(Hrsg.) Geheime Trefforte des MfS in Erfurt - Stasi in Erfurt
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EINLEITUNG 6<br />
Aufgabe dieses Buches und der dar<strong>in</strong> dokumentierten Zusammenarbeit von Zeitzeugen,<br />
Künstlern und Wissenschaftlern, die „Nicht-Orte“ alltäglicher Parteidiktatur<br />
zu Stätten <strong>des</strong> kollektiven Gedächtnisses zu machen und sie mit e<strong>in</strong>er unsichtbaren<br />
Er<strong>in</strong>nerungsplakette zu versehen. Auch wenn die Anonymität der Adressen, an<br />
denen sich die <strong>Trefforte</strong> befanden, <strong>in</strong> diesem Buch nicht gelüftet wird, denken wir,<br />
dass der Leser und Betrachter die Straßen und Häuserzeilen <strong>Erfurt</strong>s künftig mit anderen<br />
Augen ansehen wird.<br />
Das M<strong>in</strong>isterium für Staatssicherheit der DDR betrachtete als politische Überwachungs<strong>in</strong>stitution<br />
bzw. „verdeckt ermitteln<strong>des</strong> Organ“ naturgemäß die Sicherung<br />
von Konspirativität als unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung se<strong>in</strong>es alltäglichen Auftrages:<br />
Verschwiegenheit, Geheimnis- bzw. Informantenschutz, Abgrenzung, Loyalität gegenüber<br />
Dienstvorgesetzten erschienen dazu als zw<strong>in</strong>gende Vorbed<strong>in</strong>gung.<br />
Zugleich bemühte sich das <strong>MfS</strong> jedoch um die Nähe zu den Alltagsbezügen <strong>des</strong><br />
DDR-Bürgers und versuchte, die Selbstisolation von der Bevölkerung zu vermeiden.<br />
Die Vorstellung, dass die operativ arbeitenden bzw. die <strong>in</strong> „Außene<strong>in</strong>sätzen“<br />
tätigen Geheimdienstmitarbeiter an unverdächtigen e<strong>in</strong>samen <strong>Trefforte</strong>n im Freien<br />
ihre Instruktionen erhalten hätten, ist e<strong>in</strong>e zuweilen der Spionage-Folklore entlehnte<br />
Stereotype, wenngleich es diese Form der konspirativen Arbeit auch gegeben hat,<br />
und zwar zu häufig, wie <strong>MfS</strong>-Offiziere e<strong>in</strong>schätzten.<br />
Die Verankerung <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> <strong>in</strong> den Alltagsbezügen der DDR erfolgte vielmehr <strong>in</strong> der<br />
Regel an Orten, die eigentlich zum Inbegriff von Privatheit gehören: den privat genutzten<br />
Wohnungen. Bürger stellten ihre eigenen „vier Wände“ für e<strong>in</strong>e (nicht selten<br />
unbeschränkte) Nutzung fremden Menschen zur Verfügung. Sie anerkannten<br />
damit e<strong>in</strong>e Beschneidung der eigenen Nutzungsrechte, wurde doch ihre Wohnung<br />
zu e<strong>in</strong>em „geheimen Treffort“ der Staatssicherheit umgewidmet, zu e<strong>in</strong>er „konspirativen<br />
Wohnung“ also, <strong>in</strong> der Inoffizielle Mitarbeiter <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> von ihren Führungsoffizieren<br />
ihre Instruktionen bekamen. An ungezählten Orten der DDR ließen<br />
sich Bürger nicht nur massive E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> ihr Privatleben gefallen, sondern wurden<br />
zu e<strong>in</strong>em willfährigen Instrument <strong>des</strong> Staatssicherheitsdienstes. In der sozialistischen<br />
Parteidiktatur standen die Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spannungsfeld von Eigen- und<br />
Fremdbestimmung, vom Drang nach Entfaltung oder zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t dem E<strong>in</strong>satz für<br />
den Schutz der eigenen Privatsphäre und der Loyalität gegenüber dem herrschenden<br />
System. Aus Sicht <strong>des</strong> M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit bot die E<strong>in</strong>bettung se<strong>in</strong>er<br />
operativen geheimdienstlichen Tätigkeit <strong>in</strong> das Alltagsleben der Bürger, <strong>in</strong> normale<br />
Lebensumfeldbeziehungen, e<strong>in</strong>en Schutz von konspirativen Handlungen, der durch<br />
die Nutzung e<strong>in</strong>schlägig bekannter Verwaltungsgebäude (z. B. <strong>MfS</strong>-Kreisdienststelle,<br />
-Bezirksverwaltung) nicht erreicht worden wäre.<br />
Die Bürger, die ihre Wohnungen für geheime Treffen der Staatssicherheit zur Verfügung<br />
stellten, waren geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> Mitglied der SED, hatten häufig bereits für das