play! - Die Duisburger Philharmoniker
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Stefan Vladar im Gespräch<br />
Herr Vladar, Sie haben 1985 – als bislang einziger Österreicher<br />
– den Wiener Beethoven-Wettbewerb gewonnen.<br />
Welche Bedeutung hatte das für Ihre Karriere?<br />
Es hat natürlich immer einen großen Einfluss auf die<br />
Karriere, wenn man in so jungen Jahren einen wichtigen<br />
Wettbewerb gewinnt und einer breiteren Öffentlichkeit<br />
bekannt wird – ich war damals ja erst 19 Jahre alt. Außerdem<br />
bin ich selbst Österreicher, deshalb war die Aufmerksamkeit<br />
natürlich besonders groß.<br />
Der Wettbewerbssieg und die damit verbundene<br />
Popu larität bewirkten, dass Sie zunächst vor allem<br />
als Spezialist für die Wiener Klassik und die deutsche<br />
Romantik galten. Inzwischen haben Sie auch Werke von<br />
Skrjabin und Prokofjew aufgenommen. Wie hat sich Ihre<br />
Repertoire-Planung über die Jahre entwickelt?<br />
Nach dem Wettbewerb wurde ich hauptsächlich als Solist<br />
für die Klavierkonzerte von Beethoven engagiert, nachher<br />
hat sich das mehr in Richtung der Mozart- Konzerte<br />
verlagert. Ich selbst habe diese Festlegung nie nachvollziehen<br />
können. Wenn man mal im Archiv des Wiener<br />
Musikvereins stöbert, wo ich an die 20 Soloabende<br />
ge geben habe, dann wird man feststellen, dass mein<br />
Repertoire eigentlich immer sehr ausgewogen war. Ich<br />
habe vielleicht nie so viel aus dem 20. Jahrhundert<br />
gespielt, obwohl ich eigentlich auch gar nicht weiß,<br />
warum. <strong>Die</strong> Sonaten von Prokofjew habe ich zum Beispiel<br />
erst später entdeckt.<br />
Sie haben bereits Anfang der neunziger Jahre eine zweite<br />
Laufbahn als Dirigent begonnen. Hat Ihnen schon mit<br />
Mitte 20 das Pianistische nicht mehr genügt?<br />
Ich war immer vom Orchester fasziniert, bin schon<br />
als Kind mit meinem Vater oft in Orchesterkonzerte<br />
gegangen. Das Klavier machte immer nur einen Teil<br />
meines musikalischen Horizonts aus. Ich bin auch der<br />
einzige meiner Brüder, der beim Klavier geblieben ist<br />
– die anderen sind Orchestermusiker geworden. Also,<br />
diese Faszination war einfach immer da und ist durch die<br />
pianistische Karriere, die ja ganz unerwartet kam, einfach<br />
nur eine Zeitlang überlagert worden. Als ich Anfang<br />
der neunziger Jahre mit dem Dirigieren begann, war das<br />
für mich ein ganz natürlicher Schritt.<br />
Wenn man selbst dirigiert, verändert sich dann das Verhältnis<br />
zu anderen Dirigenten? Wird man kritischer oder nachsichtiger?<br />
Man wird kritischer und nachsichtiger zugleich. Einerseits<br />
erkennt man leichter die Fehler, die ein Kollege<br />
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macht, andererseits ist man nachsichtiger, weil man<br />
– wenn man ehrlich zu sich ist – weiß, dass man die<br />
gleichen Fehler auch macht.<br />
Wie ist es, wenn Sie als Solist unter der Leitung anderer<br />
Dirigenten spielen?<br />
Es macht die Dirigenten auf jeden Fall nervöser als mich.<br />
Es passiert manchmal, dass sie Vorschläge, die ich aus<br />
musikalischer Sicht mache, als Kritik an ihrem Dirigieren<br />
verstehen. Aber normalerweise wird so etwas freundschaftlich<br />
gehandhabt.<br />
Sind ihre Repertoire-Vorlieben beim Klavierspielen und<br />
Dirigieren die gleichen?<br />
Nein. <strong>Die</strong> Anforderungen, etwas Neues zu lernen, sind<br />
beim Dirigieren einfach viel geringer. Selbst eine noch so<br />
komplexe Partitur kann man in einer absehbaren Zeit so<br />
gut lernen, dass man sie mit dem Orchester zusammen<br />
erarbeiten kann. Und das macht man dann auch schon<br />
mal mit Stücken, die einem nicht so ans Herz gewachsen<br />
sind. Beim Klavier ist das etwas anderes: Wenn man ein<br />
schwieriges Werk so einstudieren will, dass man es der<br />
Öffentlichkeit präsentieren kann, dann ist das manchmal<br />
eine Arbeit von vielen Monaten. Und das tut man eben<br />
nur mit Stücken, die einem besonders viel bedeuten.<br />
Macht es einen Unterschied, ob man als Dirigent vom<br />
Klavier her kommt oder zum Beispiel von der Geige?<br />
Das macht schon einen Unterschied. Der große Vorteil<br />
ist, dass man als Pianist von Kindheit an gelernt hat,<br />
mehrdimensional zu denken. Wir müssen von Anfang an<br />
in zwei Systemen und zwei verschiedenen Schlüsseln<br />
lesen, das macht es später leichter, mit den 18 Zeilen<br />
einer Partitur umzugehen. Es ist für einen Pianisten auch<br />
einfacher, die Polyphonie eines Werkes aufzuschlüsseln;<br />
wir sind es gewohnt, mit unseren zehn Fingern zehnstimmig<br />
zu spielen. Dazu kommt, dass es in der Klavierliteratur<br />
mehr Stücke von großem, sozusagen sinfonischem<br />
Format gibt. Wenn man eine späte Beethoven-Sonate<br />
verstanden und zu gestalten gelernt hat, dann hat man<br />
mit einer Schubert- oder Bruckner-Sinfonie nicht mehr<br />
so große Schwierigkeiten. Ein Nachteil besteht natürlich<br />
darin, dass man über die spieltechnischen Anforderungen,<br />
die z.B. ein Streichinstrument stellt, nicht so gut<br />
Bescheid weiß. Aber das kann man lernen.<br />
Sie haben CDs bei Sony, Harmonia Mundi und Naxos<br />
eingespielt. Ihre jüngsten Aufnahmen sind beim Wiener<br />
Traditionslabel Preiser Records erschienen. Wie beur-