Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen
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expertin sitzt auch im Fachbeirat<br />
der Stiftung Pflege. Ähnlich wie<br />
Zegelin-Abt sieht es auch der<br />
Sozial<strong>ver</strong>band Deutschland (SoVD).<br />
Für den Vizepräsidenten des Verbandes,<br />
Sven Picker, muss <strong>di</strong>e<br />
Pflegepolitik neu bestimmt werden:<br />
»Wir befürworten strukturelle<br />
Reformen, <strong>di</strong>e auf Prävention<br />
<strong>und</strong> Kompetenzerhaltung abzielen«,<br />
betont er.<br />
Personal oft nicht gut genug<br />
ausgebildet<br />
Prävention wird in der Pflege<br />
nach wie vor klein geschrieben.<br />
Zegelin-Abt macht unterschiedliche<br />
Gründe dafür <strong>ver</strong>antwortlich:<br />
Teilweise sei das Personal nicht<br />
entsprechend ausgebildet, teilweise<br />
fehlt schlicht <strong>di</strong>e Zeit.<br />
Für letzteres sind auch <strong>di</strong>e Pflegestandards<br />
<strong>ver</strong>antwortlich, <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e<br />
Pflegekassen setzen. Die Pflege<strong>ver</strong>sicherung<br />
will eine Mindest<strong>ver</strong>sorgung<br />
garantieren, keine<br />
R<strong>und</strong>um-Pflege.<br />
Die Folge: Die Pflege hat vor<br />
allem <strong>di</strong>e Versorgung des Körpers<br />
zum Ziel. Vorbeugung aber muss<br />
umfassend ansetzen. Eine solche<br />
Pflege, <strong>di</strong>e Bewegung ebenso einbezieht<br />
wie Sinn-Finden <strong>und</strong> Zuwendung,<br />
sei aber zum Billigtarif<br />
nicht zu haben, betont Zegelin-<br />
Abt. Denn <strong>di</strong>es sei eine in<strong>di</strong>viduelle,<br />
auf den Pflegebedürftigen<br />
abgestimmte Dienstleistung –<br />
eben eine sehr personalintensive<br />
Dienstleistung.<br />
Aber personalintensiv ist <strong>di</strong>e<br />
Dienstleistung schon heute. Aller<strong>di</strong>ngs<br />
setzt sie erst dann ein, wenn<br />
<strong>di</strong>e Leiden bereits ausgebrochen<br />
sind wie beim Dekubitus. Oder<br />
Beispiel Hüftoperationen: Schätzungen<br />
von Experten zufolge<br />
wären viele Stürze von älteren<br />
Menschen <strong>und</strong> als Folge davon<br />
<strong>di</strong>e Hüftoperationen überflüssig<br />
– wenn eine intensi<strong>ver</strong>e Sturzprävention<br />
<strong>di</strong>e Regel <strong>und</strong> nicht <strong>di</strong>e<br />
Ausnahme wäre. Oder wenn bei<br />
den Angehörigen, den Hausärzten<br />
oder dem Pflegepersonal öfter der<br />
Zusammenhang zwischen Me<strong>di</strong>kamentencocktails<br />
<strong>und</strong> Schwindel<br />
bekannt wäre. Nebenwirkungen<br />
von Psychopharmaka zum Beispiel<br />
sind oft nicht nur Apathie, sondern<br />
auch ein unsicherer Gang.<br />
Stürze sind <strong>di</strong>e Folge.<br />
Bettlägrigkeit <strong>ver</strong>meiden<br />
Beispiel Ernährung: Viele alte<br />
Menschen sind abgemagert <strong>und</strong><br />
sie trinken zuwenig. Wer aber zu<br />
wenig trinkt, ist anfällig für Lungenentzündungen,<br />
hat Probleme<br />
mit der Haut, was wiederum<br />
Druckgeschwüre begünstigt.<br />
Doch statt <strong>di</strong>e Frauen <strong>und</strong> Männer<br />
jede St<strong>und</strong>e zum Trinken zu<br />
animieren, werde in vielen Einrichtungen<br />
reichlich schnell künstlich<br />
ernährt, weiß Zegelin-Abt – zur<br />
Erleichterung des Pflegealltags.<br />
Für viele ältere Menschen ist aber<br />
genau das <strong>di</strong>e Horrorvorstellung<br />
schlechthin: abhängig von Pflegepersonal<br />
zu sein, sich kaum noch<br />
bewegen zu können <strong>und</strong> Nahrungsaufnahme<br />
<strong>und</strong> Verdauung<br />
über Schläuche zu erle<strong>di</strong>gen, <strong>ver</strong>kabelt<br />
zu sein.<br />
Pflege statt Schläuchen, müsse<br />
<strong>di</strong>e Losung heißen. Konzepte, <strong>di</strong>e<br />
Selbststän<strong>di</strong>gkeit der alten Leute<br />
zu erhalten <strong>und</strong> Bettlägrigkeit zu<br />
<strong>ver</strong>meiden, gibt es längst. Doch<br />
nur in wenigen Einrichtungen werden<br />
sie konsequent umgesetzt,<br />
wissen Pflegeexperten.<br />
Pflege-Standards müssen<br />
definiert werden<br />
Wie könnte eine Pflege aussehen,<br />
<strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Würde wahrt <strong>und</strong><br />
<strong>di</strong>e nicht nur physisch betreut,<br />
sondern <strong>di</strong>e Pflegebedürftigen<br />
auch psychisch wahrnimmt? Es<br />
müsse definiert werden, was Qualität<br />
in der Pflege ausmacht, betont<br />
Zegelin-Abt. Solche Standards<br />
fehlten bisher.<br />
Klar scheint aber auch, dass <strong>di</strong>e<br />
Pflege-Profis nicht für alle Aspekte<br />
des Lebens <strong>und</strong> des Alterns zustän<strong>di</strong>g<br />
sein können. Zegelin-Abt<br />
kann sich einen Versorgungsmix<br />
vorstellen: Gut ausgebildete Profis<br />
<strong>ver</strong>abreichen nicht nur <strong>di</strong>e Me<strong>di</strong>kamente,<br />
sondern achten darauf,<br />
dass <strong>di</strong>e noch zu definierenden<br />
Pflege-Standards eingehalten werden.<br />
Sie unterstützen damit auch<br />
pflegende Angehörige.<br />
Gebraucht werde aber auch bürgerschaftliches<br />
Engagement – zum<br />
Sprechen, zum Spazierengehen,<br />
damit <strong>di</strong>e alten Leute integriert<br />
bleiben in <strong>di</strong>e Gesellschaft. ■<br />
Jana Bender<br />
<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 20 ■ April 2003 15<br />
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RENATE STIEBITZ, POTSDAM<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>politik