Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen
Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen
Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ein Bereitschafts<strong>di</strong>enst der<br />
Stufe D (es wird erwartungsgemäß<br />
mit einer Arbeitsaufnahme von<br />
40-49% der Bereitschafts<strong>di</strong>enstzeit<br />
gerechnet) kann z.B. nach<br />
einem Regel<strong>di</strong>enst von 8 St<strong>und</strong>en<br />
nur noch in einem Umfang von<br />
4 St<strong>und</strong>en angeordnet werden. Ein<br />
Bereitschafts<strong>di</strong>enst der Stufe C<br />
kann dementsprechend nur noch<br />
höchstens 5 St<strong>und</strong>en dauern.<br />
Demzufolge können Dienstpläne<br />
auf nur vier Kriterien abgeklopft<br />
werden:<br />
1. Wird <strong>di</strong>e tägliche Höchstarbeitszeit<br />
von 10 St<strong>und</strong>en (unter<br />
Einbeziehung der zu erwartenden<br />
oder auch tatsächlichen Heranziehung<br />
zur Arbeit in einem sich anschließenden<br />
Bereitschafts<strong>di</strong>enst)<br />
eingehalten?<br />
2. Wird <strong>di</strong>e wöchentliche<br />
Höchstarbeitszeit von 48 St<strong>und</strong>en<br />
eingehalten?<br />
3. Wird <strong>di</strong>e tägliche Mindestruhezeit<br />
von 11 St<strong>und</strong>en (bei privaten<br />
Arbeitgebern im Fall eines<br />
sich an einen Regel<strong>di</strong>enst anschließenden<br />
Bereitschafts<strong>di</strong>enstes von<br />
5,5 St<strong>und</strong>en) unterschritten?<br />
4. Wird <strong>di</strong>e wöchentliche Mindestruhezeit<br />
von einmal 35 St<strong>und</strong>en<br />
innerhalb eines 7-Tage-Zeitraumes<br />
unterschritten?<br />
Werden <strong>di</strong>ese Kriterien nicht erreicht,<br />
ist ein Dienstplan abzulehnen.<br />
In der Tat ist es nicht einfach,<br />
einen Dienstplan in der bisher üblichen<br />
Art aufzustellen, ohne dass<br />
er eines oder mehrere <strong>di</strong>eser Kriterien<br />
<strong>ver</strong>letzt. So kann z.B. bei<br />
einer regelmäßigen 5-Tage-Woche<br />
mit einem 7,7-St<strong>und</strong>en-Tag am<br />
Wochenende kein 24-St<strong>und</strong>en-<br />
Bereitschafts<strong>di</strong>enst oder ein nächtlicher12-St<strong>und</strong>en-Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />
der Stufe A oder B angeordnet<br />
werden. Die Mindestruhezeit<br />
von 35 St<strong>und</strong>en in einem<br />
Sieben-Tage-Zeitraum wäre nicht<br />
mehr herstellbar. Es ist also in<br />
einem solchen Fall ein zusätzlicher<br />
Ruhetag zu gewähren.<br />
Es kann also sofort gehandelt<br />
werden!<br />
Wer jetzt noch auf den Gesetzgeber<br />
oder <strong>di</strong>e Regierung wartet<br />
(<strong>di</strong>e lassen sich Zeit <strong>und</strong> haben offenbar<br />
keine Eile) oder auf eine<br />
Änderung der tariflichen Bestimmungen<br />
(<strong>di</strong>e Arbeitgeberseite ist<br />
aus ihrem Blockade-Betonbunker<br />
noch nicht herausgekrochen), wird<br />
den Zielsetzungen des Arbeitsschutzes<br />
nicht gerecht. Personal-,<br />
Betriebsräte <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>ver</strong>tretungen<br />
können ab sofort handeln<br />
<strong>und</strong> Veränderungen in ihren Betrieben<br />
erzwingen. Die Arbeitgeber<br />
werden <strong>di</strong>e üblichen Jammergesänge<br />
anstimmen. Es ist kaum<br />
zu glauben, aber es mangelt ihnen<br />
immer noch am Geld. Aber was<br />
hilft`s? Die haben <strong>und</strong> hatten<br />
noch nie Geld für ihre Beschäftigten.<br />
Wenn es nach ihnen allein<br />
ginge, würde sich nie etwas zu<br />
Gunsten der Beschäftigten ändern.<br />
Der Einstieg in den Ausstieg aus<br />
den Bereitschafts<strong>di</strong>ensten ist aber<br />
heute trotzdem schon vielerorts im<br />
Gange <strong>und</strong> muss unter Veränderung<br />
der Betriebsabläufe weiter<br />
organisiert werden. Es <strong>ver</strong>steht<br />
sich von selbst, dass Veränderungen<br />
nur durch Neueinstellungen<br />
herbei geführt werden können.<br />
Was ist aber mit den<br />
Einkommens<strong>ver</strong>lusten für <strong>di</strong>e<br />
Bereitschafts<strong>di</strong>enst-Leistenden?<br />
Für <strong>di</strong>ejenigen, <strong>di</strong>e unbe<strong>di</strong>ngt<br />
weiterhin über <strong>di</strong>e 38,5- (im Fall<br />
BAT-Ost: 40)-St<strong>und</strong>enwoche hinaus<br />
noch Bereitschafts<strong>di</strong>enste im<br />
Umfang von durchschnittlich maximal<br />
9,5 (8) St<strong>und</strong>en pro Woche<br />
<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 20 ■ April 2003 19<br />
Tarifpolitik<br />
leisten wollen, werden sich <strong>di</strong>e Einkommens<strong>ver</strong>luste<br />
in Grenzen halten. Für Ärzte<br />
ergäbe sich auf <strong>di</strong>ese Weise immerhin<br />
noch ein Zu<strong>ver</strong><strong>di</strong>enst von knapp 1.000 €<br />
pro Monat. Bedenklich daran ist aber,<br />
dass über <strong>di</strong>esen Weg <strong>di</strong>e 48-St<strong>und</strong>enwoche<br />
durch <strong>di</strong>e Hintertür eingeführt wird,<br />
um nicht nur bei <strong>di</strong>eser Berufsgruppe den<br />
gewohnten Lebensstandard zu sichern.<br />
Insbesondere für ältere Arbeitnehmer<br />
sind Bereitschafts<strong>di</strong>enste in der bislang<br />
üblichen Art nach einem Regel<strong>di</strong>enst aber<br />
eine unzumutbare Belastung. Sie könne<br />
sich jetzt mit Fug <strong>und</strong> Recht von <strong>di</strong>eser<br />
Form der Maloche abwenden <strong>und</strong> nicht<br />
mehr zu Arbeitseinsätzen gezwungen<br />
werden, <strong>di</strong>e ihre Ges<strong>und</strong>heit ruinieren.<br />
In seinen Schlussanträgen vom<br />
8.4.2003 hat der Generalanwalt beim<br />
EuGH, Herr Colomer, im Jäger-Verfahren<br />
(C-151/02), in dem über <strong>di</strong>e Vorabanfrage<br />
des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-<br />
Holstein entschieden wird, <strong>di</strong>e SIMAP-<br />
Entscheidung des EuGH bestätigt <strong>und</strong><br />
explizit auch <strong>di</strong>e Teile des Bereitschafts<strong>di</strong>enstes<br />
der Arbeitszeit zugerechnet, in<br />
denen ein Krankenhausarzt im Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />
schläft (das haben <strong>di</strong>e Kieler<br />
LAG-Richter/innen wirklich wissen wollen).<br />
Nun hat der EuGH selbst noch nicht<br />
entschieden. In 95% der Fälle hat er sich<br />
den Schlussanträgen der Generalanwälte<br />
angeschlossen. Wenn <strong>di</strong>e Termin-Planung<br />
stimmt, dann wird der EuGH noch vor der<br />
Sommerpause sein Urteil fällen. Nichts<br />
deutet bislang darauf hin, dass er seine<br />
Position zu den Bereitschafts<strong>di</strong>ensten revi<strong>di</strong>eren<br />
wird. Die Tage der Bereitschafts<strong>di</strong>enste<br />
sind gezählt!<br />
Gegen <strong>di</strong>e Untätigkeit der B<strong>und</strong>esregierung<br />
wurde von uns aus eine Beschwerde<br />
an <strong>di</strong>e EU-Kommission wegen Verletzung<br />
des Gemeinschaftsrechtes in Deutschland<br />
mit der Aufforderung gerichtet, ein<br />
Verfahren gegen <strong>di</strong>e B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland in <strong>di</strong>e Wege zu leiten, um sie<br />
zur europarechtskonformen Änderung<br />
des Arbeitszeitgesetzes zu zwingen. ■<br />
Erik Wagner-Fallasch<br />
wagner-fallasch@web.de