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Umnutzung historischer Gebäude Dezember 2011 1 2012

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Interview<br />

Wasser ist unserer Lebensgrundlage, Energie unser Motor<br />

Interview mit Prof. Dr. Klaus Grewe, Frontinus-Gesellschaft e.V.<br />

� RiH: Sie haben Vermessungswesen studiert.<br />

Wie kamen Sie zu der Beschäftigung<br />

mit <strong>historischer</strong> Stadt- und Haustechnik?<br />

Grewe: Ich habe bereits in meiner Studentenzeit<br />

für die Archäologen der Universität Bonn<br />

gearbeitet und dabei mein ganz spezielles<br />

Interesse an dieser Wissenschaft entdeckt.<br />

Durch einen glücklichen Zufall bekam ich<br />

dann direkt im Anschluss an mein Studium<br />

die feste Anstellung als Vermessungsingenieur<br />

beim Rheinischen Landesmuseum Bonn.<br />

Dort habe ich dann als Forschungsprojekt die<br />

römische Wasserleitung aus der Eifel nach<br />

Köln bearbeitet.<br />

RiH: Wer war Frontinus, und warum ist die<br />

Gesellschaft nach ihm benannt?<br />

Grewe: Frontinus war Politiker, Militärstratege<br />

und Fachschriftsteller; er lebte im 1.<br />

Jahrhundert n.Chr. Zum Ende seiner beruflichen<br />

Laufbahn wurde er unter Kaiser Nerva<br />

zum Curator aquarum in Rom berufen, ein<br />

Amt, das er ab 97 n. Chr. für sechs Jahre ausübte.<br />

Er war in dieser Zeit also verantwortlich<br />

für die Wasserversorgung Roms. In dieser<br />

Zeit verfasste er das Buch De aquaeductu<br />

urbis Romae. Wegen dieser Bezüge und seiner<br />

in diesem Werk zum Ausdruck kommenden<br />

Leistung hat die Frontinus-Gesellschaft ihn<br />

auf ihren Schild gehoben.<br />

RiH: Wann und warum ist die Frontinus-<br />

Gesellschaft entstanden?<br />

Grewe: Es gab bis zur Gründung der Frontinus-Gesellschaft<br />

keinen wissenschaftlichen<br />

Verein, der sich intensiv mit der Geschichte<br />

der Wasserversorgung und Rohrleitungstechnik<br />

befasste. Wer als Wissenschaftler<br />

oder interessierter Laie auf diesem Gebiet<br />

arbeiten wollte, war auf wenig Fachliteratur<br />

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 3/<strong>2011</strong><br />

angewiesen, ansonsten aber auf sich alleingestellt.<br />

Deshalb gründeten technisch interessierte<br />

Geschichtsforscher und Archäologen<br />

sowie historisch interessierte Ingenieure 1976<br />

diese wissenschaftliche Gesellschaft.RiH:<br />

Welche Ziele verfolgt die Gesellschaft, und<br />

welche Aktivitäten gibt es?<br />

Grewe: Die Frontinus-Gesellschaft hat das<br />

Ziel, Bildung und Wissenschaft zur Geschichte<br />

der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung,<br />

Energie- und Rohrleitungstechnik<br />

zu fördern. Die Gesellschaft führt<br />

Vortragsveranstaltungen, Kolloquien und<br />

Studienreisen durch. Die Jahrestagungen der<br />

Gesellschaft finden an verschiedenen Orten<br />

statt und dienen immer auch dazu, den Teilnehmern<br />

die wasserhistorischen Schätze der<br />

jeweiligen Region näherzubringen; so wird<br />

es auch bei der diesjährigen Tagung in Wien<br />

sein. Darüber hinaus ist für das kommende<br />

Frühjahr eine Exkursion zu römischen Wasserleitungen<br />

in Südfrankreich geplant.<br />

RiH: Welcher Art sind die Forschungsvorhaben,<br />

die Sie unterstützen?<br />

Grewe: Die Frontinus-Gesellschaft entwickelt<br />

eigene Forschungsprojekte zur in ihrer<br />

Satzung festgelegten Thematik, sie unterstützt<br />

aber auch fremde Forschungsvorhaben<br />

und Publikationen; z. Zt. ist eine Neuausgabe<br />

der Frontinus-Schrift geplant. Für überdurchschnittliche<br />

Leistungen auf dem Gebiet<br />

der Forschungen im Sinne ihrer Satzung<br />

verleiht die Gesellschaft in unregelmäßigen<br />

Abständen die Frontinus-Medaille.<br />

RiH: Wie können uns die historische Technik<br />

oder die Beschäftigung damit helfen,<br />

eine zukunftsfähige Wasser- und Energietechnik<br />

zu entwickeln?<br />

Grewe: Es wäre vermessen, zu sagen, dass nur<br />

die Erforschung <strong>historischer</strong> Wasserversorgungen<br />

uns in der Technik für die Zukunft<br />

weiterbringen würde. Gleichwohl zeigt uns<br />

der Blick zurück, dass vor 2000 Jahren schon<br />

technische Probleme gelöst wurden, die sich<br />

dem modernen Ingenieur heute in gleicher<br />

Weise stellen wie dem antiken Berufskollegen.<br />

Betrachten wir die bei der Wassergewinnung<br />

oder im Leitungsbau verwirklichten<br />

Lösungen, wird ein unglaublicher Pragmatismus<br />

der römischen Ingenieure sichtbar.<br />

Die antiken Wasserleitungen sind mit einer<br />

staunenswerten Präzision und Genauigkeit<br />

gebaut worden, was letztendlich dann<br />

die Grundlage für das Funktionieren dieser<br />

technischen Großbauten über Jahrhunderte<br />

war. Scheinbar für die Ewigkeit gebaut, beeindruckt<br />

uns ein Pont du Gard noch heute,<br />

und dieses kindliche Staunen sollten wir uns<br />

bewahren, um heutige Leistungen richtig<br />

einordnen zu können.RiH: Gibt es historische<br />

Technik/Techniken, von denen wir lernen<br />

können, die − Stichwort Hypokaustenheizung,<br />

Wasserleitungen − vielleicht noch<br />

heute in moderner Form einsetzbar wären?<br />

Grewe: Das Stichwort Hypokaustheizung<br />

ist tatsächlich geeignet, die „Modernität“<br />

antiker häuslicher Versorgungstechnik ganz<br />

besonders herauszustellen; aus anderer Sicht<br />

kann man sagen, dass die innerstädtische<br />

Wasserverteilung vor nicht allzu langer Zeit<br />

durchaus noch „römischem Standard“ entsprach.<br />

Doch ist nicht zu übersehen, dass<br />

heutige Technik in unseren Breiten ganz anders<br />

aussieht als in römischer Zeit. Es wäre<br />

aber überlegenswert, ob man auf diese alten<br />

Techniken in Entwicklungsländern nicht<br />

vermehrt zurückgreifen könnte. Qanate, also<br />

die seit 1000 v. Chr. gebauten Stollenanlagen<br />

zur Wasserversorgung von Oasen in ariden<br />

und halbariden Zonen* der Erde, wären beispielsweise<br />

auch heute noch geeignet, örtliche<br />

Wasserversorgung sicherzustellen – ohne<br />

Dieselpumpen zum Einsatz zu bringen.<br />

RiH: Wie sehen Sie den Umgang mit <strong>historischer</strong><br />

Haus- und Stadttechnik, sofern<br />

sie nicht musealisiert wird? Wird sie ausreichend<br />

gewürdigt, oder ist sie eher ein Wegwerfprodukt?<br />

Grewe: Betrachtet man das Angebot der<br />

Flohmärkte allerorten, dann wird man feststellen,<br />

dass altes Hausgerät, Armaturen usw.<br />

ganz häufig im Angebot zu finden sind. Und<br />

wenn diese Gerätschaften Käufer finden,<br />

dann doch in der Regel nicht, um diese Stücke<br />

als Ersatzteile noch einmal zu verwenden,<br />

sondern man kauft ganz einfach, weil<br />

man so etwas schön findet. Manches auf dem

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