(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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ORTE DES VERRATES 86<br />
Dies war ke<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerer als der neue Bezirksbaudirektor von <strong>Erfurt</strong>, Edgar B., der<br />
die Funktion zum Jahresanfang 1986 übernommen hatte. Auch Edgar B. hatte<br />
schon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend als geheimer Informant für das <strong>MfS</strong> gearbeitet. Nun galt er<br />
als Spitzengeheimnisträger, der ganz offiziell mit dem <strong>MfS</strong> zusammenarbeitete. 166<br />
Die <strong>MfS</strong>-Offiziere Härtpich und Schmidt legten zu Edgar B. e<strong>in</strong>en IM-Vorlauf unter<br />
dem Decknamen „Direktor“ an. Mit dem Verweis auf bisherige gute Zusammenarbeit<br />
sollte der Bezirksbaudirektor mit dem Wohnungsbaukomb<strong>in</strong>at <strong>Erfurt</strong> als<br />
Rechtsträger <strong>des</strong> Bauarbeiterhotels am Juri-Gagar<strong>in</strong>-R<strong>in</strong>g 148 e<strong>in</strong>en Mietvertrag<br />
schließen. Wie schon erwähnt, arbeitete e<strong>in</strong> Informant auch im Wohnungsbaukomb<strong>in</strong>at.<br />
Dieser bekam den Auftrag, e<strong>in</strong>en Mietvertrag aufzusetzen. 167 Sollten die IM<br />
auf dem Weg <strong>in</strong> die KW tatsächlich von Passanten nach ihrem Woh<strong>in</strong> gefragt werden,<br />
sollten sie e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> <strong>in</strong> der benachbarten Polikl<strong>in</strong>ik anführen.<br />
Am 14. April 1986 luden sich Major Schmidt und Leutnant Härtpich bei Edgar B.<br />
e<strong>in</strong>. In <strong>des</strong>sen Dienstzimmer unterstrich Leutnant Härtpich die Notwendigkeit und<br />
die Art der Nutzung <strong>des</strong> Hotelzimmers als konspirative Wohnung. Deshalb baten<br />
sie ihn, unter se<strong>in</strong>em Namen e<strong>in</strong> Appartement anzumieten, nicht ohne vorher se<strong>in</strong>e<br />
langjährige und zuverlässige Zusammenarbeit mit der „Firma“ ausgiebig gelobt zu<br />
haben. Der zuständige Leutnant resümierte abschließend: „Une<strong>in</strong>geschränkt erklärte<br />
B. se<strong>in</strong>e Bereitschaft zur Unterstützung <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> und versprach, gegenüber jedermann<br />
strengstes Stillschweigen über die tatsächliche Nutzung <strong>des</strong> Hotelzimmers<br />
zu wahren.“ 168 E<strong>in</strong>e sonst übliche schriftliche Verpflichtung wurde Edgar B. nicht<br />
abverlangt, vielmehr wurde der Pakt per Handschlag zwischen ihm und dem <strong>MfS</strong>-<br />
Major besiegelt, was laut Richtl<strong>in</strong>ie 1/79 möglich war. 169 Nur zwei Tage später erfolgte<br />
die bereits erwähnte Archivierung der KW „Wolfgang Lorenz“ 170 , was die<br />
Vermutung nahe legt, dass beide Vorgänge aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt waren.<br />
Für die Mitarbeiter der Staatssicherheit handelte es sich bei besagtem Appartement<br />
faktisch um e<strong>in</strong>e Arbeits-KW, wie e<strong>in</strong> bestimmter Typus konspirativer Wohnungen<br />
genannt wurde. Diese Wohnungen waren zwar wohnlich ausgestattet, für die Informanten,<br />
die <strong>in</strong> die KW „Wolfgang Lorenz“ und „Zentrale“ bestellt wurden, war<br />
aber nicht zu übersehen, dass es sich hierbei um e<strong>in</strong> Hotel handelte. 171 Und die Sta-<br />
ten worden waren, konspirative Wohnungen ausf<strong>in</strong>dig zu machen. BStU, <strong>MfS</strong> BV <strong>Erfurt</strong>, Abt.<br />
XVIII, NA 475, Blatt 7.<br />
166<br />
BStU, <strong>MfS</strong>, BV <strong>Erfurt</strong>, Abt. XVIII, NA 461, Blatt 30.<br />
167<br />
Ebd., Blatt 31, Blatt 45.<br />
168<br />
Ebd., Blatt 36.<br />
169<br />
Jedenfalls wurde dies ausdrücklich betont, vgl. ebd., Blatt 36.<br />
170<br />
BStU, <strong>MfS</strong> , BV <strong>Erfurt</strong>, Abt. XVIII, NA 475, Blatt 93.<br />
171 Hahn, a.a.O., S. 66.