themasexarbeit(StPO) verwehrt ist zu entscheidenden schulderheblichenTatsachen selbst Beweise (hier: zum Wert der erbrachtenGegenleistungen des Angeklagten) aufzunehmen, 6 war dieUrteilsaufhebung und Rückverweisung an das Erstgerichtunumgänglich.Hervorzuheben ist für den hier interessierenden Zusammenhang,dass der OGH es nicht bei der Urteilsaufhebungund Zurückverweisung an die erste Instanz belassen hat,sondern der Entscheidung nachfolgende Ausführungen hinzugefügthat: „Zur <strong>recht</strong>sfehlerfreien Beurteilung des Austauschverhältnissesim Sinn eines Ausnützens Prostituiertermüsste in sachverhaltsmäßiger Hinsicht (durch Feststellung)die (solcherart entscheidende) Frage, ob die Leistungdes Angeklagten aus wirtschaftlicher Sicht annähernd derHöhe der an ihn geleisteten Zahlungen entsprach, verneintwerden. Dazu bedarf es bei der vorliegenden Fallgestaltungauf der Begründungsebene – erforderlichenfalls unter Beiziehungeines Sachverständigen – eines Vergleichs mit ähnlichausgestalteten Vertragsbeziehungen des Wirtschaftslebensaußerhalb des Prostitutionsgewerbes. […] Entgegender auf Mayerhofer StGB 5 § 216 E 10a (OLG Innsbruck)gestützten Rechtsauffassung des Schöffengerichtes ist keinGrund ersichtlich, bei der Gegenleistung des Angeklagtendiejenigen Kosten, die dieser vor der ‚Vermietung’ der Räumezu deren Sanierung und Adaptierung aufgewendet hat’außer Betracht zu lassen.“Bemerkenswert ist zunächst, dass der OGH zur <strong>recht</strong>sfehlerfreienBeurteilung des Austauschverhältnisses erstmalseinen Vergleich mit „ähnlich ausgestalteten Vertragsbeziehungendes Wirtschaftslebens außerhalb des Prostitutionsgewerbes“fordert. 7 Zu diesem Zwecke – auch dies erfolgteerstmals – wird die Einholung eines Gutachtens zwar nichtausdrücklich angeordnet, 8 aber doch nahe gelegt. In derAnordnung eines Vergleiches der Sexarbeit mit ähnlichenVertragsbeziehungen des Wirtschaftslebens ist uE der großeVerdienst für die Anerkennung der SexarbeiterInnen zu erbli-auf die <strong>recht</strong>liche Beurteilung 9 der von den SexarbeiterInnenregelmäßig abgeschlossenen Verträge, dennoch lässt sich ausder Formulierung eine explizite Annäherung der Sexarbeitan die sonstigen Vertragsbeziehungen des Wirtschaftslebensableiten. Aber damit nicht genug. Der OGH sah sich zu einerweiteren Klarstellung veranlasst. Während nach der bisherigenRsp Aufwendungen, die der/die Angeklagte vor derVermietung der Räume zu deren Sanierung oder Adaptierungaufgewendet hatte, den SexarbeiterInnen nicht als Gegenleistungaufrechnen konnte, 10 spricht das Höchstgerichtnunmehr ganz klar aus, dass eine derartige Kompensation zulässigist. Auf den ersten Blick erscheint die Klarstellung einVorteil lediglich für den/die ZuhälterIn zu sein, da sich derWert der erbrachten Gegenleistung um die Aufwendungenzur Adaptierung und Sanierung vor der Vermietung erhöht.Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der OGHeine umfassende wirtschaftliche Betrachtungsweise auf beidenSeiten einfordert. ZuhälterInnen und SexarbeiterInnenwerden als jeweils selbständige WirtschaftspartnerInnenanerkannt. Hervorzuheben ist weiters, dass der OGH in deraufgehobenen Entscheidung Feststellungen zur subjektivenTatseite vermisst, indem er ausführt: „Wird die Frage [gemeint:nach dem Verhältnis der Leistung und Gegenleistung]verneint, ist die – mängelfrei begründete – Feststellung vonnöten,dass der Angeklagte dieses Missverhältnis gegenüberähnlichen Fallgestaltungen des Wirtschaftslebens außerhalbdes Prostitutionsgewerbes erkannte (§ 5 Abs 1 StGB). Sollteim fortgesetzten Verfahren erwiesen werden, dass die Leistungdes Angeklagten aus wirtschaftlicher Sicht nicht annäherndder Höhe der an ihn geleisteten Zahlungen entsprach,müsste zudem festgestellt werden, dass er diese Abweichungerkannte. An und für sich fordert das Höchstgericht selbstverständlicheFeststellungen ein: Ein Schuldspruch wegeneiner strafbaren Handlung ist erst bei Vorliegen (und <strong>recht</strong>sfehlerfreienFeststellung) des objektiven und des subjektivenTatbestandes möglich. Indem der OGH nunmehr auch für dieFeststellung der inneren Tatseite einen Vergleich mit „ähnlichenFallgestaltungen des Wirtschaftslebens außerhalb desProstitutionsgewerbes“ einmahnt, lässt er erneut erkennen,dass er die Sexarbeit an sonstige damit vergleichbare Vertragsbeziehungenannähert. Eine Verurteilung wegen Zuhältereiist somit nur nach einem umfassenden Vergleich derwirtschaftlichen Verhältnisse des betreffenden Betriebes mitähnlichen Unternehmungen möglich.Aus straf<strong>recht</strong>licher Sicht ist resümierend festzuhalten,dass die Entscheidung des OGH wichtige Klarstellungenfür die Auslegung des Tatbestandsmerkmales „Ausnützen“iSd § 216 StGB bringt und mit dem geforderten Vergleichder Sexarbeit mit Vertragsbeziehungen des sonstigen Wirtschaftslebenseine Aufwertung derselben einhergeht.3. Sexarbeit in der zivil<strong>recht</strong>lichenRechtsprechungNach st Rsp des OGH in Zivilsachen gelten die von SexarbeiterInnenabgeschlossenen Verträge als sittenwidrig iSd §879 ABGB. Rechtlich folgt daraus, dass eine Person, die einesexuelle Dienstleistung in Anspruch genommen hat, die Bezahlungdes vereinbarten Entgeltes unter Berufung auf dieNichtigkeit des Vertrages verweigern kann. Die Gründe fürdiese Rechtsansicht hat der OGH in seiner Leitentscheidung3 Ob 516/89 11 unter Bezugnahme auf die österreichischeund deutsche Lehre und Rsp ausführlich dargelegt. So würden Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit und dieTrunkenheit von Personen ausgenützt.“ Aus § 566, § 865und § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ergebe sich, „dass ein solchesVerhalten dem Geist der Rechtsordnung“ widerspreche. Fürdie Sittenwidrigkeit spreche weiters „eine zu missbilligendeKommerzialisierung (…), eine Beeinträchtigung des Per-6) Vgl § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO;§ 285f StPO; Ratz WK-StPO § 281 Rz 598f.7) Der OGH lässt offen, welche „ähnlich ausgestaltetenVertragsbeziehungen des Wirtschaftslebens“er ins Auge fasst. Nahe liegendwären uE Dienstleistungsverträge im Bereichder (Heil-)Massage (vgl § 94 Z 4 Gewerbeordnung).8) Im Falle der expliziten Anordnung hätte derOGH wohl auf das Wort „erforderlichenfalls“verzichtet.9) Nach st Rsp sind Verträge über „die geschlechtlicheHingabe gegen Entgelt“ nach §879 ABGB sittenwidrig; vgl dazu unten 3.10) Vgl Mayerhofer StGB 5 § 216 E 10, OLGInnsbruck 01.09.1984, 7 Bs 418/94.11) OGH 28.06.1989, 3 Ob 516/89 = SZ62/123; JBl 1989, 784 = EvBl 1990/13.<strong>juridikum</strong> 2007 / 2 Seite 99
themasexarbeit Familien<strong>recht</strong> Univ.-Prof. Dr. Monika Hinteregger Tel.: 01- 610 77 - 315, Fax: - 589order@verlagoesterreich.atwww.verlagoesterreich.atsönlichkeitsschutzes und eine Gefahr für familien<strong>recht</strong>licheInstitutionen (…). All dies treffe auf die Prostitution zu,die sich – so der OGH weiter – „insbesondere gegen dieInstitution der Ehe [richtet], weil sie oft zu Ehebruch führt(…).“ All diese Gründe „führen jedenfalls in ihrer Gesamtheit“zur <strong>recht</strong>lichen Beurteilung, Verträge über sexuelleDienstleistungen seien sittenwidrig. 12An dieser Rsp hat der OGH seither festgehalten. DieBegründung des Höchstgerichtes für die Sittenwidrigkeitspricht für sich, sodass sich eine Kommentierung eigentlicherübrigt. Hervorzuheben ist an dieser Stelle nur, dassdie Begründung der Entscheidung uE zu einem tendenziellsexistischen Ergebnis führt. Nach dem Tenor der E sollenjust jene Personen, die die sexuellen Dienstleistungen inAnspruch nehmen (zum größten Teil Personen männlichenGeschlechts) sowie „familien<strong>recht</strong>liche Institutionen“ geschütztwerden. Dass auch jene Personen, die die sexuelleDienstleistung bereits erbracht haben (zum größten TeilPersonen weiblichen Geschlechts), durch die Rechtsordnung(auch vermögens<strong>recht</strong>lich) geschützt werden (müssen),wird stillschweigend übergangen. So gesehen, dürfen(meist männliche) Personen, zwar eine sexuelle Dienstleistungin Anspruch nehmen, werden aber von der Rsp davorgeschützt, ihren (meist weiblichen) VertragspartnerInnendas vereinbarte Entgelt bezahlen zu müssen. Eine Differenzierung,die sämtlichen der Rechtsordnung zugrunde liegendenGrundsätzen widerspricht. Wie Weitzenböck in ihrerEntscheidungsbesprechung überzeugend dargelegt hat, istdie Sittenwidrigkeit weder methodisch noch sachlich zu<strong>recht</strong>fertigen: Bei richtiger Betrachtung der Rechtsordnunggelingt es nicht, aus ihr einen Grundsatz abzuleiten, derdurch Sexarbeit gröblich verletzt wird. Weder die Institutionder Ehe wird durch sie gefährdet, noch ist außerehelicherGeschlechtsverkehr „unsittlich“. Ebenso wenig wird derPersönlichkeitsschutz der SexarbeiterInnen beeinträchtig,wenn sie sich freiwillig für diese Tätigkeit entscheiden. 13Ob der OGH anlässlich einer weiteren Befassung seineRsp ändern wird, erscheint fraglich, obwohl in der jüngerenerste Senat über die von einer Telefonnetzwerkbetreiberineingeklagten Entgelte für in Anspruch genommene besondereDienste („Sex-Hotlines“) zu entscheiden. Obwohl er zumSchluss kam, dass es in diesem Fall für die Entscheidungnicht auf die Frage der Sittenwidrigkeit ankomme, führte eraus: „Wenngleich in Österreich eine dem mittlerweile in derBundesrepublik Deutschland in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz(BGBl 2001 I/74), wonach Vereinbarungen übergegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommene sexuelleHandlungen eine <strong>recht</strong>swirksame Forderung begründen,vergleichbare Bestimmung nicht existiert, sprechen den-12) AA Weitzenböck, Die geschlechtliche Hingabegegen Entgelt, JAP 1990/91, 14.13) Vgl Weitzenböck, JAP 1990/91, 14.Seite 100 <strong>juridikum</strong> 2007 / 2