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Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen

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Forensik: Unerwünschtes Wachstum<br />

Entwicklungsprobleme der<br />

forensischen Psychiatrie<br />

Man stelle sich vor: Ein Dienstleistungsbereich<br />

<strong>ver</strong>zeichnet wachsende<br />

Nachfrage <strong>und</strong> keiner freut<br />

sich; nicht einmal <strong>di</strong>ejenigen,<br />

denen es das tägliche Brot sichert.<br />

Zu <strong>di</strong>esen seltenen Phänomenen<br />

gehört der Maßregelvollzug. Eine<br />

stetig steigende Nachfrage korrespon<strong>di</strong>ert<br />

mit zunehmenden Widerständen<br />

beim Aus- bzw. Aufbau<br />

von Versorgungskapazitäten. Es<br />

scheint so, dass keiner sich der<br />

Menschen annehmen will, <strong>di</strong>e allgemein<br />

als schuldbeladen, gefährlich<br />

gelten <strong>und</strong> <strong>di</strong>e zudem häufig<br />

sozial deklassiert erscheinen. Ihre<br />

Krankheit <strong>und</strong> in deren Folge ihre<br />

mitunter erheblichen Straftaten<br />

legen ihnen ein kaum zu überbietendes<br />

Stigma auf. Forensische<br />

Psychiatrie ist ein Stück Niemandsland<br />

geblieben, das man in der<br />

Regel nur durch neue Schreckensmeldungen<br />

zur Kenntnis nimmt.<br />

Maßregelvollzug ist<br />

Krankenbehandlung<br />

Der Maßregelvollzug hat <strong>di</strong>e<br />

Aufgabe der Sicherung <strong>und</strong> Behandlung<br />

von straffällig gewordenen<br />

psychisch Kranken. Obwohl<br />

gewaltsame Sexualdelikte <strong>di</strong>e öffentliche<br />

Aufmerksamkeit auf sich<br />

ziehen, machen sie nicht <strong>di</strong>e<br />

Mehrheit der Straftaten aus. Vielmehr<br />

ist bei den PatientInnen eine<br />

große Bandbreite von Vergehen<br />

wie auch von psychischen Krankheitsbildern<br />

anzutreffen. Stellt<br />

man <strong>di</strong>e Rechtmäßigkeit der<br />

Diagnosestellung nicht in Frage,<br />

dann gebührt <strong>di</strong>esen Kranken ein<br />

angemessenes Angebot der Unterbringung<br />

<strong>und</strong> Behandlung. Maßregelvollzug<br />

ist eben Krankenbehandlung.<br />

Menschen sind nicht<br />

berechenbar<br />

Sie sind nun mal – zum Glück –<br />

keine Maschinen. Unser alltägliches<br />

Miteinander ist von Ritualen<br />

<strong>und</strong> Regeln bestimmt, <strong>di</strong>e zumindest<br />

ein gewisses Maß an Sicherheit<br />

gewährleisten sollen, <strong>und</strong><br />

dennoch werden wir immer wieder<br />

durch Unerwartetes positiv oder<br />

negativ überrascht. Psychische<br />

Erkrankungen potenzieren <strong>di</strong>e Unberechenbarkeit,<br />

<strong>ver</strong>unsichern,<br />

machen Angst. Wenn Kranke<br />

straffällig geworden sind, dann<br />

fällt es der öffentlichen Meinung<br />

zusätzlich schwer, ihnen trotz Therapie<br />

das für ein Zusammenleben<br />

notwen<strong>di</strong>ge Vertrauen entgegen<br />

zu bringen. Vielmehr <strong>ver</strong>langt man<br />

eine 100%-Garantie, dass kein<br />

Fehl<strong>ver</strong>halten mehr eintreten wird.<br />

– Würde man <strong>di</strong>esen nicht erfüllbaren<br />

Maßstab auf Norm<strong>ver</strong>stöße<br />

insgesamt anwenden, dann wären<br />

statt Wiedereingliederungs<strong>ver</strong>suchen<br />

nur drakonische lebenslange<br />

Sanktionen denkbar. Für eine Gesellschaft<br />

ist es von gr<strong>und</strong>sätzlicher<br />

Bedeutung, wie in ihr der<br />

Umgang mit abweichendem (deviantem)<br />

Verhalten geregelt ist.<br />

Ausbau mit angezogener<br />

Handbremse<br />

Das Misstrauen gilt beiden:<br />

den Kranken <strong>und</strong> den sie behandelnden<br />

Einrichtungen. Eine Öffentlichkeit,<br />

<strong>di</strong>e sich gerne von<br />

me<strong>di</strong>alem Horror <strong>und</strong> von Gewaltdarstellungen<br />

unterhalten lässt,<br />

scheint im Umgang mit kranken<br />

Rechtsbrechern nur Null-Toleranz<br />

zu kennen. Trotz allerorten beklagten<br />

Überbelegungen <strong>und</strong><br />

damit einer Gefährdung der Aufgabenstellung<br />

des Maßregelvollzugs<br />

wird b<strong>und</strong>esweit Widerstand<br />

gegen <strong>di</strong>e Eröffnung neuer Standorte<br />

mobilisiert. Raumenge, Perso-<br />

nalknappheit, mangelndes Therapieangebot<br />

sind aber Gefährdungspotenziale,<br />

<strong>di</strong>e es gerade im<br />

Namen der Sicherheit auszuschalten<br />

gilt.<br />

Respekt vor dem Menschen ist<br />

von elementarer Bedeutung<br />

Eher Sensationslust <strong>und</strong> Un<strong>ver</strong>ständnis<br />

als Ansehen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

werden auch denjenigen<br />

entgegengebracht, <strong>di</strong>e an der täglichen<br />

Betreuung im Maßregelvollzug<br />

beteiligt sind. Dabei wird <strong>ver</strong>kannt,<br />

dass <strong>di</strong>ese Arbeit sich kaum<br />

von derjenigen in anderen Krankenhausbereichen<br />

unterscheidet<br />

<strong>und</strong> im Vergleich weniger Zwi-<br />

<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 20 ■ April 2003 35<br />

MICHAEL KRÖMKER<br />

FREESTYLE<br />

Deutschland<br />

Niedersächsisches Landeskrankenhaus Osnabrück<br />

April 2003<br />

Informationen<br />

Wehnen<br />

Osnabrück<br />

Lüneburg<br />

Brauel<br />

Wunstorf<br />

Landeskrankenhäuser<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Soziale Dienste<br />

Wohlfahrt <strong>und</strong> Kirchen<br />

Vereinte<br />

Dienstleistungsgewerkschaft<br />

Königslutter<br />

Hildesheim<br />

Moringen<br />

Göttingen<br />

Tiefenbrunn<br />

Niedersachsen-Bremen<br />

aus: Informationen<br />

Landeskrankenhäuser,<br />

<strong>ver</strong>.<strong>di</strong>-<br />

Zeitung für <strong>di</strong>e<br />

Beschäftigten der<br />

niedersächsischen<br />

Landeskrankenhäuser,<br />

April 2003,<br />

Seite 12

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