themafrauenhandelwurde die Mindestzeit von 30 Tagen übernommen, wie langediese Zeit dauern kann, wird nicht näher bestimmt.In der Frage der Aufenthaltstitel für Opfer hat sich zwischendem Palermo-Protokoll und dem Übereinkommen desEuroparats viel geändert. Während es im Palermo-Protokollausreichte, die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu erwägen,müssen Staaten nach dem Übereinkommen einen Aufenthaltstiteldann gewähren, wenn es die persönliche Situationoder die Strafverfolgung erfordert.Da die Bestimmung über den Aufenthalt aus humanitärenGründen 53 für die Umsetzung des Palermo-Protokolls sowieder Richtlinie 2004/81/EG 54 noch ausgereicht hat, die Erfordernissedes Übereinkommens des Europarats aber nicht erfüllt,wurde auch hier zum Mittel des Erlasses 55 gegriffen.§ 72 Abs 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)legt fest, dass für „die Strafverfolgung von gerichtlich strafbarenHandlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzungvon zivil<strong>recht</strong>lichen Ansprüchen“ eine Aufenthaltsbewilligungaus humanitären Gründen für mindestens sechsMonate erteilt werden kann. Der Erlass führt dazu näheraus, dass Betroffenen des Menschenhandels, unabhängigvon ihrer Bereitschaft zur Kooperation mit den Behörden,humanitäre Aufenthaltstitel erteilt werden können, wenn esdie persönliche Situation des Opfers erfordert. 56 Das humanitäreAufenthalts<strong>recht</strong> des NAG wird zum einen kritisiert,weil im NAG nicht festgelegt wird, was unter humanitärenGründen zu verstehen ist. Eine undurchsichtige Praxis derErteilung von humanitären Aufenthaltsgenehmigungen istdie Folge. 57 Die Aufenthaltsbewilligung aus humanitärenGründen kann ausschließlich von Amts wegen erteilt werden58 und bedarf der Zustimmung des Bundesministers fürInneres ( § 75 NAG).Zum anderen werden durch § 72 Abs 2 NAG und demErlass die Vorgaben des Übereinkommens des Europaratsnach Art 14 nicht erfüllt. Die Staaten sind in mindestensbarenAufenthaltstitel zu erteilen, die bloße Möglichkeitdazu reicht nicht aus.Bereits im Jahr 2000 regte Kartusch in dieser Zeitschriftan, die damalige Bestimmung § 10 Abs 4 Fremdengesetz(FrG) betreffend des humanitären Aufenthalts von einer„Kann“- in eine „Muss“-Bestimmung umzuwandeln, sodassBetroffene des Frauenhandels tatsächlich in den Genuss derhumanitären Aufenthaltserlaubnis kommen. 59Die Aufenthaltsbewilligung nach § 72 Abs 2 NAG istnoch immer eine sogenannte „Kann“-Bestimmung. SiebenAufenthalts aus humanitären Gründen nicht viel geändert.3. SchlussbemerkungDas Übereinkommen des Europarats stellt trotz Lückenzweifellos eine Weiterentwicklung auf internationaler Ebenenach dem Palermo-Protokoll dar. Die Herangehensweisean die Problematik des Menschenhandels als Menschen<strong>recht</strong>sverletzungunterscheidet sich sehr von der Sicht desMenschenhandels als organisiertes Verbrechen. Diese unterschiedlichenAnsätze bedürfen auch unterschiedlicherMaßnahmen. In Österreich hinkt diese Entwicklung da undauch die Lücken des Übereinkommens werden sichtbar. Imneuen Regierungsprogramm kommt das Thema Menschenhandelan mehreren Stellen 60 zur Sprache, was wohl ein Zei-Handlungsbedarf sowie Raum für Verbesserungen besteht.Mag. a Julia Planitzer dissertiert im BereichMenschenhandel an der Universität Wien.julia.planitzer@chello.at.53) FrG BGBl I 1997/75 idF BGBl I 2002/126,§ 10 Abs 4; Seit 1.1. 2006: NAG BGBl I2005/100, § 72 Abs 2.54) RL 2004/81/EG, ABl L 261 S 19, Art 6.55) BMI-FW1700/0114-III/4/2005.56) Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffendÜbereinkommen des Europarats zurBekämpfung des Menschenhandels, RV 1565BlgNR 22.GP 14.57) Schumacher/Peyrl, Fremden<strong>recht</strong> 2 (2006)132.58) Kutscher/Poschalko/Schmalzl, Niederlassungs-und Aufenthalts<strong>recht</strong> (2006) 133.59) Kartusch, Humanitäres Aufenthalts<strong>recht</strong>für Betroffene des Frauenhandels?, <strong>juridikum</strong>2000, 196.60) Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode,128 (Ausbau der Unterstützungfür von Frauenhandel Betroffene),139 (Intensive Bekämpfung von Menschenhandel),145 (Verstärkung der Bekämpfungdes Menschenhandels).<strong>juridikum</strong> 2007 / 2 Seite 111
nach.satzNeue Regierung – andere Frauenpolitik?Nina EcksteinIn Heft 01/2006 wurde an dieser Stelleüber die Frauenpolitik der damaligenSchwarz-Blauen Bundesregierung Bilanzgezogen, die nicht gerade positivNach monatelangem Ringen gibt esnun eine neue Bundesregierung unterdem SPÖ-Bundeskanzler Gusenbauergemeinsam mit der ÖVP. Für eine Bilanzist es wohl noch zu früh, doch dieSPÖ hat schon im Wahlkampf versprochen,dass sich in Sachen Frauenpolitikeiniges ändern wird, wenn sie in derRegierung ist.Was sich schon geändert hat, ist derName der Frauenministerin, die jetztDoris Bures heißt. Nicht wirklich neuist, dass ihr Ministerium wieder beimBundeskanzleramt angesiedelt ist undauch das Budget des Frauenministeriumslässt nicht gerade große Hoffnungenaufkommen.Dafür enthält das Regierungsübereinkommenetliche Vorschläge zur Verbesserungder Lebenssituation von Frauen.Unter der Überschrift FrauenpolitischeMaßnahmen ist beispielsweise das Bekenntnisenthalten, die Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf zu forcieren. Unterdem Schlagwort Mehr Chancengleichheitauf dem Arbeitsmarkt wird eineSteigerung der Frauenerwerbsquote von62% auf 65% gefordert sowie eine Erhöhungdes Frauenanteils in Wirtschaft,Politik, Wissenschaft und der Sozialpartnerschaftangestrebt. Generell sind vorgesehen um deren Chancen am Arbeitsmarktzu verbessern. Dazu zählenauch Maßnahmen zur Schließung derEinkommensschere zwischen Männernund Frauen am Arbeitsmarkt sowie eingenerelles Bekenntnis zur Verhinderungvon Frauenarmut durch Einführung eineskollektivvertraglich geregelten Mindestlohnsvon 1000 Euro.Auch im Bereich der Kinderbetreuungund des Kindergeldes soll sich einigesändern. So soll es ein höheres, dafüraber kürzer zu beziehendes Kindergeld inder Höhe von 800 Euro geben. Der Gewaltschutzsoll ausgebaut und verbessertwerden und im Bereich Frauenhandelsieht das jetzige RegierungsprogrammAktionspläne sowie einen Ausbau vonUnterstützungsmöglichkeiten- und angebotenfür die betroffenen Frauen vor.Die frauenpolitischen Ambitionenim Regierungsprogramm erscheinenauf den ersten Blick viel versprechend,doch stellt sich die be<strong>recht</strong>igte Frage,ob es sich dabei nicht bloß um schöneWorthülsen handelt und wie die konkreteUmsetzung aussehen wird? Dennes ist eine bekannte Tatsache, dass sichdie neue Bundesregierung von Anfangan in vielen Bereichen nur sehr schwereinigen konnte. In frauenpolitischen Fragenwaren die Ideologien von ÖVP undSPÖ sowieso schon immer am weitestenauseinander.Deutlich wurden diese Auffassungsunterschiedejust durch die neue ÖVP-Gesundheits- und FamilienministerinKdolsky. Diese trat ziemlich rasch nachihrer Angelobung – wohlgemerkt vorallem bei ihren eigenen Parteikollegenund -kolleginnen – ins Fettnäpfchen, weilsie sich in einem Interview trotz Kinderlosigkeitals zufrieden und glücklich bezeichnete.Den größten Fauxpas begingsie jedoch, als sie ebenfalls öffentlichkundtat, dass Kinder nicht immer nur liebund nett wären, sondern manchmal auchganz schön anstrengend sein könnten.Während die SPÖ sich nobel zurückhielt,gingen in der ÖVP nach diesenAussagen die Wogen ziemlich hoch. Vonbezüglich ihrer Ressortaufgaben bis hinzur Verteidigung des hehren Frauenbildesder ÖVP reichten die Stimmen. Mit Mühund Not gelang es der Ministerin die Wogenwieder zu glätten.Dieser Zwischenfall lässt nichts Guteserahnen. Zu Recht fragt sich frau, wie dieUmsetzung der frauenpolitischen Maßnahmenim Regierungsprogramm undgenerell eine neue Frauenpolitik möglichsein soll? Die Besorgnis scheint aber auchdahingehend begründet, als bei der SPÖdie Gefahr besteht, dass ihre Standhaftigkeitdiesbezüglich nicht allzu hoch seinwird, wie sich schon davor in den Koalitionsverhandlungenmit der ÖVP gezeigthat. Im Gegenteil, die „Umfaller“ seitensder SPÖ in für sie an sich wesentlichenBereichen sind schon fast legendär. Daslässt natürlich die Vermutung zu, dass dieSPÖ gerade in frauenpolitischen FragenWillen der ÖVP beugen wird.Der größte „Umfaller“ wird der SPÖbei der Ressortverteilung vorgeworfen,die durchaus Auswirkungen auf diekünftige Frauenpolitik haben kann. Allein schwarzer Hand und die Frauenministerinwird in vielen Angelegenheitenabhängig sein von der Kooperationsbereitschaftihrer schwarzen Ressortkollegenund -kolleginnen. Ob sie für ihreAll diese Dinge deuten nicht geradedaraufhin, dass es unter dieser Regierungeine ambitionierte und engagierteFrauenpolitik geben wird. Auf der einenSeite die SPÖ, deren einziges Programmin Wahrheit in der Erringung des Bundeskanzleramtesbesteht sowie eines Bundeskanzlers,der sich bisher vor allemmit seinen Sandkastenträumen hervorgetanhat. Auf der anderen Seite die ÖVP,die bekanntlich in Frauenfragen sowiesoeine gänzlich andere Anschauung hat undFrauenpolitik schon immer eigentlich alsFamilienpolitik betrachtet hat.Nachdem die SPÖ also kaum denMut und die Kraft aufbringen wird, sichin diesem Bereich gegenüber der ÖVPdurchzusetzen, muss frau leider davonausgehen, dass es auch unter dieser Regierungkeine wirklichen Fortschritte inder Frauenpolitik geben wird. Im Gegenteil,es ist sogar davon auszugehen, dassviele Versprechen lieber um des Koalitionsfriedenwillen geopfert werden, alsden Traum vom Bundeskanzleramt aufzugeben.Die Maßnahmen im Regierungsübereinkommenwerden also nichts weiterbleiben als schöne Worte und Papier istja bekanntlich geduldig.Es war daher wohl sehr optimistisch,zu glauben, dass sich durch den Urnengangim Herbst 2006 viel verändernwird.Mag. a Nina Eckstein ist Juristinin Wien und Redaktionsmitglieddes <strong>juridikum</strong>; nina.eckstein@gmx.at.Seite 112 <strong>juridikum</strong> 2007 / 2