(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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EINLEITUNG 8<br />
Wohnungen bzw. der Häuser, <strong>in</strong> denen sich diese Wohnungen bef<strong>in</strong>den, war zunächst<br />
se<strong>in</strong>e Absicht. Auf diese Weise sollte e<strong>in</strong>ige Jahre nach der aktiven Nutzung<br />
der geheimen <strong>Trefforte</strong> Tendenzen der Unkenntnis, der Interessenlosigkeit, <strong>des</strong> Verdrängens<br />
entgegengewirkt und vielleicht auch e<strong>in</strong> wenig provoziert werden, allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Journalismus, der nach der Sensation und dem Spektakulären<br />
sucht und auch nicht mit dem „moralischen F<strong>in</strong>gerzeig“. Persönlichkeitsrechte<br />
von betroffenen Personen galt es selbstverständlich zu wahren. Der Bezugsort <strong>Erfurt</strong><br />
erklärt sich aus dem biografischen H<strong>in</strong>tergrund He<strong>in</strong>richs, der heute <strong>in</strong> München<br />
arbeitet und wohnt. Es hätte natürlich auch e<strong>in</strong>e andere Stadt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren<br />
Größenordnung se<strong>in</strong> können.<br />
Die Suche nach Begrifflichkeiten zur Beschreibung <strong>des</strong> Phänomens konspirativer<br />
Wohnungen gestaltete sich nicht e<strong>in</strong>fach. Das ständige, auch kontroverse R<strong>in</strong>gen<br />
brachte uns <strong>in</strong><strong>des</strong> e<strong>in</strong> breites Spektrum an Begriffen, führte also zu fruchtbaren Ergebnissen.<br />
Es handelte sich bei diesen Wohnungen weniger um Beobachtungsstützpunkte,<br />
sondern um Orte der Auftragserteilung. Joachim He<strong>in</strong>rich nennt sie "Orte<br />
der Lüge" und "Orte der Manipulation und geschickten Verführung". Jeannette van<br />
Laak bezeichnet konspirative Wohnungen und Objekte als „Orte <strong>des</strong> Verrates“, an denen<br />
Personen, die <strong>in</strong>s Visier der Staatssicherheit geraten waren, denunziert wurden. Im<br />
H<strong>in</strong>blick auf IM (da greift van Laak auf Methoden der Psychoanalyse zurück) hätten besonders<br />
konspirative Objekte/Büros die Funktion von Bewährungsräumen gehabt: Hier<br />
wurden Informationen der IM entgegengenommen und „abgerechnet“ und damit entschied<br />
sich letztlich, ob Informanten aus „Verfehlungen der Vergangenheit gelernt“<br />
oder sogar für höhere Aufgaben bestimmt waren. Die vertrauensvolle Atmosphäre<br />
konspirativer Wohnungen, das persönliche Verhältnis zwischen Informanten und<br />
Führungsoffizier, Aussprachen, die häufig auch sehr private Probleme <strong>des</strong> IM berührten<br />
(z. B. Ehekrisen), Gespräche, die auf Seiten der IM die letzten Skrupel beseitigen<br />
sollten, für die „Firma“ tätig zu se<strong>in</strong> – all dies habe nach van Laak diesen<br />
Wohnungen den Charakter von „Therapiezimmern“ verliehen. Die Offiziere nahmen<br />
demzufolge auch die Rolle von „Therapeuten“ wahr. In<strong>des</strong> ist h<strong>in</strong>zuzufügen,<br />
dass die Verantwortlichen <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> selbst es waren, die e<strong>in</strong> System schufen und<br />
E<strong>in</strong>fluss auf Wesen und Charakter von Mitarbeitern nahmen, die als Folge dieser<br />
Bee<strong>in</strong>flussung schließlich e<strong>in</strong>er Therapie bedurft hätten und dass der Staatssicherheitsdienst<br />
für die Rolle e<strong>in</strong>es „Therapeuten“ denkbar schlecht geeignet war. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus g<strong>in</strong>g es dem <strong>MfS</strong> weniger um das Wohlergehen der „Therapierten“, sondern um<br />
deren reibungsloses und effizientes Funktionieren im Rahmen ihres konspirativen<br />
Auftrages. Die Funktion konspirativer Wohnungen umschreibt van Laak schließlich<br />
noch mit der Funktion der „Schleuse“: Die Informanten mit ihren unterschiedlichen<br />
Alltagsbezügen, ob <strong>in</strong> der Ausbildung oder im Beruf stehend, als Familienväter oder<br />
unverheiratet, traten quasi aus dem Alltagsleben durch e<strong>in</strong>e Schleuse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en abgeschot-