Jahresbericht der Arbeitsschutzbehörden des Freistaats ... - Europa
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platte für Asbest“ angepriesen und die Vorteile (Elastizität,<br />
Langlebigkeit, günstiger Preis) gelobt; auch<br />
unter dem Hinweis, dass sich das Produkt bei verschiedenen<br />
Anwen<strong>der</strong>n bestens bewährt habe.<br />
Der Auftraggeber ließ sich von diesen Argumenten<br />
überzeugen und kaufte für zwei Hallen mit einer<br />
Dachfläche von jeweils 1500 m² die „Sanierungsplatten“<br />
und gab <strong>der</strong> spezialisierten Firma den Auftrag<br />
zur Überdeckung.<br />
Kurioserweise war ursprünglich die ordnungsgemäße<br />
Sanierung <strong>der</strong> maroden Asbestzementdächer<br />
geplant. Aber durch die ausgesprochen günstige<br />
Darstellung <strong>der</strong> Vorteile, die Berücksichtigung wirtschaftlicher<br />
Aspekte und inzwischen eingetretenen<br />
Zeitdruck, wurden doch die Hallen zur bevorstehenden<br />
Ernte gebraucht, fiel die Entscheidung zu Gunsten<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Variante aus.<br />
Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Kontrolle war eine Halle bis auf<br />
fünf Platten bereits überdeckt. Die Fertigstellung<br />
dieser Halle wurde toleriert, zumal persönliche<br />
Schutzausrüstung zur Verfügung stand und auch<br />
verwendet wurde.<br />
Die Fortführung <strong>der</strong> Arbeiten an <strong>der</strong> zweiten Halle<br />
wurden untersagt. Dies hatte zahlreiche Anrufe zur<br />
Folge, bei denen sich kundig machen wollten:<br />
• <strong>der</strong> Dachdeckermeister, weil er gegen bestehende<br />
Rechtsvorschriften verstoßen hatte,<br />
• <strong>der</strong> Auftraggeber, weil er die Platten käuflich<br />
erworben hatte, diese nicht weiter verbauen las-<br />
- 39 -<br />
1.5.4 Havarie an einer Ammoniak-Kälteanlage<br />
Frau K. Küßner<br />
AfAS Gera<br />
Im Kühlregallager eines Lebensmittelbetriebes<br />
wurde an einem Samstag Ammoniakgeruch wahrgenommen.<br />
Daraufhin beauftragte <strong>der</strong> Geschäftsführer den<br />
später verunfallten Betriebsschlosser, am Sonntag<br />
(Ostersonntag) vormittags vor Ort zu erscheinen, um<br />
für Reparaturarbeiten zur Verfügung zu stehen. Der<br />
Geschäftsführer setzte sich weiterhin telefonisch mit<br />
<strong>der</strong> Errichterfirma <strong>der</strong> Kälteanlage in Verbindung, die<br />
zu diesem Zeitpunkt noch Betreiber war.<br />
Die Errichterfirma vereinbarte mit dem Schlosser,<br />
dass die Reparatur entsprechend ihren gegebenen<br />
Erläuterungen und Weisungen durchzuführen sei,<br />
da am Feiertag kein Service-Monteur verfügbar war.<br />
Er erteilte ihm mündlich den entsprechenden Arbeitsauftrag<br />
für die Reparatur.<br />
Die Reparatur begann mit dem Schließen <strong>des</strong> Ventils<br />
<strong>der</strong> Vorlaufleitung nach <strong>der</strong> Kältemittelpumpe im<br />
Maschinenraum und <strong>des</strong> Ventils vor dem undichten<br />
Magnetventil <strong>des</strong> Abzweiges zum Kühlregallager.<br />
sen durfte, eigentlich eine ordnungsgemäße<br />
Dachreparatur geplant hatte, nun Schadensersatzansprüche<br />
geltend machen wollte und die<br />
Argumente nachvollziehen wollte, die rechtlich<br />
die Fortführung <strong>der</strong> Arbeiten untersagten,<br />
• <strong>der</strong> Plattenvertreiber, weil er dem Betrieb helfen<br />
wollte, die von ihm erworbenen Platten noch verarbeiten<br />
zu lassen, um damit Regressanfor<strong>der</strong>ungen<br />
abzuwehren. Außerdem war er von <strong>der</strong><br />
Qualität <strong>der</strong> Überbauplatten überzeugt und auch<br />
davon, dass diese großflächig sowohl in Thüringen<br />
als auch in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n zur Sanierung<br />
von Asbest eingesetzt wurden.<br />
Durch das AfAS wurde auf die bestehende Rechtslage<br />
bei Arbeiten in Zusammenhang mit Asbest<br />
sowie die Pflicht zur Anzeige verwiesen und darauf,<br />
dass gegen die Sanierung in <strong>der</strong> beabsichtigten<br />
Weise vor Beginn <strong>der</strong> Arbeiten interveniert worden<br />
wäre.<br />
Die Arbeiten sind nicht fortgeführt worden: Dem<br />
Dachdecker war angekündigt, dass ihm bei Weiterführung<br />
im Wissen um die Rechtswidrigkeit Vorsatz<br />
unterstellt werden würde und dabei ein höheres<br />
Bußgeld festzusetzen wäre. Der Auftraggeber<br />
konnte seine Platten an den Vertreiber zurückgeben.<br />
Gegen den Dachdecker wurde ein Bußgeld erlassen.<br />
Dann demontierte er das Magnetventil. Dabei trug er<br />
die erfor<strong>der</strong>liche Atemschutzmaske.<br />
In <strong>der</strong> Werkstatt wechselte er die Dichtung. Anschließend<br />
baute er das Ventil wie<strong>der</strong> ein. Dabei<br />
trug er keine Körperschutzmittel mehr. Um an die<br />
Einbaustelle <strong>des</strong> Magnetventils zu gelangen, kletterte<br />
<strong>der</strong> Schlosser auf einen Palettenstapel von ca.<br />
3 m Höhe. Er prüfte noch einmal den festen Sitz <strong>der</strong><br />
Schrauben und wollte einem weiteren Schlosser<br />
zurufen, dass <strong>der</strong> Magnetschalter bedient werden<br />
könne. Durch einen plötzlichen Ammoniakaustritt<br />
kam es nicht mehr dazu.<br />
Der Schlosser war sofort im ungeschützten Kopfbereich<br />
von einer Ammoniakwolke umhüllt. Er wollte<br />
zur Seite weichen und stürzte nach unten ab. Dabei<br />
zog er sich neben Verätzungen <strong>des</strong> Gesichtes,<br />
speziell <strong>der</strong> Augen, mehrere schwere Frakturen zu.<br />
Vom AfAS Gera wurden bei <strong>der</strong> sofort eingeleiteten<br />
gemeinsamen Unfalluntersuchung mit <strong>der</strong> KPI<br />
Saalfeld und dem TÜV Thüringen e. V. wesentliche,<br />
offensichtliche Mängel in <strong>der</strong> Anlage festgestellt.<br />
<strong>Jahresbericht</strong> Arbeitsschutz Freistaat Thüringen 2000