12.07.2015 Aufrufe

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

echt & <strong>gesellschaft</strong>rungszelle), obwohl diese eher voneinem therapeutischen als von einemstrafenden Standpunkt betrachtet werdensollten. 24 In diesem Zusammenhangist auf die nunmehr mögliche Zwangsernährunghinzuweisen, 25 um die Vollziehungder Schubhaft bei schlechtemGesundheitszustand eines Fremden,dessen Abschiebung möglich ist, zu gewährleisten.26 Angesichts des Zwecksder Anhaltung (Sicherung einer Ausweisung/Abschiebung)und dem Statusvon AsylwerberInnen sollten gelindereMittel wie Verbesserung der Schubhaftbedingungen(offener Vollzug, ArbeitsundBeschäftigungsmöglichkeiten, besserepsychologische und medizinischeBetreuung durch Personen, die derenSprache sprechen) zur Anwendungkommen. 27Ein großes Problem stellt die nichtausreichende Schulung des Personalsdar, die zur Anwendung gefährlicherMittel führt, um Häftlinge, die sich selbstoder andere gefährden, unter Kontrollezu halten. 28Besonders schutzwürdige GruppenEin großes Problem ist der gänzlicheMangel an psychologischer und psychiatrischerUnterstützung. Eine Verlegungin ein psychiatrisches Krankenhauswürde bedeuten, dass diebetroffene Person als haftuntauglicherklärt und entlassen werden müsste.CPT betont, dass gerade der geistigenGesundheit und dem psychischen Zustandvon AusländerInnen in Gewahrsambesondere Aufmerksamkeit gezollt 2. Verfassungsmäßigkeit § 76werden müssen, da sich darunter Asyl- Abs 2 FPG im Lichte des Rechtsauf persönliche Freiheit 35Situationen – Folter und andere Arten Dass die Inschubhaftnahme, der Schubhaftbescheidund die weitere Anhaltungvon Misshandlungen – in ihren Heimatländernerfahren haben. 29einen Entzug der persönlichen Freiheit(sowohl nach Art 5 EMRK als auch nachAuswirkung auf ein fairesPersFrG) darstellen, bedarf keiner weiterenErörterung. 36 Zu prüfen sein wirdAsylverfahren/Rechtsschutz generellDie Anhaltung in Schubhaft erschwert aber die Zulässigkeit dieses Eingriffs.– abgesehen von der Wahrnehmung Aufgrund der Bedeutung dieses Grund<strong>recht</strong>ssteht es unter einem inhaltlichvon Rechtsmitteln gegen den Schubhaftbescheid– die Durchführung fairer sehr engen Gesetzesvorbehalt, der denund <strong>recht</strong>sstaatlicher Asylverfahren, Gestaltungsspielraum stärker als beida der effektive Zugang zu Rechtsberatungund -vertretung gefährdet ist. 30 ten anderer Grund<strong>recht</strong>e einschränkt. 37zweck- und wertorientierten Vorbehal-Aufgabe der Schubhaftbetreuung 31 istnämlich ausschließlich die Verbesserungder humanitären und sozialen2.1. Gesetzliche Deckung des Eingriffs(Art 1 Abs 2 PersFrG)Standards, nicht hingegen die <strong>recht</strong>licheBeratung und Unterstützung. tigung durch ein Gesetz im formellenDurch § 76 Abs 2 FPG ist eine Ermäch-Durch die Beistellung von RechtsberaterInnenim Zulassungsverfahren damit der über den Maßstab des ArtSinn gegeben, doch ist fraglich, obwird der Zugang zu einem effektiven 18 B-VG hinausgehenden Determinie-Rechtsmittel nicht gewährleistet. 32 Das 38 UmErfordernis der Gewährung von <strong>recht</strong>licherBeratung und Vertretung ergibt keit des Eingriffs garantieren zu können,die Vorhersehbarkeit und Berechenbar-sich jedoch auch aus Art 15 EU-Asylverfahrens-RL.33Abs 1 Z 7 PersFrG zulässigen Sicherungmüssen die Tatbestände einer iSd Art 2Anlässlich des Österreich-Besuchs der Ausweisung inkl Grundsätze fürhat CPT festgestellt, dass die meisten eine allfällige Ermessensausübung undKlagen von Schubhäftlingen wegen Interessenabwägung 39 präzise ausformuliertsein. Problematisch ist die Er-des Mangels an Kenntnis über ihrenVerfahrensstand und die in der Schubhafttätigen „nicht hilfreichen“ NGOs insb im Schubhafttatbestand Z 4, damessenseinräumung in § 76 Abs 2 FPGkamen; die Ungewissheit verschärfe hier auf eine „Annahme der zukünftigenjedoch die Situation des Eingeschlossenseinssehr. 34 dass hinreichend Anhaltspunkte fürUnzuständigkeit“ abgestellt wird, ohnedie24) CPT, Bericht über Besuch inÖsterreich 2004, Rz 51.25) § 79 Abs 1 FPG verweist auf§ 53d VStG, dieser auf § 69 StVG,der in Abs 2 – wenn alle anderenMaßnahmen nichts nützen, diePerson nicht freigelassen werdenkann und in der Haft sterben würde– die Möglichkeit der Zwangsernährungfür Strafhäftlinge zulässt.26) RV Erläuterungen zu § 78,104f.27) Siehe ausführlich zur Unverhältnismäßigkeitdes Eingriffs inArt 8 EMRK: Nowak, BoltzmannInstitut für Menschen<strong>recht</strong>e,Rechtsgutachten zur Frage derZwangsernährung von Schubhäftlingenin Österreich, 03.02.06; sieheauch Menschen<strong>recht</strong>sbeirat,Gesundheitsversorgung in Schubhaft,Bericht und Empfehlungenanlässlich des Todes von YankubaCeesay im PAZ Linz, 2007; vglauch Menschen<strong>recht</strong>sbeirat, EmpfehlungenNr 86-92 und 194-204zum Thema „Hungerstreik“.28) Vgl CPT, Bericht über Besuchin Österreich 2004, Rz 16; Menschen<strong>recht</strong>sbeirat,Gesundheitsversorgungin Schubhaft, Berichtund Empfehlungen anlässlich desTodes von Yankuba Ceesay im PAZLinz, 2007; vgl Die Zeit, Verdreckt,verprügelt, verdurstet, vergessen,29.03.2007, Nr 14, (abrufbarunter www.zeit.de/2007/14/Oe-Polizei?page=all).29) CPT, Bericht über Besuch inÖsterreich 2004, Rz 48 (52).30) UNHCR, Stellungnahme FPG2005, 1.31) Gem § 1a Z8 AnhO die vertraglichdem B.MI zur Betreuungvon Fremden in Schubhaft ver-32) UNHCR, Position zum Entwurffür Änderungen der Anhalteordnung,12.12.2005, 2.33) RL 2005/85/EG vom 01.12.05,ABl L 326, 13: im Falle einer ablehnendenEntscheidung einerAsylbehörde müssen die Mitgliedstaatensicherstellen, dass auf Antragkostenlose Rechtsberatungund/oder -vertretung gewährtwird (Abs 2) bzw diese nicht willkürlicheingeschränkt wird (Abs3). Vgl auch ECRE, Key Recommendationson the detention ofasylum seekers, 1996, no 9.34) CPT, Bericht über Besuch inÖsterreich 2004, Rz 57f; vgl auchForum Asyl, Wahrnehmungsbericht2006 (Auswirkungen des FRPauf den Asylbereich), Dezember2006, 21; Erwägungen zur Informationvon Schubhäftlingen über<strong>recht</strong>liche Umstände, Rechtsberatungdurch Förderungsnehmerdes Projektes Schubhaftbetreuungund ihre Dienstnehmer sieheauch Menschen<strong>recht</strong>sbeirat, Gesundheitsversorgungin Schubhaft,Bericht und Empfehlungenanlässlich des Todes von YankubaCeesay im PAZ Linz, 2007, 19.35) Auch im Lichte des Rechtsstaatsprinzipsergeben sich Bedenkenhinsichtlich der Verfassungsmäßigkeitdes TatbestandsZ4, da dieser von einem Generalmissbrauchsverdachtausgeht(vgl Rsp zu § 34b Abs 1 Z3 ASylG97).36) Vgl VfSlg 15.465/1989(Schutz richtet sich gegen <strong>recht</strong>swidrigeVerhaftung, Inverwahrungsnahme,Internierung und reicht); auch VfGH 11.3.99, B1159/98 zur „Allseitigkeit der Beschränkung“und Intentionalität.37) Kopetzki in Korinek/Holoubek,ÖBVfR, Art 1, 37.38) Öhlinger, Verfassungs<strong>recht</strong> 4 ,351f.39) Vgl VfSlg 10737/1985,11455/1987.Seite 74 <strong>juridikum</strong> 2007 / 2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!