themasexarbeitSexarbeit 1 ist in Österreich grundsätzlich eine legale Tätigkeit,unterliegt jedoch zahlreichen gesetzlichen Einschränkungen.Auf Grund der geteilten Kompetenz zur Regelungvon Sexarbeit zwischen Bund und Ländern und einer konservativenRechtsprechung ist die Rechtslage zudem unübersichtlichund widersprüchlich.Wesentliche bundesgesetzliche Regelungen sind diewöchentlichen Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiterinnen.Wer, wo und wann aber tatsächlich der Sexarbeitnachgehen darf, ist in neun Landesgesetzen auf – im Detail– sehr unterschiedliche Weise geregelt.Eine Gesamtbetrachtung der österreichischenRechtslage lässt erkennen, dass nicht vordringlichInteressen der Sexarbeiterinnen (Schutz vor Ausbeutungund Sicherung der legalen Erwerbsmöglichkeit)im Zentrum der Regelungen stehen, sondernder Schutz von Kunden und AnrainerInnen.So wird Sexarbeit vom Bundesgesetzgeber zwar geltender Rechtsprechung des OGH sind Verträgeüber sexuelle Dienstleistungen (die Körperkontaktinvolvieren) jedoch sittenwidrig und damit nichtig. 2Das hat auf <strong>recht</strong>licher Ebene zur Konsequenz, dassSexarbeiterinnen ihr Einkommen zwar versteuernmüssen, aber wenn der Kunde nicht zahlt, können sieihr Honorar nicht einklagen. Diese Rechtsprechungverhindert auch den Abschluss eines <strong>recht</strong>sgültigenDienstvertrages über sexuelle Dienstleistungen. Sexarbeiterinnenkönnen in Österreich daher nur alsSelbständige arbeiten. 3 Dass der Bundesgesetzgeberdiese Rechtsprechung nunmehr seit Jahrzehnten unwidersprochenhinnimmt, zeigt seine Unentschlossenheitim Umgang mit Sexarbeit.Auch eine Betrachtung der Landesgesetze undVollzugspraxis spiegelt diesen Zwiespalt wieder.In Vorarlberg etwa ist Sexarbeit nur in behördlichgenehmigten Bordellen zulässig (sog Bordellsystem).Derzeit gibt es in Vorarlberg jedoch kein einzigesgenehmigtes Bordell, womit in diesem Bundesland ein defacto Verbot von Sexarbeit besteht. Andere Bundesländersind liberaler, insbesondere Burgenland, Niederösterreich,Oberösterreich und Wien. In diesen Bundesländern darfSexarbeit grundsätzlich überall dort angeboten werden, woes nicht ausdrücklich verboten ist (den sog Schutzzonen).Sexuelle Dienstleistungen in der eigenen Wohnung anzubietenist generell verboten, Hausbesuche beim Kundensind jedoch im Burgenland, in Niederösterreich und Wienzugelassen. Auch das Schutzzonensystem lässt in der Praxisaber nur wenige legale Orte zur Ausübung der Prostitutionzu.Neben diesen örtlichen Einschränkungen sehen die meistenBundesländer für Sexarbeiterinnen eine Registrierungs-Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Bundespolizeidirektion(an-)melden.Manche Bundesländer sehen ausdrücklich auch ein Mindestalterfür Sexarbeiterinnen vor. Dieses liegt in manchenBundesländern bei 19 Jahren, in anderen bei 18 Jahren. Liegtdas gesetzlich vorgesehene Mindestalter nicht vor, machtSexarbeit – dieösterreichischeRechtslage undEntwicklungen inder EuropäischenUnionMarie Theres Prantner·································sich nach diesen Landesgesetzen jedoch nicht der Kundestrafbar, sondern die „geschützte“ Person. 4Ein weiterer wesentlicher Punkt, der bei einer <strong>recht</strong>lichenBetrachtung von Sexarbeit nicht übersehen werden darf, istdie Tatsache, dass etwa 80-90% der Sexarbeiterinnen inÖsterreich Migrantinnen sind. Viele von ihnen haben aufGrund der fremden<strong>recht</strong>lichen Bestimmungen derzeit keineMöglichkeit, in Österreich legal als Sexarbeiterin tätig zusein. Werden sie aufgegriffen, droht ihnen die Abschiebung.Eine Situation, die diese Gruppe besonders ausbeutungsgefährdetmacht.1) In diesem Artikel werden statt der gebräuchlichen,aber unscharfen Begriffe Prostitutionund Prostituierte die Begriffe „Sexarbeit“und „Sexarbeiterin“ verwendet. DerBegriff Sexarbeit umfasst ausschließlich sexuelleDienstleistungen, die von Erwachsenenund freiwillig erbracht werden. Der Begriff Prostitutionhingegen wird ebenso in Fällen vonZwang, Gewalt, krasser Ausbeutung und sexuellemMissbrauch von Minderjährigen ver- 2) OGH 28.06.1989, 3 Ob 516/89.einer sprachlichen Verwischung der Umstände.Die ausschließlich weibliche Formulierung„Sexarbeiterin“ und die ausschließlich männ- realen Verhältnisse, unbenommen der Tatsache,dass es auch männliche Sexarbeiter undweibliche Kunden gibt.3) Sexarbeiterinnen gelten als sog „NeueSelbständige“ gem. § 2 Abs 1 Z 4 GSVG.4) Diese landesgesetzliche „Straffreiheit“ desKunden und Kriminalisierung von Mädchenund jungen Frauen steht in Widerspruch zumösterreichischen Strafgesetzbuch, wonachsich der Kunde einer minderjährigen Person(unter 18 Jahre) wegen sexuellem Missbrauchzu verantworten hat, § 207b Abs 3 StGB.<strong>juridikum</strong> 2007 / 2 Seite 93
themasexarbeitDie Neuauflage des führenden Großkommentars zum ABGBHinteregger/Kissich2006, 242 Seiten, geb., 978-3-7046-4898-3, Ausführliche und übersichtliche Kommentierung der persönlichenRechtswirkungen der Ehe (§§ 44-100 ABGB) durch zwei Expertinnendes Familien<strong>recht</strong>s auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. DerBand enthält außerdem eine gründliche Aufarbeitung der <strong>recht</strong>lichenProbleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie einen ausführlichenExkurs zu den sicherheitspolizeilichen und exekutions<strong>recht</strong>lichenBestimmungen des Gewaltschutzgesetzes. Das Ehegesetzist einem weiteren Band vorbehalten. Das detaillierte Stichwortverzeichnisermöglicht ein rasches Auffinden der benötigten Informationen.Nützen Sie die Gelegenheit, die nachfolgenden Bände dieses unverzichtbarenWerkes zu einem Abopreis (-15%) zu bestellen. (Abonnement nach zweibezogenen Bänden jederzeit kündbar) Zusammengefasst ist die österreichische Rechtslage imHinblick auf den Interessensschutz von Sexarbeiterinnenunbefriedigend. Was sind nun mögliche Perspektiven einerNeuorientierung Österreichs?In der Europäischen Union lassen sich im <strong>recht</strong>lichenUmgang mit Sexarbeit zwei konträre Entwicklungen festmachen.Zum einen die Anerkennung von sexuellen Dienstleistungenals Arbeit, wie dies etwa in Deutschland der Fallist. Entgegen der Rechtslage in Österreich werden Verträgeüber sexuelle Dientsleitungen für <strong>recht</strong>sgültig erachtet.Auch Dienstverhältnisse sind möglich, jedoch mit eingeschränktemWeisungs<strong>recht</strong> zum Schutz der sexuellen Integrität.Umgekehrt gibt es den Versuch, die Nachfrage überKundenbestrafung abzuschneiden, wie dies von Schwedenheftig gefordert wird.Hinter beiden Lösungsansätzen steht der Wunsch, Frauen<strong>recht</strong>ezu schützen.Die Anerkennung als Arbeit soll Frauen in der Sexarbeitmehr Schutz durch mehr Rechte gewähren. Es wird davonausgegangen, dass bei Vorliegen bestimmter Rahmenbedingungendie Erbringung von sexuellen Dienstleistungen alsfreiwillig und damit als Arbeit zu betrachten ist. Die Kundenbestrafunghingegen ist Konsequenz einer Betrachtungvon Sexarbeit als Frauen<strong>recht</strong>sverletzung. Die Möglichkeit,dass sexuelle Dienstleistungen freiwillig erbracht werdenkönnen, wird kategorisch ausgeschlossen. Auch Sexarbeiterinnenwerden daher als Opfer betrachtet, Kunden hingegenals Täter.Ersterer Weg, die Anerkennung als Arbeit, erscheint mirder vielversprechendere Weg, die Interessen von Sexarbeiterinnentatsächlich zu schützen. Voraussetzung dafür ist, dassder Gesetzgeber bereit ist, dieses Ziel umfassend umzusetzen– eine Voraussetzung, die auch in Deutschland derzeit nochnicht gegeben ist. Die Kundenstrafbarkeit hingegen drängtden Markt in den Untergrund – eine Entwicklung, für die es(auch in Schweden) keine Lösung zu geben scheint und diedie Ausbeutungsgefahr für Sexarbeiterinnen erhöht.Mag. a Marie-Theres Prantner ist Juristin imBundesministerium für Frauenangelegenheiten.Im Rahmen des Masterlehrgangs „InternationaleGenderforschung und Feministische Politik“ desRosa-Mayreder-Colleges in Wien, beendete sie2006 eine <strong>recht</strong>svergleichende Arbeit zu demThema „Sexarbeit -Frauen<strong>recht</strong>sverletzung odereine Arbeit wie jede andere? (abrufbar unterhttp://www.sophie.or.at/category/service/downloads/);marie-theres-prantner@utanet.at.Seite 94 <strong>juridikum</strong> 2007 / 2