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(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt

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ORTE DES VERRATES 97<br />

sie gerade erst Stadträt<strong>in</strong> geworden war. 226 Auch „Oliver“ wollte Karriere um jeden<br />

Preis, ebenso „Conrad“ und „Reimann“ oder die späteren Bezirksbaudirektoren.<br />

Wenn die IM diese „Bewährungsräume“ betraten, schienen sie immer auch so etwas<br />

wie den „Vorraum zur Macht“ 227 zu betreten, gerade weil alles so „geheim“<br />

war. Die straffällig gewordenen Informanten nutzten diese Vorzimmer zur Macht,<br />

um ihr Vergehen zu nivellieren und sich als anerkannte Mitglieder der Gesellschaft<br />

zu „bewähren“. Karriereorientierte Informanten hofften, dass sich ihnen <strong>in</strong> diesem<br />

Vorzimmer neue Aufstiegsmöglichkeiten eröffneten, wie „Reimann“, „Conrad“<br />

oder „Oliver“ 228 belegen.<br />

Auffällig an diesen beiden genannten Arten der Bewährung ist, dass diese Informanten<br />

<strong>in</strong> konspirativen Büros oder Objekten getroffen wurden und nicht <strong>in</strong> bewohnten<br />

geheimen Räumen. Diese wiederum erfüllten neben der Konspiration e<strong>in</strong>e<br />

weitere, ganz andere Aufgabe. Auf die psychische Labilität der Informanten wurde<br />

bereits e<strong>in</strong>gegangen und auch darauf, wie sorgfältig die <strong>MfS</strong>-Offiziere darum bemüht<br />

waren, sie zu stabilisieren. Somit sche<strong>in</strong>t es, als hätten die konspirativen<br />

Wohnungen mit Mietern wie „Therapiezimmer“ und die <strong>MfS</strong>-Offiziere wie „Gesprächstherapeuten“<br />

gewirkt, ungeachtet ihrer eigentlichen Ausbildung. Natürlich<br />

ist der Begriff „Therapiezimmer“ im Zusammenhang mit konspirativen Wohnungen<br />

<strong>des</strong> <strong>MfS</strong> ambivalent. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Impuls, e<strong>in</strong>en<br />

Therapeuten aufzusuchen, <strong>in</strong> der Regel von e<strong>in</strong>em selbst ausgeht. Diesen Impuls<br />

gab es bei den IM def<strong>in</strong>itiv nicht. Vielmehr wurden sie von den <strong>Stasi</strong>-<br />

Offizieren angesprochen, der staatlichen Sicherheit zu dienen. Dabei nutzten die<br />

Offiziere die „Bedürftigkeit“ der e<strong>in</strong>zelnen für die staatsichernden Aufgaben und<br />

signalisierten den IM „Du bist wichtig! Wir brauchen dich!“ Für die Informanten<br />

selbst war das „Mit-Jemanden-Reden-Können“ bedeutungsvoll, weshalb sie <strong>in</strong> der<br />

Regel ke<strong>in</strong> Unrechtsbewusstse<strong>in</strong> für ihre Spitzeldienste empfanden und empf<strong>in</strong>den.<br />

Zweitrangig schien dabei, dass der IM am Ende <strong>des</strong> Gesprächs noch die <strong>in</strong> der vorangegangenen<br />

„Sitzung“ gestellten Spitzelaufträge übergab oder andere damit denunzierte,<br />

zumal Worte wie „Verrat“ oder „Denunziation“ vermutlich nicht im Gespräch<br />

fielen. 229 Außerdem wurde erst mit der Übergabe der gewünschten Information<br />

durch den IM an se<strong>in</strong>en Offizier das <strong>Stasi</strong>-Versprechen „Du bist wichtig!“<br />

e<strong>in</strong>gelöst. Gleichzeitig evozierte es e<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bare Ausgewogenheit zwischen<br />

„Geben“ und „Nehmen“, denn geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> zahlt die Krankenkasse oder der Patient<br />

226 Vgl. Michelmann, a.a.O., S. 62.<br />

227 Vgl. hierzu die grundsätzlichen Ausführungen von Carl Schmitt: Der Zugang zum Machthaber,<br />

e<strong>in</strong> zentrales verfassungsrechtliches Problem. In: ders.: Verfassungsrechtliche Aufsätze,<br />

S. 431 und S. 433.<br />

228 Zum IM „Oliver“ vgl. ebd., S. 70 ff.<br />

229 Vgl. Maaz, a.a.O.

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