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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>Handhabung durch die vollziehendenBehörden gegeben werden.Weiters hat der Gesetzgeber detaillierteVerfahrensregeln vorzusehen, 40 dieauch eine bestimmte Qualität aufweisenmüssen. 41 Da Schubhaft aber idR eineSicherungsfunktion erfüllt 42 und mittels kein Ermittlungsverfahren statt. 43 Es istfraglich, ob angesichts der mehrmonatigenDauer 44 ohne jegliche Befragung zuden Haftgründen diese „verfahrens<strong>recht</strong>lichkaum ausgeformten freiheitsentziehendenMaßnahmen“ den verfahrens<strong>recht</strong>lichenAnforderungen des Rechtsauf persönliche Freiheit genügen. 45 Erstnach einer durchgehenden sechsmonatigenHaftdauer wird die Verhältnismäßigkeit(insb Haftdauer zu Haftgrund)amtswegig geprüft. Es kann zwar schonvorher Beschwerde mit der Behauptungder Rechtswidrigkeit des Bescheids, derFestnahme oder der weiteren Anhaltungan den Unabhängigen Verwaltungssenaterhoben werden, 46 doch ist hier wiederauf die Schwierigkeit des Zugangs zurRechtsberatung/-unterstützung währendder Anhaltung zu verweisen. 472.2. Tatbestand iS Art 2 PersFrGDie Verhängung der Schubhaft ist derwichtigste Anwendungsfall des Art 2Abs 1 Z 7 PersFrG; 48 Voraussetzung füreinen <strong>recht</strong>mäßigen Freiheitsentzug istdemnach die Notwendigkeit zur Sicherungeiner beabsichtigten Ausweisung. 49Es muss daher zumindest ein Verfahrendurch die dafür zuständige Behörde (alsodie Asylbehörde) „durch irgendeinen positivenAkt” eingeleitet worden sein, andessen Ende die Außerlandesschaffungsteht. Eine „Inhaftierung auf Verdacht“bzw „auf Vorrat“ ist nicht gedeckt. 50 Bereitsan diesem Punkt ist äußerst fraglich,ob die bloße Annahme einer Unzuständigkeit51 bzw die Vorverlegung der AusweisungsverfahrenseinleitungdiesemTatbestand ge<strong>recht</strong> wird; insb angesichtsder Rsp von VfGH und EGMR, wonachdie Bestimmungen im Hinblick auf dieWertigkeit des zu schützenden Rechtsgutes„streng auszulegen“ sind; 52 vgl dazudie Bedenken des VwGH (siehe ausführlichunten 2.4.). 532.3. Verhältnismäßigkeit(Art 1 Abs 3 PersFrG) 54Dieser Grundsatz, der sich auch an dieVollziehung richtet, fordert die Geeignetheit,Erforderlichkeit und Angemessenheitdes Freiheitsentzugs. Geht man – trotzoben angemerkter Bedenken hinsichtlichZ 2 und Z 4 – von der Tatbestandsmäßigkeitaus, so werden die in § 76 Abs 2 FPGvorgesehenen Tatbestände wohl geeignetsein, den Zweck der Sicherung des Ausweisungsverfahrens(§ 10 AsylG) bzwnach durchsetzbarer Ausweisung denZweck der Abschiebung zu erreichen.Obwohl gemäß dem Erforderlichkeitsgrundsatzdie Verhängung der Schubhaftnur als ultima ratio vorgesehen werdendarf, sieht § 77 Abs 1 FPG vor, dass dieFremdenpolizeibehörde von der Anordnungder Schubhaft gegen FremdeAbstand nehmen kann, wenn sie Grundzur Annahme hat, dass der ursprünglicheZweck der Anhaltung in Schubhaft auchauf andere Weise (durch Anwendung„gelinderer Mittel“) 55 erreicht werdenkann. Dieser Gesetzeswortlaut räumtder Behörde zweifaches Ermessen ein:zunächst obliegt es ihr zu beurteilen, obsich der Fremde, gegen den die Schubhaftverhängt wird, auf andere Weise dazuverhalten werden kann sich dem Verfahrenzu stellen; selbst bei Bejahung dieserFrage darf die Behörde – zumindest demGesetzeswortlaut nach – trotzdem Schubhaftverhängen. Nur gegen Minderjährigehat die Behörde grundsätzlich gelindereMittel anzuwenden.Der VfGH „liest“ – wie auch in einemerst unlängst ergangenen Erkenntnis– den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz indiese Bestimmung „hinein“, 56 sodass sichdie Behörde in der Bescheidbegründunginsb mit der Frage, ob gelindere Mittelzur Anwendung gelangen hätten können,nachvollziehbar auseinander setzen muss.Angesichts der besonderen Determinie-der Gesetzgeber nicht für alle Fälle diegleiche Regelung wie für Minderjährigevorsieht (insb angesichts der Bedeutungdes Rechts der persönlichen Freiheit) undder VfGH diesbezüglich die Verfassungsmäßigkeitnicht in Frage stellt.Dies ist bei Durchsicht der Materialienzum FPG umso weniger verständlich:die Ergänzung der Schubhaft durch das40) „(...) nur auf die gesetzlichvorgeschriebene Weise“ in Art 1Abs 2, Art 2 Abs 1 PersFrG; Art 4und 5 PersFrG; Winterwerp: Art 5Abs 1 EMRK enthält „Idee einesfairen und ordentlichen Verfahrens“.41) Mindestmaß an strukturellerMissbrauchsverhinderung, EGMR24.10.1979 Winterwerp A/33, §45 = EuGRZ 1979, 650.42) RV Erläuterungen, 103f; sieheauch Khakzadeh, Die Schubhaft– Rechtsfragen des Vollzugsund des Rechtsschutzes, migralex2003, 43ff.43) Die Materialen stellen einenVergleich mit der Erlassung einesrichterlichen Haftbefehls her (auchhinsichtlich Zustell<strong>recht</strong>), vgl RVErläuterungen, 103.44) Die Asylantragstellung führtnunmehr automatisch zu einerzulässigen Höchstdauer von – anstattzwei Monaten – sechs Monatenund vier Wochen (vgl § 22AsylG iVm § 80 Abs 4 FPG) bzwin gewissen Fällen sogar zehn Monaten;Schubhäftlinge, die nichtAsylwerberInnen sind, dürfenlänger als sechs Monate nur beiVerschulden an der Verfahrensverzögerungangehalten werden(vgl § 80 Abs 2 und 4 FPG).45) Kopetzki in Korinek/Holoubek,ÖBVfR, Art 1, 46; verweistauf Wiederin, der kritisch zumEntfall von Partei<strong>recht</strong>en beimehrmonatigem FreiheitsentzugStellung nimmt.46) Siehe auch Khakzadeh,Schubhaft, 48; bei auf<strong>recht</strong>er Anhaltungbeträgt die Erledigungsfristeine Woche; Säumnis stelltVerletzung des Recht auf persönlicheFreiheit dar (VfGH B 1091/06vom 05.03.07).47) Vgl Forum Asyl, Wahrnehmungsbericht2006, 19: zitiertEntscheidung VwSen-400753/4/WIE/An Linz, 02.01.06, wonacheinem inhaftierten Schubhäftling,der selbst in Englisch eine Schubhaftbeschwerdeabfasste, ein Verbesserungsauftragerteilt wurdeund nach Verlauf der einwöchigenFrist die Beschwerde als unzulässigzurückgewiesen wurde.48) Berka, Lehrbuch Grund<strong>recht</strong>e,2000, 90.49) Art 5 Abs 1 lit f EMRK fordertein „schwebendes AusweisungsoderAuslieferungsverfahren“ bzwdie „Verhinderung einer <strong>recht</strong>swidrigenEinreise“; aufgrund Günstigkeitsprinzip(Art 53 EMRK) fürÖsterreich jedoch nicht relevant.50) Wiederin, Voraussetzungender Schubhaft, ZUV 1/96, 13f.51) Bedenklich, dass die Befragungzu Reiseroute durch Organedes öffentlichen Sicherheitsdienstesvorgenommen wird; die„Ausweisung“ bzw deren Einleitungsollte aber von den Asylbehördenausgesprochen werden.52) Kopetzki in Korinek/Holoubek,ÖBVfR, Vorbemerkungen,12, verweist in FN 68 auf VfSlg3214/1957; EGMR, Ciulla, Serie ANr 148 (Z41); etc.53) VwGH Beschluss vom30.01.07, Zl A 2007/0010-1(2006/21/0090).54) Das Verhältnismäßigkeitsgebotdes Art 5 EMRK ergibt sichmittelbar aus den Haftgründenund dem Willkürverbot. sich in einer von der Behördebezeichneten Unterkunft aufzuhaltenund sich in periodischenAbständen bei der Polizeikommandostellezu melden.56) VfGH, 27.02.07, B 223/06 und291/06 sowie VfGH, 24.06.06, B362/06: § 76 Abs 2 erster SatzFPG ist verfassungskonform zuinterpretieren, sodass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzver- Behörden zu berücksichtigen ist.<strong>juridikum</strong> 2007 / 2 Seite 75

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