play! - Die Duisburger Philharmoniker
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Ulk, Illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire, Nr. 17,<br />
41. Jahrgang, Berlin, 28. April 1912.<br />
Das Innovative ihres Habitus’ beschrieb der berühmte<br />
Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe, der die Entstehung<br />
der Knienden bei seinen Besuchen in Lehmbrucks<br />
Pariser Atelier im Quartier Montparnasse 1910/11 hautnah<br />
miterlebt hat, wie folgt: „Eines Tages waren alle<br />
Frauen büsten, Frauentorsos mit antikem Einschlag beiseite<br />
geräumt und in der Mitte des Ateliers stand eine<br />
überlebensgroße halb kniende Frauengestalt, die nicht<br />
aufhörte. [...] Um die Kniende muss man sich bemühen.<br />
Man muss die kniende Gestalt des Öfteren sehen, um sich<br />
die Sprache der Glieder, der erhobenen Hand, die gleich<br />
einer fünfstelligen Blüte in den Äther wächst, der anderen<br />
ruhenden und in der Ruhe atmenden Hand auf dem<br />
weit hinausragenden Schenkel und des Fußes, der bis in<br />
die Ewigkeit zurückflüchtet, um die Sprache des demütig<br />
geneigten Hauptes zu vernehmen.“ (Reichs ausgabe<br />
der Frankfurter Zeitung, 5. Januar 1932.) Vor dem Horizont<br />
dieser Frage nach der Herkunft und „ Sprache“ ihrer<br />
Haltung gliedert sich die der Knienden gewidmete Ausstellung<br />
in drei Teile.<br />
Der erste thematisiert die Motivgenese der Knienden<br />
und präsentiert knapp 80 plastische, malerische und<br />
– zum Teil noch nie gezeigte – graphische Werke von<br />
Lehmbruck aus dem Sammlungsbestand des <strong>Duisburger</strong><br />
Museums, die in gestalterischem Zusammenhang mit<br />
der Knienden stehen oder im gleichen Zeitraum wie sie<br />
entstanden sind. Dazu zählen prominente Plastiken wie<br />
seine erste und seine letzte (erhaltene) in Paris geschaffene<br />
lebensgroße Arbeit: die Stehende Weibliche Figur<br />
(1910), die Lehmbruck 1912 für die Stadt Duisburg in<br />
Marmor angefertigt hat, weshalb die Bürger sie ungeachtet<br />
ihres Pariser Ursprungs als <strong>Duisburger</strong>in bezeichnet<br />
haben, und der Emporsteigende Jüngling (1913/14).<br />
Präsen tiert werden ferner Gemälde und zahlreiche Zeichnungen,<br />
die entweder die Entstehung der Knienden vorbereiten<br />
oder nach ihrem Vorbild entstanden sind. Sie<br />
führen sämt liche Facetten der künstlerischen Reflektion<br />
über die Formfindung vor Augen. Relevant sind in diesem<br />
Zusammen hang außerdem Lehmbrucks Kaltnadelradierungen<br />
(eine Technik, die er erstmals 1910 in<br />
Paris angewandt hat), mit denen er sein neues Motiv<br />
der Knienden formal variieren und gleichzeitig in Auflage<br />
verbreiten konnte. Ergänzend werden historische,<br />
von Lehmbruck selbst in Auftrag gegebene Fotografien<br />
seiner in Paris entstandenen Werke ausgestellt, die Aufschluss<br />
über ihre zeitgenössische Inszenierung sowie<br />
über heute verschollene (bzw. im 2. Weltkrieg zerstörte)<br />
Arbeiten geben. Eine der Aufnahmen zeigt den Gips der<br />
Knienden nach ihrer Fertigstellung im Atelier und trägt<br />
rückseitig Lehmbrucks handschriftliche Notiz zu Titel<br />
und Größe der Figur: „Kniende, überlebensgroß“.<br />
Werke von Lehmbrucks Künstlerkollegen, die ebenfalls<br />
motivische Verwandtschaften zu Lehmbrucks<br />
Kniender aufweisen, runden den ersten Ausstellungsteil<br />
ab. Neben zeitlich früher entstandenen Plastiken und<br />
Graphiken von Bildhauern wie Auguste Rodin, Aristide<br />
Maillol oder George Minne, die als motivische Vorläufer<br />
oder gar als Inspirationsquelle gelten könnten, werden<br />
auch nahezu zeitgleich entstandene Werke von Malern<br />
und Bild hauern aus dem avantgardistischen Künstlerviertel<br />
Mont parnasse gezeigt, wie Alexander Archipenko,<br />
Antoine Bourdelle, Constantin Brancusi, André Derain<br />
und Amedeo Modigliani, mit denen Lehmbruck durch<br />
Atelierbesuche oder Treffen im berühmten Café du Dôme<br />
nachweislich in engem Kontakt stand. Einbezogen<br />
werden außerdem Dokumente, die die Modernität von<br />
Lehmbrucks Kniender vor Augen führen: So karikiert das<br />
Titelblatt der Satirezeitschrift Ulk vom 28. April 1912 die<br />
damals gerade in der Ausstellung der Berliner Sezession<br />
präsentierte Plastik im tagespolitischen Kontext.<br />
Der zweite Teil erweitert den Blick auf den zeitgenössischen<br />
Pariser Ausstellungskontext, in dem Lehmbruck<br />
seine Kniende präsentiert hat. Gezeigt werden Werke von