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FACHVERBAND PHILOSOPHIE Mitteilungen

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Winfried Kuchen<br />

Textfiguren<br />

Dramatisierende und modellierende Verfahren<br />

der Interpretation philosophischer Texte<br />

1. Idee und Anschauung<br />

Seit alters her sind die Philosophen auf die Idee gekommen, ihre Gedanken, abstrakte<br />

Vorstellungen also, in bildlich-konkreter Form darzustellen.<br />

Das mythologisch geprägte Denken vorsokratischer Zeit lebt mit und aus Bildern, so<br />

beispielsweise in Homers Gleichnissen. Platon und Aristoteles sind ohne Metaphern,<br />

Gleichnisse, Allegorien und Redefiguren nicht zu denken. Man erinnere nur die platonischen<br />

Gleichnisse im „Staat“ 1 oder Allegorien, Analogien, Personifizierungen, zum<br />

Beispiel die „elterlichen Gesetze im „Kriton“ oder das Gleichnis vom Sportler zur Verdeutlichung<br />

der Leib-Seele-Analogie ebendort. 2 Philosophische Bilderwelten sind bis<br />

in die Gegenwart zu erkunden und zu bestaunen.<br />

Die wohl bekannteste Verbindung der beiden Grundelemente des Vorstellens, des figurativen<br />

und analytischen Modus, findet sich in Kants Satz: „Gedanken ohne Inhalt<br />

sind leer. Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ 3 Kants berühmtes Diktum kann,<br />

obschon in die Jahre gekommen, die Leitlinie einer modernen Philosophiedidaktik<br />

vorgeben, insofern das, was bei Kant als notwendige und korrespondierende Formen<br />

des Erfahrens gedacht wird, auf das Verstehen, hier die unterrichtlichen Weisen des<br />

Vorstellens und Begreifens, zu übertragen wäre. Denn: Wer möchte schon, im Leben<br />

wie in der Schule, blind und gedankenlos zu Werke gehen?<br />

Auf der Suche nach einem ersten didaktischen Ansatzpunkt bietet sich R. Arnheims<br />

fast schon klassische Studie über „Anschauliches Denken“ 4 (Visual Thinking) an. Der<br />

Gedanke der konstitutiven Einheit von Bild und Begriff bietet, zumal in fächerübergreifender<br />

Hinsicht, ein brauchbares theoretisches Fundament, das allerdings fachlich zu<br />

spezifizieren wäre. Hier sollen jedoch zunächst, in einem ersten Zugriff, eher praxisbezogene<br />

Überlegungen und Erfahrungen zum Thema angeführt werden.<br />

2. Gedanken malen<br />

Einen konkreten Versuch, „Ideen zu malen“, legt 1987 in Italien Emanuele Gennaro<br />

vor, der die Teilnehmer einer Sommerakademie 5 mit seiner „Filosofia per Imagini“ 6<br />

und dem Werk „Pittura di Idee“ 7 verblüffte (vgl. Abb. 1 und das Titelbild dieses Heftes).<br />

Was man auf den ersten Blick für eine methodische Spielerei, eine Arabeske nur, halten<br />

konnte, entpuppte sich im Verlaufe des Vortrags als interessantes didaktisches<br />

Experiment. Es war der konkrete Versuch, ’Eisthesis’ und ’Noesis’ miteinander zu verknüpfen:<br />

„la raffiguratione estetica o anche poetico-emozionale“ einerseits und<br />

“l’inspiratione dal pensiero speculativo o scientifico” andererseits. 7 (1985) Ausdrücklich<br />

nicht intendiert wird dabei „la tendenza a banalizzare“, eine Banalisierung, ‚terrible<br />

simplification’, der Philosophie.<br />

Gennaro berichtet über seine Erfahrungen und praktischen Versuche mit Studenten,<br />

bildliche Darstellungen selbst zu konzipieren, philosophische Ideen, Gedankengänge,<br />

ja ganze Systeme („la filosofia di Kant“) zu malen. Dies mag verwundern, Puristen der<br />

Abstraktion gar befremden. Doch ist ein gewisser Erfolg, der in der Attraktion, Suggestion,<br />

dem Charme der Bildkraft liegt, nicht zu leugnen. Parallele Erfahrungen mit deutschen<br />

Schülern in der Oberstufe bieten zum Teil überraschende Einsichten über die<br />

(lern-) psychologische und didaktische Verknüpfung von Bild und Idee. Der entscheidende<br />

Vorzug gegenüber dem diskursiven Denken dürfte dabei in der Funktion des<br />

Bildmediums selbst liegen, das komplexe Sachverhalte, diffizile begriffliche Unterscheidungen<br />

und Verknüpfungen sozusagen ’auf einen Blick’, simultan und synoptisch<br />

zugänglich machen kann.<br />

<strong>FACHVERBAND</strong> <strong>PHILOSOPHIE</strong> E.V.

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