Große Häuser – kleine Häuser
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oder semipermanente Jagdplätze), ein andermal in die<br />
Zone landwirtschaftlicher Pioniere (Kleinbauern in Kombination<br />
mit Jagd), in einigen Phasen kam es zu einer vollen<br />
Integration in die Ökumene landwirtschaftlicher Siedlungen<br />
gemischter Subsistenz. Klimaschwankungen und<br />
Seespiegelschwankungen sind Faktoren, aber sicher nicht<br />
die einzigen Faktoren in diesem Geschehen. Da wir über<br />
das Mineralbodenneolithikum Oberschwabens, von den<br />
frühneolithischen Siedlungen auf der Südabdachung der<br />
Schwäbischen Alb bei Ulm einmal abgesehen, so gut wie<br />
nichts wissen, bleiben solche Vorstellungen vorläufig nicht<br />
mehr als ein Modell.<br />
Auch mit den in diesem Band vorgelegten naturwissenschaftlichen<br />
Beiträgen, die die Faktenkenntnis und Fragestellung<br />
wesentlich voranbringen, bleibt das Informationsgerüst<br />
noch immer fragil und unausgewogen. Es fehlt an<br />
weiteren Analysen, vor allem auch an detailliert ergrabenen,<br />
mit ihren Siedlungsabfällen interpretierbaren Kleinund<br />
Großhäusern. Der Abschluß und die Auswertung der<br />
Siedlung Torwiesen II und die geplante Fortsetzung der<br />
Sondagen im nördlichen Federseeried werden hier neue<br />
Quellen erschließen. Vor allem aber sollte es gelingen, weitere<br />
Siedlungen des Endneolithikums dendrochronologisch<br />
präzise zu datieren. Dies ist durch das Ausbleiben<br />
von Eichen im Bauholz bislang nicht möglich gewesen,<br />
wird sich jedoch durch Heterokonnektion anderer Holzarten<br />
in Zukunft erreichen lassen. Der vorliegende Band dokumentiert<br />
somit eine Etappe in der Erforschung des neolithischen<br />
Siedlungsgefüges und lässt noch immer viele<br />
Fragen offen.<br />
In der zweiten Hälfte des 4. Jts. v. Chr. kam es zu tiefgreifenden<br />
wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen. Im<br />
südwestdeutsch-schweizerischen Alpenvorland äußern<br />
Abb. 55 Chronologische Abfolge von<br />
Kulturgruppen und Siedlungsplänen in<br />
Oberschwaben. Die in Oberschwaben<br />
verfügbaren dendrochronologischen<br />
Eckdaten für die Kulturgruppen sind<br />
eingetragen, 14 C-datierte Siedelphasen<br />
schraffiert. Verwendete Rahmenterminologie<br />
(Jungneolithikum/Endneolithikum)<br />
nach J. DRIEHAUS und R. A. MAIER).<br />
sich diese u. a. in einem Wandel des Getreide- und Unkrautspektrums,<br />
in einer Steigerung der Textilfaserproduktion,<br />
in einer Vermehrung des Hausschweinbestandes<br />
und im systematischen Einsatz tierischer Arbeitskraft. Es<br />
ist aufgrund verschiedener Indizien zu vermuten, dass es in<br />
dieser Zeit zu einem systematischen Einsatz des Hakenpfluges<br />
kam (KÖNINGER/KOLB/SCHLICHTHERLE 2001,<br />
649 f.). Zudem ändern sich die Erntemethoden (SCHLICHT-<br />
HERLE 2004c). Für eine Veränderung der Sozialstrukturen<br />
spricht das Aufkommen von Kollektivgräbern und der<br />
Wandel der Siedlungsstrukturen. Die Siedlungen am Federsee<br />
haben an diesen Umstrukturierungen Teil, wie der<br />
vorliegende Band erstmals eingehender darlegen kann.<br />
Wieweit es sich dabei um einen fernen Reflex der Entstehung<br />
erster Hochkultur im Nahen Osten handelt (im Sinne<br />
der „Secondary Products Revolution“ von Sherratt)<br />
und wieweit hier endogene Prozesse (im Sinne einer divergenten<br />
Kulturentwicklung) wirksam waren, bleibt als generelle<br />
Forschungsfrage weiteren Studien vorbehalten.<br />
Letzlich dürfte es wenig fruchtbar sein, Diffusion und Divergenz<br />
als sich ausschließende Mechanismen der Geschichte<br />
zu betrachten, wie dies in der jüngeren Fachdiskussion<br />
polarisiert wurde (VOSTEEN 1996a; ders. 1996b;<br />
1999; SHERRATT 1996; ders. 2003). Vielmehr geht es darum,<br />
das Ineinanderwirken von regionalen Entwicklungen<br />
mit den innovativen Effekten von Fernbeziehungen als<br />
komplexen Prozess zu begreifen. Die endneolithischen<br />
Siedlungen am Federsee mit ihrer vorzüglichen Quellenlage<br />
und in ihrer verkehrsgeographischen Position zwischen<br />
Donauraum und westlichem Alpenvorland, bieten zur<br />
Untersuchung der Transformationsprozesse im 4. und 3.<br />
Jts. v. Chr. ein geeignetes Forschungsfeld, das die vorliegenden<br />
Untersuchungen erstmals mit einer breiteren Datenbasis<br />
versehen.<br />
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