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Humor - Dies ist unser Püffki, nur Eingeweihte kennen seine hohen ...

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261: Und weil wir kein Mitleid haben müssen, so Freud, können wir lachen. <strong>Dies</strong>es Lachen entstammt aber <strong>nur</strong> <strong>unser</strong>er<br />

Erleichterung, gewiss nicht einer aggressiven Stimmung. Im Gegenteil, der Held mit dem Galgenhumor hat ja <strong>unser</strong>e ganze<br />

Hochachtung. Darin <strong>ist</strong> der Galgenhumor dem <strong>Humor</strong> verwandt: Wir hätten ihn selbst auch gern.<br />

Aber <strong>unser</strong> Sprachgebrauch verrät noch den kriegerischen Charakter: Wir redeten von Lach-Kanonen, von Lach-Salven und<br />

davon, dass Lachen vernichtend oder tödlich sei.<br />

262: Lachend werden heute alte Ideale abgerüstet.<br />

263: Kann es eine Form der Komik geben, die noch höher steht als <strong>Humor</strong> und Galgenhumor? Da mögen die Urteile<br />

auseinandergehen, für meinen Geschmack sind die Selbstverspottung und Selbstironie noch köstlicher. Denn im <strong>Humor</strong> und<br />

Galgenhumor überwindet der Mensch <strong>nur</strong> <strong>seine</strong> Selbstüberschätzung oder <strong>seine</strong> Angst vor dem Schicksal, in der Selbstironie<br />

aber befreit er sich von sich selbst, indem er <strong>seine</strong> eigenen Schwächen verspottet. Auf diese Weise über sich lachen zu<br />

können, <strong>ist</strong> die besondere Gabe des witzigen Juden. Angespielt hat er zum Beispiel auch gern auf das eigene Vorurteil,<br />

überall sei Feindseligkeit zu finden.<br />

Der jüdische Witz <strong>ist</strong> nicht sehr alt, er <strong>ist</strong> erst «als Folge der allgemeinen europäischen Witzmode» Anfang des neunzehnten<br />

Jahrhunderts entstanden, meint Meyerowitz . Möglicherweise sind die ersten jüdischen Witze von den Frommen über die<br />

emanzipierten Glaubensbrüder gemacht worden. Dass sich der jüdische Volkshumor später den kleinen Gaunern in den<br />

eigenen Reihen zugewandt hat, erklärt Jan Meyerowitz damit, dass dem jüdischen Volk die großen schrecklichen Helden<br />

gefehlt haben.<br />

265: Der jüdische Witz <strong>ist</strong> in Deutschland erst durch die Sammlung von Salcia Landmann in den sechziger Jahren populär<br />

geworden. Dass die Deutschen nach dem Holocaust so begierig nach diesen Witzen griffen, musste verdächtig sein. Der<br />

<strong>Humor</strong><strong>ist</strong>, Schriftsteller und kongeniale Übersetzer Ephraim Kishons, Friedrich Torberg, schrieb 1961 in einer polemischen<br />

Rezension, unbewusst hätten die Leser dieser Witze ein «angenehm prickelndes Gefühl», denn «Sie haben die Vergangenheit<br />

bewältigt und haben sich dabei auch noch gut unterhalten. Mehr kann man nicht verlangen». Und selbst der milde urteilende<br />

Jan Meyerowitz meint, auf viele Juden habe das Buch „fast abstoßend und schmerzlich gewirkt wie so manches in der<br />

Nazizeit Geschriebene“<br />

268: Das Komische entsteht auf sehr unterschiedliche Weise. Die Umstände sind so vielfältig, dass sie nicht auf einen<br />

Nenner gebracht werden können. Wäre es anders, wozu hätte man nach und nach so viele Techniken und Tendenzen des<br />

Witzes vorstellen müssen? Obwohl also niemand die Bedingungen des Komischen abstrakt definieren kann, sei dennoch eine<br />

These gewagt:<br />

Als komisch empfinden wir eine Lage, die uns überfällt, uns überfordert und die doch Entspannung<br />

verheißt. Sie selbst nämlich wird sich entspannen - und damit auch uns.<br />

Genau genommen löst diese Lage von Anfang an einen Prozess aus, und er vollzieht sich, wenn es gut geht, auf vier Ebenen<br />

nach einander:<br />

1. Zuerst wird der Verstand beschäftigt (das Verstehen),<br />

2. dann das Unbewusste,<br />

3. danach das Gemüt (man <strong>ist</strong> hin- und hergerissen in einer Ambivalenz der Gefühle), und<br />

4. schließlich ergreift dieser Prozess den Körper, der - gebeutelt von der plötzlichen Überforderung - im stoßweisen<br />

Ausatmen, genannt Lachen, die endgültige Entspannung sucht.<br />

Der Witz wirkt in allen <strong>seine</strong>n Phasen sehr schnell. Wir verstehen ihn auf Anhieb. Aber der Witz selbst <strong>ist</strong> eben noch<br />

schneller, denn es gelingt ihm ja, uns zu erschrecken, bevor wir ihn wirklich verstehen können. Er scheint die Textsorte mit<br />

der schnellsten Kommunikation überhaupt zu sein. Ihn verstehen wir intuitiv und reflexhaft, nicht rational und deduktiv.<br />

Aber bloßes Verstehen <strong>ist</strong> eben nicht alles. Wie gesagt, anschließend sind auch andere Ebenen von uns beteiligt.<br />

In allen Phasen ruft der Witz eine plötzliche Reaktion hervor, auf die, wie oft beobachtet worden <strong>ist</strong>, ein längeres Hin und<br />

Her folgt. In dieser Bewegung kann sich die Überraschung und Überforderung allmählich lösen. Die vier Ebenen oder<br />

Stationen sollen im folgenden dargestellt werden.<br />

269: Das Verstehen als Prüfung: zuerst etwas nicht so Wichtiges: Derjenige, dem ein Witz erzählt wird, fühlt sich vom<br />

Witzerzähler auf die Probe gestellt, denn er wird geprüft, ob er den Witz auch versteht. Wenn wir ihn tatsächlich verstehen,<br />

haben wir die Herausforderung bestanden, haben wir gewonnen, und das <strong>ist</strong> der erste kleine Triumph und Lohn, der uns<br />

befriedigt. Allein schon wegen der Erwartung dieses Glücks lässt man sich gern einen Witz erzählen.<br />

Doch warum <strong>ist</strong> es eine Herausforderung? Weil es eigentlich gar nicht so selbstverständlich <strong>ist</strong>, einen Witz zu verstehen. Das<br />

<strong>ist</strong> nämlich eine besondere Sorte Text und gewiss keine einfache.<br />

Zwei Gehirnhälften, zwei Wege: jeder Witz <strong>ist</strong> eine unvollständige Mitteilung, missverständlich oder doppeldeutig, denn sie<br />

verwendet Techniken wie Anspielung, Auslassung, Wortspiel, Verdichtung oder Übertreibung. Der Witzhörer bekommt den<br />

Witz daher wie einen Bausatz, den er selbst erst fertig stellen muss. Das gelingt ihm me<strong>ist</strong> auf Anhieb. Wieso?<br />

Hier kommt ins Spiel, dass <strong>unser</strong>em Gehirn zwei recht verschiedene Wege des Begreifens zur Verfügung stehen, und erst<br />

wenn man sie kennt, ahnt man, wie eine solche Textsorte überhaupt verstanden werden kann - und warum uns dieses<br />

Verstehen sogar Spaß macht. Es war der Witzforscher R. S. Fouts, der die damals neuesten Ergebnisse der Gehirnforschung<br />

wohl als erster auf den Witz angewandt hat: Es sei von einigen Gehirnphysiologen nachgewiesen worden, berichtete er, dass<br />

die linke Hälfte des Gehirns mehr das aufnehme, was nach und nach zu verstehen sei, vor allem die Sprache, während die<br />

rechte Gehirnhälfte eher dazu neige, eine Situation intuitiv und plötzlich zu erfassen. <strong>Dies</strong>e These wandte Fouts auf die<br />

<strong>Humor</strong>forschung an, indem er vermutete, zuerst nehme, wenn ein Witz erzählt wird, die linke Gehirnhälfte den Wortlaut nach<br />

und nach auf; dann aber sei, sobald die Pointe erscheint, die rechte Gehirnhälfte gefordert, die in der Lage <strong>ist</strong>, die verwirrende<br />

Information blitzschnell mit der gespeicherten Erwartung zu vergleichen und die Komik zu erfassen.<br />

270: Überforderung und Entspannung: Schock Verwirrung, Schlüssel zur Lösung und Entspannung<br />

271: Paradox: Kern des Witzes etwas Unsinniges.<br />

272: Friedrich Theodor Vischer schrieb 1837 vom Widerspruch oder der «Contradictio» beim Komischen: «Der Zuschauer<br />

ruft aus: So klug und in dieser Klugheit so töricht! So viel Sinn und in diesem Sinn so viel Unsinn! Wie <strong>ist</strong> es doch <strong>nur</strong><br />

möglich, man meint ja fast, es könne nicht sein!»<br />

«die plötzliche paradoxe Lösung eines psychischen Spannungszustandes».<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 9/68

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