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Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen

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aufgenommen <strong>und</strong> eine Verkürzung<br />

der Ruhezeit durch tatsächliche<br />

Inanspruchnahme aus dem<br />

Bereitschafts<strong>di</strong>enst für zulässig erklärt.<br />

Mit der Entscheidung des EuGH<br />

ist nun seit dem Oktober 2000<br />

klargestellt, dass <strong>di</strong>ese Verfahrensweise<br />

unhaltbar ist, da Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />

als Arbeitszeit gewertet<br />

wird <strong>und</strong> folglich nicht in<br />

der Ruhezeit liegen kann.<br />

Rufbereitschaft (§ 15 Abs. 6b<br />

BAT) als schwächere Form des Bereitschafts<strong>di</strong>enstes<br />

beschreibt <strong>di</strong>e<br />

Verpflichtung des Arbeitnehmers,<br />

sich außerhalb der regelmäßigen<br />

Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber<br />

anzuzeigenden Stelle aufzuhalten<br />

oder z.B. über Handy<br />

erreichbar zu sein, um auf Abruf<br />

<strong>di</strong>e Arbeitsstelle aufzusuchen <strong>und</strong><br />

<strong>di</strong>e Arbeit aufzunehmen, wobei<br />

erfahrungsgemäß le<strong>di</strong>glich ausnahmsweise<br />

Arbeit anfallen darf.<br />

Rufbereitschaft <strong>und</strong> <strong>di</strong>e aus ihr geleistete<br />

tatsächliche Arbeit werden<br />

nach eigenen Tarifvorschriften bezahlt.<br />

Diese Form der Rufbereitschaft<br />

ist z.Z. nicht Gegenstand der juristischen<br />

Auseinandersetzung.<br />

Der mit der Entscheidung des<br />

EuGH neu entflammte Streit, dem<br />

das BAG unlängst mit seinem Beschluss<br />

vom 18.2.2003 einen weiteren<br />

Mosaikstein hinzugefügt<br />

hat, bezieht sich mithin primär auf<br />

<strong>di</strong>e Definition der Begriffe Arbeitszeit,<br />

Bereitschafts<strong>di</strong>enst sowie Ruhezeit<br />

<strong>und</strong> auf <strong>di</strong>e Frage, welche<br />

Rechtsquellen, nämlich <strong>di</strong>e Richtlinie<br />

93/104/EG, das ArbZG oder<br />

der Tarif<strong>ver</strong>trag vorrangig anzuwenden<br />

sind.<br />

Aus gegenwärtiger Sicht kann<br />

man insoweit folgendes in<br />

unserem Sinne feststellen:<br />

1. Der EuGH ist nach einer Entscheidung<br />

des B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>fassungsgerichtes<br />

vom 9.1.2001 gesetzlicher<br />

Richter gem. Artikel 101 GG<br />

(AuR 2001, 105). Seine Urteile<br />

sind damit für <strong>di</strong>e Rechtsanwendung<br />

einschließlich der Rechtsprechung<br />

durch <strong>di</strong>e nationalen Gerichte<br />

<strong>ver</strong>bindlich.<br />

2. Mit seiner Entscheidung vom<br />

3.10.2000 (AuR 2000, 465-468)<br />

hat der EuGH ausgesprochen, dass<br />

Bereitschafts<strong>di</strong>enst als Arbeitszeit<br />

zu werten ist. Der EuGH hat <strong>di</strong>eser<br />

Entscheidung durch Beschluss vom<br />

3.7.2001 (RS. C-241/99-CIG) für<br />

me<strong>di</strong>zinisches Pflegepersonal bestätigt.<br />

3. Der EuGH bezieht sich dabei<br />

auf <strong>di</strong>e Definition des Begriffs Arbeitszeit<br />

in Art. 2 Nr. 1 RL. Danach<br />

ist Arbeitszeit jede Zeitspanne,<br />

während der ein Arbeitnehmer (...)<br />

arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung<br />

steht <strong>und</strong> seine Tätigkeit<br />

ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.<br />

Der EuGH hat festgestellt, dass<br />

Bereitschafts<strong>di</strong>enst <strong>di</strong>ese Merkmale<br />

erfüllt <strong>und</strong> ihn demgemäß als<br />

Arbeitszeit gewertet.<br />

Diese Auslegung der Richtlinie<br />

ist für <strong>di</strong>e nationalen Gerichte bindend<br />

(BVerfG in AuR 2001, 105;<br />

BAG = NZA 1996, 998 ff; vom<br />

5.3.1996 1 AZR 590/92 A).<br />

4. Das BAG hat <strong>di</strong>es in der<br />

jüngsten Entscheidung vom 18.2.<br />

2003 (1 ABR 17/02) bestätigt <strong>und</strong><br />

führt lt. Pressemitteilung Nr. 15/03<br />

aus: »Die Entscheidung (des<br />

EuGH) ist deshalb auf andere Berufsgruppen<br />

<strong>und</strong> alle Mitgliedsstaaten<br />

übertragbar, ohne dass es<br />

einer erneuten Anrufung des<br />

EuGH bedürfte«. Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />

ist folglich Arbeitszeit.<br />

5. Das LAG Niedersachsen hat<br />

im Anschluss an <strong>di</strong>e Entscheidung<br />

des EuGH geurteilt, Arbeitszeit sei<br />

bei richtlinienkonformer Auslegung<br />

des § 2 ArbZG <strong>di</strong>e Zeit, in<br />

der sich der Arbeitnehmer an der<br />

Arbeitsstelle aufhält (LAG Niedersachsen<br />

vom 17.5.2002 10 TaBV<br />

22/02 - 1 ABR 28/02), sodass Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />

mit von der Arbeitszeit<br />

erfasst wird.<br />

6. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>di</strong>eser<br />

Rechtsprechung ist nach den Gesetzen<br />

der Logik ausgeschlossen,<br />

dass Bereitschafts<strong>di</strong>enst in der<br />

Ruhezeit nach Art. 3 RL bzw. § 5<br />

Abs. 1 ArbZG liegen kann. Denn<br />

Arbeitszeit <strong>und</strong> Ruhezeit schließen<br />

einander aus. Die eine kann nur<br />

beginnen, wenn <strong>di</strong>e andere geendet<br />

hat.<br />

7. Da <strong>di</strong>e Entscheidungen des<br />

EuGH unmittelbar Recht setzen,<br />

kann sich jeder auf <strong>di</strong>e somit <strong>ver</strong>bindliche<br />

Auslegung zum Thema<br />

Arbeitszeit <strong>und</strong> Bereitschafts<strong>di</strong>enst<br />

berufen, gleich, ob im Öffentlichen<br />

Dienst oder einem Satelliten<br />

oder bei einem privaten Arbeitgeber<br />

beschäftigt. Anders als <strong>di</strong>e als<br />

Sek<strong>und</strong>ärrecht geltenden Richtlinien<br />

des GemR beanspruchen Entscheidungen<br />

des EuGH unmittelbare<br />

<strong>und</strong> zwingende Wirkung in<br />

jedem Mitgliedsstaat.<br />

8. Das BAG hat darüber hinaus<br />

wiederholt <strong>di</strong>e Verpflichtung der<br />

nationalen Gerichte festgestellt,<br />

dass innerstaatliche Recht richtlinienkonform<br />

auszulegen, unter<br />

Beachtung aller<strong>di</strong>ngs des vom nationalen<br />

Gesetzgeber gelassenen<br />

Spielraums, da der ggf. erkennbare<br />

Wille des nationalen Gesetzgebers<br />

nicht in sein Gegenteil <strong>ver</strong>kehrt<br />

werden dürfe (BAG = NZA<br />

1996, 989 ff; vom 5.3.1996 1 AZR<br />

590/92 A).<br />

Das BAG hat in <strong>di</strong>esem Zusammenhang<br />

außerdem festgestellt,<br />

dass staatliche Stellen in ihrer<br />

Eigenschaft als Arbeitgeber,<br />

einschließlich der von ihnen be-<br />

<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 20 ■ April 2003 17<br />

Tarifpolitik

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