Umnutzung historischer Gebäude Dezember 2011 1 2012
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Schwerpunktthema<br />
Jochen k äFerhauS<br />
Historische Haustechnik<br />
� Viele Zeitgenossen belächeln historische Haustechnik<br />
als altmodisch oder ungeeignet und wissen oft nicht, was<br />
sie mit diesem Pauschalurteil an sinnvollem Gedankengut<br />
über Bord werfen. Sie ist das Thema, dem sich dieser<br />
Beitrag anhand von Beispielen auf durchaus subjektive<br />
Weise nähert.<br />
Uns hat als technikgläubige Menschen die Hybris<br />
überfallen, dass wir glauben, jedes Problem, das sich uns<br />
stellt, mit Technik lösen zu können. Inzwischen sind Immobilien<br />
voll gestopft mit Maschinen und Regeltechnik,<br />
jeder verliert den Überblick, die Haus- und Regeltechnik<br />
führt üblicherweise ein gewisses Eigenleben. Auch das<br />
so genannte „futurehome“ als vollautomatisiertes Haus<br />
wird nicht die Lösung bringen, solange man dem Benutzer<br />
nicht einfache, selbstregulierende, kybernetische<br />
Regelungssysteme bietet, die er versteht. Es kann nicht<br />
angehen, den Nutzer dieser zukunftsweisenden „Wohnmaschinen“<br />
zu einem „Idioten“ zu degradieren, indem<br />
der Kühlschrank via Internet beim Lebensmittelmarkt<br />
Milch bestellt, der Nutzer aber nicht das System versteht<br />
und kaum mehr Eingriffsmöglichkeiten hat.<br />
Entweder ich habe Menschen, die mit der Technik<br />
kooperieren, sie verstehen, damit leben können, und ich<br />
akzeptiere Menschen als denkende Individuen, oder ich<br />
setze Automaten in ein Haus und schalte den Menschen<br />
als „Störfaktor“ haustechnisch aus. Die derzeitige Lösung<br />
mit viel zu komplizierter Haus-und Regeltechnik<br />
funktioniert meist einfach nicht. Deswegen „schielen“<br />
wir immer wieder gerne auf historische Bau-und Haustechnik,<br />
die einfach und selbstregelnd war und daher bis<br />
heute noch eine gewisse Vorbildwirkung und damit Daseinsberechtigung<br />
hat.<br />
Blick in die Geschichte<br />
Wenn man sich mit dem Thema der historischen Lüftung<br />
und Klimatisierung auseinandersetzt, wird man<br />
schon in extrem früher Geschichte sehr intelligente<br />
Lösungen finden, mit denen durch einfache, natürliche<br />
Mittel ein Raumklima positiv beeinflusst wurde. Ein<br />
Beispiel dafür sind die typischen römischen Atriumhäuser<br />
in Pompeji, wo der Hof nicht nur durch einen<br />
beschatteten Laubengang geprägt war, sondern immer<br />
auch durch einen Brunnen oder Teich, der für eine leichte,<br />
adiabatische Kühlung sorgte und im Zusammenhang<br />
mit Pflanzen eine bessere Luftqualität und angenehme<br />
Kühlung in dem heißen, süditalienischen Klima brachte.<br />
Auch waren die Römer bekannt für ihre Hypokaustenheizung<br />
und brachten es fertig, relativ schwierige<br />
bauphysikalische Probleme, nämlich kalte Außentemperaturen<br />
und feuchtwarme Luft in Bädern, völlig<br />
bauschadensfrei über Jahrhunderte aufrecht zu erhalten.<br />
Ihre Lösung: Sie schickten warme Heizgase durch<br />
in Wänden eingebaute Tonröhrchen (die so genannten<br />
„Tubili“) beziehungsweise durch Zwischenböden. Damit<br />
vermieden sie nicht nur Bauschäden, sie erreichten damit<br />
gleichzeitig eine sehr gesunde, reine Strahlungsheizung<br />
mit höchster Behaglichkeit für die Nutzer. Ein Faktum,<br />
welches uns beim heutigen Bauen völlig abhandengekommen<br />
ist − beheizen wir doch einen Großteil unserer<br />
Restaurator im Handwerk – Ausgabe 3/<strong>2011</strong><br />
Wohnungen meist mit schädlicher konvektiver Heizung<br />
über Radiatoren, Fußbodenheizung oder, schlimmer<br />
noch, über Luftheizung bei Niedrigenergiehäusern.<br />
Ähnlich verhält es sich auch mit weiteren historischen<br />
Beispielen, die uns zeigen, dass man einfachste Haustechnik<br />
nicht vom Bau trennen kann. So gab es beispielsweise<br />
in den früheren Jahrhunderten in persischen<br />
Bauten „Windtürme“, die durch ihre Form dazu geeignet<br />
waren, durch über sie streichende Winde mit den darunter<br />
befindlichen Abluftkaminen und in den Räumen<br />
einen gewissen Unterdruck zu schaffen, wodurch frische<br />
Außenluft, meist aus bepflanzten, bodennahen kühleren<br />
Regionen, nachströmt. Ähnlich machen es heutzutage<br />
die Engländer, die in modernen <strong>Gebäude</strong>n Windtürme<br />
zur natürlichen Lüftung sehr erfolgreich und sehr sinnvoll<br />
einsetzen (Coventry University bzw. Jubilee Campus,<br />
University of Nottingham).<br />
Schulen − historisch und heute<br />
Betrachtet man weiterhin zum Beispiel die zur Jahrhundertwende<br />
geplanten und gebauten Jubiläumsschulen in<br />
Österreich, die im ganzen Land immer zu Kaisers Geburtstag<br />
eröffnet wurden, so findet man in all diesen von<br />
den Proportionen sehr ausgewogenen Schulhäusern in<br />
den Klassenzimmern neben den üblichen Kastenfenstern<br />
„aus der Zeit“ auch in jedem Zimmer einen über<br />
Dach führenden Lüftungsschacht. In diesen klassenweisen<br />
Lüftungsschächten bildete sich aufgrund der „animalischen<br />
Wärme“ der Personen im Raum und damit<br />
der Temperaturdifferenz zwischen innen und außen im<br />
Winter, der Schachthöhe und dem Schachtquerschnitt<br />
ein natürlicher Auftrieb, der seine Ergänzungsluft einerseits<br />
über die Undichtheit in den Kastenfenstern und<br />
andererseits über Türundichtheiten aus den Gängen der<br />
Schule erhielt. Auf diese Art und Weise war jederzeit,<br />
mit einem ca. halben bis einem einfachen Luftwechsel,<br />
die Luftqualität trotz geschlossener Fenster im Klassenzimmer<br />
gewährleistet.<br />
Selbstverständlich braucht man heutzutage an dieser<br />
Stelle über die berechtigte Forderung nach dichten<br />
Fenstern und geschlossenen Fugen im Zeitalter der<br />
Energieknappheit und Null-Energiehäuser nicht mehr<br />
diskutieren. Sie sind sinnvoll und notwendig. Ebenso<br />
ist auch hinreichend bekannt, dass reine Schachtlüftung<br />
ohne Wärmerückgewinnung in unseren Zeiten wegen<br />
der Energieverluste unakzeptabel ist.<br />
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