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Humor - Dies ist unser Püffki, nur Eingeweihte kennen seine hohen ...

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Weise auf der Grenze steht: Es <strong>ist</strong> (sozial gesehen) nach innen freundlich, nach außen aggressiv; und es <strong>ist</strong> (physiologisch<br />

gesehen) angesiedelt zwischen konflikthafter Erregung und beginnender Entspannung.<br />

Witze über Gebrechen. Nicht <strong>nur</strong> solche Witze vergisst man<br />

172: Im Altertum galten Krüppel als Inbegriff der Komik, im Mittelalter galt der Zwerg noch als lächerlich, und im 16. und<br />

17. Jahrhundert haben selbst Denker wie Francis Bacon und Hobbes noch gemeint, Missbildungen seien (neben Gebrechen<br />

und Verkrüppelungen) am komischsten, wie Gregory nachwe<strong>ist</strong>. Noch 1885 musste Emil Kraepelin feststellen: «Eine sehr<br />

ergiebige Quelle der Anschauungskomik bilden für das unerzogene Gemüt die mannigfachen Missbildungen und<br />

Verkrüppelungen der menschlichen Gestalt» Immerhin <strong>nur</strong> «für das unerzogene Gemüt». Kuno Fischer stellte 1889 fest,<br />

Kinder lachten über den Anblick eines Buckligen, und man müsse sie erst zum Mitleid anhalten. Im Witz kommt das heute<br />

zum Glück kaum mehr vor. (H.V. aber warum waren sie dann in gewissen Umständen Inkas, Mexiko Göttern gleich?)<br />

«Woher kommt es <strong>nur</strong>, dass ich mir keine Witze merken kann? Eine Antwort darauf gibt Martin Grotjahn, der darauf<br />

hinwe<strong>ist</strong>, «dass eine zensierende Macht am Werk <strong>ist</strong>. Wenn ein Witz erzählt wird, werden im Zuhörer unbewusst<br />

Triebregungen aktiviert, die jedoch die Zensur zu verdrängen gebietet. Indem wir den Witz vergessen, entgehen wir der<br />

Schuld, an einer Aggression beteiligt zu sein.<br />

173 nennt das einen Hinweis «auf ihre Abkunft aus dem Unbewussten». Damit <strong>ist</strong> schon fast alles gesagt. Die Themen der<br />

Witze sind eben gewöhnlich tabuisiert, sie halten sich in <strong>unser</strong>em Keller auf; der Witz befreit diese Gemeinheiten, diese<br />

Ängste und diese Gier für einen Augenblick - dann aber müssen sie zurück in den Keller. Oft sind sie schon nach Minuten<br />

dem Gedächtnis wieder entzogen.<br />

Dass man es im zwanzigsten Jahrhundert verlernt hat, über Behinderungen zu lachen, halte ich für einen der wenigen<br />

nachweisbaren Fortschritte an Humanität - fast schon für einen Beweis, dass doch nicht früher alles besser war (H.V. Und<br />

was <strong>ist</strong> mit politcal correctness?).<br />

174: dass der Mensch ein Unbehagen fühlt, das er im Lachen abzuschütteln sucht, um sich danach wieder wohl zu fühlen.<br />

176: Das einzige, was ich noch zugeben würde, <strong>ist</strong>, dass der reingefallene Hörer humorvoll genug sein kann, über <strong>seine</strong>n<br />

Reinfall zu lachen. Klar <strong>ist</strong> jedenfalls, der Hörer <strong>ist</strong> bei diesen Witzen das Opfer. Einen Dritten als Opfer gibt es nämlich<br />

nicht. Und ohne Opfer - das wage ich so allgemein zu behaupten - kein Witz!<br />

Aber wer will denn leugnen, dass so ein Witz - darin dem Kalauer verwandt - <strong>unser</strong> Niveau schmerzhaft unterläuft.<br />

177: H<strong>ist</strong>orisch gesehen, sind Witze mit solchen Foppereien wohl recht jung, wie überhaupt der Witz nicht alt <strong>ist</strong>.<br />

Etymologisch: «Witz» hieß zunächst menschliches Wissen (im Gegensatz zur göttlichen Weisheit), dann am Ende des 17. Jh.<br />

diente Witz als Übersetzung des bewunderten französischen Esprit, wie Karl Otto Schütz nachgewiesen hat. Anschließend<br />

wurde «Witz» mit der Verachtung alles Französischen abgewertet zum seichten Scherz, für Kant etwa <strong>ist</strong> Witz die leichte<br />

Unterhaltung der Salons. «Erst im 19. Jahrhundert wurde der heute vorherrschende Sinn „Sch<strong>nur</strong>re“, belustigende, pointierte<br />

Anekdote, immer mehr ins Zentrum der allgemeinen Vorstellung gerückt», schreibt Schütz.<br />

<strong>Dies</strong>e Witzkonserven zum Weitererzählen sind ein Drei-Personen-Stück. Der Erzähler will etwas loswerden, er will im<br />

Mittelpunkt stehen und einen Erfolg erzielen. Außerdem verschafft sich der Witzerzähler den Vorteil, den Witz noch einmal<br />

genießen zu können, denn, wie Bateson meint, einen Witz möchte man zwar <strong>nur</strong> dreimal hören, aber zwanzigmal erzählen.<br />

Die zweite Person in diesem Stück <strong>ist</strong> natürlich der Hörer, der auf ein lustvolles Erlebnis aus <strong>ist</strong>. Dann gibt es noch als<br />

Dritten das Opfer des Witzes, gegen den der Erzähler den Hörer einnehmen will. Allerdings kann auch das Opfer mit dem<br />

Hörer identisch sein, wie in den Foppereien, um die es in diesem Kapitel geht. Das <strong>ist</strong> eine späte, heute immer noch<br />

weiterentwickelte Witztechnik. Der Reinfall <strong>ist</strong> Absicht.<br />

178: Jeder Witz <strong>ist</strong> natürlich, davon war schon die Rede, auch eine Herausforderung an den Hörer. Der Witzerzähler gehe<br />

voraus und springe, er lade den Hörer ein, hinter ihm den gleichen Sprung zu wagen. «Ein Witz <strong>ist</strong> vor allem ein Wettkampf<br />

zwischen Ihnen und dem Witzerzähler. Wenn Sie die Pointe verstehen, lachen Sie und zeigen damit, dass Sie den Wettkampf<br />

gewonnen haben».<br />

180: zwischen Witz und Streich einen Unterschied, den man sich anhand dieses giftigen Witzes verdeutlichen kann. Beim<br />

Witz nämlich könne man die zwei Phasen (Erregung/Beruhigung) me<strong>ist</strong> klar unterscheiden: «eine Periode der Verwirrung,<br />

des Unbehagens oder gar des Ärgers, die plötzlich der Klarheit, Gewissheit und Erleichterung („levity“) Platz macht. In<br />

anderen Fällen, etwa bei komischen Ereignissen oder bei Schabernack, sind die Faktoren, die die Erregung steigern und<br />

verringern, vermischt»<br />

183: Anekdoten: werden me<strong>ist</strong> nicht zu den Witzen gezählt.<br />

184: Zu Freuds Zeiten war es noch verständlich unter einem Witz eine selbstgemachte bissige Pointe zu verstehen (in<br />

Tradition von Anekdote und Bonmots) heute dagegen, besonders in den USA <strong>ist</strong> es ein Genießen von Fertigware, die in der<br />

Hoffnung konsumiert wird, sich damit stimulieren zu können.<br />

185: Witz-Erfinder spürt Abfuhr von Erregung und Witz-Konsument Anstieg.<br />

187: Denn offenbar lockert und löst jeder zündende Witz - wenn auch <strong>nur</strong> für einen Augenblick - eines der seelischen<br />

Probleme des Lachenden. Anders kann man sich kaum die Wirkung des Witzes erklären.<br />

188: Themen vor allen Aggression und Sexualität zu Zeiten Freuds, für latente Ängste gab es noch keine, also auch keine<br />

Grusel-Witze oder Schwarzen <strong>Humor</strong>. Witz allein mit Lust, Galgenhumor aber mit Hangst.<br />

190: Widersprüche: Der Mensch will zugleich ehrlich und taktvoll sein, will eine Liebesbeziehung und <strong>ist</strong> gehemmt<br />

Während Konflikte im Alltag gewöhnlich ausweglos sind, scheint das Kunststück des Witzes gerade darin zu liegen, die<br />

ambivalenten Wünsche zu befriedigen.<br />

191: Der Witz <strong>ist</strong> eine vorübergehende, paradoxe Lösung dieses Konflikts.<br />

192: Witze waren vor allem immer Männersache, Siegesgeheul der Urzeit. Frauen zeigen sich aber nicht weniger feindselig.<br />

Sie sind aber genötigt ihre Feindseeligkeiten anders auszutragen.<br />

194: Man kann niemanden raten , nach dem „Judenbild“ im jüdischen Witz zu fragen, dann erscheinen die Juden als<br />

unreinlich oder als unehrlich und verrückt. (Ethnischer Witz sagt nichts über die Ethnen aus!) Wer über sad<strong>ist</strong>ische<br />

Grausamkeit lacht, sollte nicht verdächtigt werden, ein Sad<strong>ist</strong> zu sein, im Gegenteil.<br />

195: Es gibt den männerfeindlichen Frauen-Witz.<br />

Wenn jemand eine gusseiserne Moral und rechtwinklige Ordnungsliebe besitzt, wird er kaum einen Witz zulassen.<br />

199: es gibt eine Qualität bzw. ein Niveau von Witzen.<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 6/68

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