Große Häuser – kleine Häuser

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50 Abb. 52 Straßendorf am Bielersee, Westschweiz. Sutz- Lattrigen, Kleine Station: Sâone-Rhône Kultur (Übergang Lüscherz zu Auvernier) (nach HAFNER/SUTER 2004, 22). Endneolithikums im Schnitt deutlich kleiner sind als die zweigekammerten des Jungneolithikums. Krass ist indessen der Kontrast zwischen den endneolithischen Großund Kleinhäusern. Die Kleinhäuser von Torwiesen haben nur ein 1:5 bis 1:10 von der Grundfläche der Großhäuser. Die Häuser von Dullenried und Grundwiesen etwa 1:2 bis 1:5 von der Grundfläche der Großhäuser in Torwiesen und Stockwiesen. Hinzu kommt die leichte Bauweise mehrerer Gebäude in Dullenried und aller anderen Kleinhäuser in Grundwiesen, Stockwiesen und Torwiesen, die auf leichte Wand- und Dachkonstruktionen schließen lassen. Die Gebäude dürften kaum stabile Dachräume zur Lagerung von landwirtschaftlichen Gütern in nennenswertem Umfang besessen haben. Eine Nutzung der Dachräume durch Zwischendecken, in Einzelfällen auch durch den Einbau eines Kniestockes – wie in Aichbühl durch Bauteile wahrscheinlich zu machen (Schmidt 1930/37, 122 ff.) – ist indessen für die stabilen Pfostenkonstruktionen der Großhäuser vorauszusetzen. Durch Brandschichten in den Ufersiedlungen des Bodensees wissen wir, dass dort Erntevorräte in großem Umfang in den Wohnhäusern gelagert waren. Derartige Lagerkapazitäten bietet eigentlich nur der Dachraum, vor allem wenn die Häuser kleinere Grundrisse haben. Die Kleinhäuser des Endneolithikums aber boten diese Lagerkapazitäten nur in sehr beschränktem Umfang. Nebengebäude waren in den südwestdeutschen Ufer und Moorsiedlungen bislang kaum nachzuweisen. Eine Ausnahme bilden die genannten zwei Nebengebäude in Ehrenstein, die in Bauperiode II in der Gasse zwischen den Häusern 5 und 8 errichtet waren (Abb. 54). Beide Kleinhäuser hatten Estrichböden über Prügelböden und scheinen wie die großen Häuser in Holz-Lehmbauweise gebaut gewesen zu sein. Feuerstellen sind in ihnen nicht nachgewiesen, so dass es keinen Hinweis auf ihre Funktion als Wohneinheiten gibt. Es könnte sich sehr wohl um kleine Ökonomiegebäude (Ställe, Lagerschuppen) gehandelt haben. Die Kleingebäude gingen, nach einer Erneuerung des Nebengebäudes 2, mit dem Siedlungsbrand am Ende der Bauperiode II zugrunde und wurden im Gegensatz zu den großen Häusern nicht wieder aufgebaut (ZÜRN 1965, 49 f.). Aichbühl Haus A3 (11) 6x9,9 m 59,4 qm Haus A15 (5) 6,3x11,5 m 72,4 qm „Villa Franconia“ Ehrenstein Haus 2B 5x8,2m 41qm Haus 5D 6x15m 90qm Nebengebäude 1 2x2,5m 5qm Nebengebäude 2a 2x3,0m 6qm Taubried Haus 1 Phase 1, 1-2 räumig 2,9x4,4m 13qm Phase 4, 2 räumig Haus 2 3,3x7,4m 24,4qm Phase 2, 1-2 räumig Haus 3 2,9x5,5m 15,9qm Phase 1, 1 räumig 3,2x3,2m 10,2qm Phase 1b, 2 räumig 3,6x7,5m 27qm Phase 2, 2 räumig Haus 11 4x8,5m 34qm Phase 1a, 1 räumig 3x3,1m 9,3qm Phase 1b, 2 räumig 3,5x6,5m 22,1qm Phase 2, 2 räumig Haus 12 3,3x6,7m 22,1qm 1 räumig Haus 13 3,9x3,9m 15,2qm Phase 2, 2 räumig Hartöschle Haus 1 3,8x6m 22,8qm 3 räumig Haus 2 3,4x6m 20,4qm 2 räumig Dullenried 3,4x6,7m 22,7qm Haus 3 3,5x4,5m 15,7qm Haus 4 4x7m 28qm Haus 5 4x6m 24qm Haus 8 Grundwiesen 3x5m 15qm Haus 2 4x5m 20qm Haus 3 4x5m 20qm Haus 4 Torwiesen 3,8x7m 26,6qm Haus 1 4x12,5m 50qm Haus 5 4,2x9m 37,8qm Haus 7 4x9m 36qm Haus 8 3,8x7,7m 29,6qm Haus 10 4x10m 40qm Kleinhaus 4 2x2,6m 5,9qm Kleinhaus 14 Stockwiesen 2,5x2,5m 6,2qm Haus 1 5x15m 75qm Haus 4 4,8x10m 48qm Haus 11 4x7m 28qm Kleinhaus 1b 2x2m 4qm Tab.1 Berechnung der Grundfläche einiger neolithischer Häuser Oberschwabens.
Für Taubried I konnte Strobel (2000b) durch Analyse der Bauphasen aufzeigen, dass die zweizelligen Häuser aus einzelligen Anfängen hervorgegangen waren. Dort kamen erste Siedlungspioniere am Platz zunächst mit 10–15 qm Grundfläche aus, die sie dann allerdings im Laufe von zwei bis drei Umbauphasen in zweizellige Wohn- und Wirtschaftseinheiten ausbauten, unter Zugewinn von 1:3 bis 1:1 an Fläche. Über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Siedlung ist leider wenig bekannt. Im Fundmaterial sind Mahlsteine nachweisbar, Bertsch (1931, 31) berichtete von einem Vorratsfund mit verkohltem Getreide. Zusammen mit den regelhaft auftretenden Backöfen kann so eine agrarische Wirtschaftsweise erschlossen werden, deren Verhältnis zu jägerisch-sammlerischen Elementen, die durch zahlreiche Netzsenker nachzuweisen sind, aber nicht zu gewichten ist. Vermutlich spielte Jagd wie in anderen Schussenrieder Siedlungen eine beträchtliche Rolle (STEPPAN in diesem Band). Besser ist es nun um die kleine Häusergruppe von Alleshausen-Hartöschle bestellt. Dort sind für ähnlich kleine, zwei- bis dreiräumige Häuser von 13–20 qm Grundfläche – also Einheiten etwa der halben Größe des durchschnittlichen Ehrensteinhauses – zwar Öfen und Mahlsteine nachgewiesen und umfangreiche botanische Nachweise eines Getreideanbaus erbracht (MAIER in diesem Band), doch zeigen die Tierknochenspektren viel Jagdfauna und keinen sicheren Beleg eines Haustieres (STEPPAN in diesem Band). Nachweise für Sammeltätigkeit sind indessen eher gering. Da sommerliche wie winterliche Aktivitäten nachweisbar sind, kann es sich bei dieser kleinen Häusergruppe nicht um eine saisonale Nebensiedlung der bekannten, größeren Siedlungen des südlichen Federseeriedes handeln. Vielmehr dürften hier Siedlungspioniere für eine gewisse Zeit ansässig geworden sein, wobei es ihnen nicht gelang, die kleine Gemeinschaft zu einem Dorf auszubauen. Nehmen wir die Größe der Häuser als Maßstab für die Betriebsgröße, so handelt es sich im Gegensatz zu Aichbühl, Riedschachen II und Ehrenstein bei Täschenwiesen und Taubried um ärmlichere Bauern mit lediglich der Hälfte des Betriebsvolumens. Leider wissen wir wenig über die Inventare der Häuser von Dullenried. Immerhin hat Bertsch (1931, 46 f.) ein kleines Kulturpflanzenspektrum festgestellt, eine quantitative Wertung ist jedoch nicht möglich. Zudem liegen Geräte zur Textilproduktion, aber keine Mahlsteine und keine klaren Erntemeser vor. Wiederum sind hier die Jagdanteile sehr hoch (STEPPAN in diesem Band). Den Siedlern stand aufgrund der besonderen topographischen Situation nur die Insel Buchau als Ackerland zur Verfügung. Diese böte mit etwa 40 ha zwar ausreichend Anbaufläche für eine größere Siedlung, doch sind die Möglichkeiten auf der langschmalen Insel beschränkt. Alle andern Ufersiedlungen des Federsees orientieren sich nicht an dieser Insel. Es dürfte deshalb auszuschließen sein, dass in Dullenried mit der Absicht gesiedelt wurde, eine größere Dorfgemeinschaft zu gründen. Der Siedlungsplatz scheint vielmehr im Hinblick auf Fischfang und Jagd ausgewählt und bot hierzu ideale Bedingungen. Hier sind also weniger Pioniere, sondern Randgruppen der neolithischen Gesellschaft mit vorwiegend wildbeuterischer Orientierung zu vermuten. Ob ganzjährig oder temporär gesiedelt wurde, wissen wir nicht. Einen besonderen und äußerst spannenden Fall einer Siedlung mit Kleinhäusern haben wir mit Alleshausen-Grundwiesen aufgetan. Sehen wir von den völlig ungeklärten Hinweisen auf einen Pfostenbau der mittleren Bauphasen im Siedlungszentrum einmal ab, so sind hier innerhalb einer Palisade zahlreiche einzellige Kleinhäuser in leichter Bauweise belegt. Die botanischen Großrestuntersuchungen (MAIER in diesem Band) lassen eine Spezialisierung auf Leinanbau erkennen, wohingegen Getreidebau aufgrund äußerst geringer Pollen- und Dreschreste kaum belegbar ist. Botanische und insektenkundliche Untersuchungen (SCHMIDT in diesem Band) sprechen für die Anhäufung von Tierdung in der Siedlung, der Fund einer Radscheibe bezeugt den Einsatz von Zugrindern, das Tierknochenspektrum bietet jedoch nur wenige Belege für Haustierhaltung bei großer Dominanz der Jagdtiere (STEPPAN in diesem Band). Keine andere Siedlung in Südwestdeutschland hat bislang auch nur annähernd so dicke Lagen eines Materials ergeben, das wohl zu großen Anteilen Tierdung enthielt. Hier gab es also Herdenhaltung, wobei die Siedler selbst vor allem Jagdbeute verzehrten sowie eine Spezialisierung der Siedler auf Textilfaserproduktion unter Verzicht auf Getreideanbau. Getreide beschaffte man sich zum Verzehr von außerhalb. Es ist eher unwahrscheinlich, dass unter diesen Voraussetzungen eine Siedlungsgemeinschaft autonom wirtschaftete, es sei denn, sie wusste sich durch ihre Produkte im Austausch mit anderen Siedlungen zu behaupten. Wahrscheinlicher scheint hier der Fall einer Nebensiedlung mit hohem Spezialisierungsrad vorzuliegen, deren Hauptsiedlung reguläre Landwirtschaft betrieb. Abb. 53 Straßendörfer am Lac de Chalain, Ostfrankreich. Chalain 3,VIII: Horgener Kultur; Chalain 3,II: Gruppe „Clairvaux ancien“ (nach PÉTRE- QUIN 1997, 310). 51
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