D E U T S C H E R F IL M P R E IS 2 0 11 - Deutsche Filmakademie
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BOXHAGENER PLATZ<br />
Wenn man einen Berlin-Film<br />
dreht, kann<br />
man mit Meret Becker<br />
(Beste darstellerische<br />
Leistung – weibliche<br />
Nebenrolle) im Schauspiel-Ensembledefinitiv<br />
nichts falsch machen.<br />
Im Gegenteil. In<br />
Bremen geboren, aber<br />
in Berlin aufgewachsen,<br />
lebt und atmet<br />
sie diese Stadt. Wenn<br />
Meret Becker aufspielt,<br />
dann haben Herz und Schnauze noch eine direkte<br />
Verbindung.<br />
In Matti Geschonnecks neuem Film BOXHA-<br />
GENER PLATZ hört und sieht man das Ost-<br />
Berlin von 1968 – und man glaubt es regelrecht<br />
zu riechen. Meret Becker spielt eine dauergewellte<br />
und auftoupierte Friseuse (wie es damals<br />
als gängige Berufsbezeichnung noch hieß),<br />
verheiratet mit einem Polizisten, dem Abschnittsbevollmächtigten<br />
(Jürgen Vogel), und<br />
die Mutter eines 12-jährigen Jungen (Samuel<br />
Schneider). Sie heißt Renate, wie viele in dieser<br />
Zeit – möchte aber gerne ein bisschen anders<br />
sein als die anderen. Während draußen auf der<br />
Straße linientreue DDR-Bürger ihre Fahnen<br />
schwenken und dem Staatsoberhaupt Walter<br />
Ulbricht zujubeln, revoltiert Renate auf ihre<br />
Art, indem sie zuhause bleibt, das Radio und<br />
West-Fernsehen gleichzeitig aufdreht und sich<br />
Berichte von den Studentenprotesten auf dem<br />
Ku´Damm anschaut. Als ihr Gatte nach Hause<br />
kommt, macht er den Fernseher sofort leiser<br />
und sagt zu ihr: „Musst du immer so extrem sein,<br />
kannst du nicht mal ´nen vernünftigen Mittelweg<br />
finden.“ Genau das kann sie nicht. Eigentlich<br />
würde Renate am liebsten rüber machen,<br />
aber nie würde sie ihren Sohn hier zurücklassen.<br />
Und ihre Mutter (Gudrun Ritter) eigentlich auch<br />
nicht. Also macht sie das Beste draus: Wenn ihr<br />
die Decke auf den Kopf fällt und ihr Mann nervt,<br />
dann zieht sie sich was Schönes an und geht gegen<br />
den Strich tanzen. Manchmal trifft sie auch<br />
ihre Mutter auf ein Eierlikörchen, um sich von<br />
ihren neuen männlichen Eroberungen erzählen<br />
zu lassen. Dabei scheint sie sie zu beneiden und<br />
fragt sich, wie sie es macht, dass ihr die Männer<br />
immer früh genug wegsterben, während sie sich<br />
immer noch mit Demselben herumplagen muss.<br />
Meret Becker spielt diese Renate voller Hingabe<br />
aufbrausend, nölig, punkig, clownesk. Sie wirkt<br />
wie die, nein sie ist die Bohèmienne des Ostens.<br />
Beste weibliche<br />
Nebenrolle –<br />
MERET BECKER<br />
– KOMM NÄHER (2006)<br />
– POEM (2003)<br />
– PÜNKTCHEN UND<br />
ANTON (1999)<br />
– COMEDIAN<br />
HARMON<strong>IS</strong>TS (1997)<br />
Foto: © Volker Roloff - Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion<br />
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