
KD <strong>Erfurt</strong>, EF 500, Bd. II, Blatt 104 und 105. Vgl. Michelmann, a.a.O., S. 61ff.<br />
82 Im Zuge der Archivierung schätzte das <strong>MfS</strong> die Arbeit von „Viktoria“ im April 1989 so e<strong>in</strong>:<br />
„Obwohl der IMB <strong>in</strong>sbesondere seit 1985 ausschließlich unter fe<strong>in</strong>dlich-negativen Kräften<br />
zum E<strong>in</strong>satz kam, erlag er nicht ihren fe<strong>in</strong>dlich-negativen Plattformen. Se<strong>in</strong>e politische<br />
Grunde<strong>in</strong>stellung zur gesellschaftlichen Entwicklung der DDR muss nach wie vor als politisch<br />
positiv bewertet werden.“ BStU, <strong>MfS</strong>, BV <strong>Erfurt</strong> Abt. XX/4, Reg.-Nr. 1818/89C. – Zu den so<br />
genannten „Gehorsams“-, „Überzeugungs“- und „Rachetätern“ vgl. Maaz, a.a.O., S. 254.