SchlossMagazin Fuenfseenland Mai 2016
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| kunst + kultur | 35<br />
(o.) Direktor Dr. Karl Borromäus Murr ein einem Rennwagen aus Carbon, entwickelt von<br />
Formula Student, TU München; (li.) Kunst im tim: Tanzperformance Pendulum mit Videoprojektion;<br />
(u. li.) die „Grazien“; (u. re.) Kunst im tim: „Wühltisch“ von Felix Weinold<br />
seitige Museumspädagogik genutzt wird. Ein „entscheidender Faktor“, betont<br />
Karl-Borromäus Murr, um junges Publikum für Museen zu erobern: Acht verschiedene<br />
Führungen für Kinder; ein eigenentwickeltes Angebot für Kindergärten<br />
mit Modulen, die mittlerweile bundesweit übernommen worden sind; ein<br />
spezieller Multimedia-Guide, den Kinder für Kinder entworfen haben und der<br />
vor allem auch auf die Sprachförderung von Kindern aus Migrantenfamilien<br />
zielt. Solche Instrumente seien machbar, weil jeder im 15-köpfigen Museumsteam<br />
„über seinen Tellerrand hinausschaut“, so Murr. Die Museumspädagogik ist<br />
denn auch bereits bei der Ausstellungskonzeptionierung einbezogen. „Das kann<br />
sogar Räume verändern“, beschreibt der Museumsleiter ihr Gewicht. Deshalb ist<br />
der Job mit einer studierten Kunstpädagogin besetzt, die auch als Illustratorin<br />
tätig ist. Drei Wissenschaftler, studentische Mitarbeiter und ein tim-spezifischer<br />
Förderkreis mit vielen ehrenamtlichen Helfern sind auf Murrs Leitlinie<br />
eingeschworen, „sich immer wieder von der Gesellschaft herausfordern zu lassen,<br />
das Museum als einen Ort der Debatte zu dimensionieren“. Was der Museumswissenschaftler<br />
formuliert, übersetzt das tim in eine Ausstellungspraxis<br />
anhand emotionaler, sinnlicher Objekte, die Spaß am Museum machen und zum<br />
Nachdenken anregen. Karl-Borromäus Murr selbst setzt die Messlatte hoch.<br />
Sein Anspruch: Ständig up-to-date sein zum Stand der internationalen Museumsentwicklung.<br />
Folgerichtig engagiert er sich seit Jahren in der European Museum<br />
Academy EMA, im Vorstand wie auch als Chairman ihres Juroren-Komitees.<br />
In diesem „hochwichtigen Netzwerk“ könne er internationale Museen begutachten<br />
und „lerne selbst genauso viel“ – Ertrag für das eigene Haus. Kein Wunder,<br />
dass das tim auf diese Weise zu einem internationalen Referenzobjekt moderner<br />
Museen geworden ist. #<br />
Mit-Macher<br />
„Partizipation“ heißt das Zauberwort, mit dem<br />
moderne Museen mehr Menschen als bisher ansprechen<br />
und zu Mit-Akteuren machen – dann<br />
können Besucherrekorde gebrochen und das<br />
Renommee gesteigert werden. Das tim exerziert<br />
dieses Konzept gerade beispielhaft durch,<br />
berichtet sein Direktor Karl-Borromäus Murr<br />
und gibt einen Einblick in die Entstehung einer<br />
zukünftigen Ausstellung. Ihr Arbeitstitel: „Arbeitsmigration<br />
aus der Türkei nach Augsburg“.<br />
Tausende türkischer Gastarbeiter arbeiteten<br />
seit den 1970er Jahren in den Fabriken der<br />
deutschen Textilmetropole Augsburg – Jobs<br />
unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen.<br />
Im tim laufen die Planungen für die 2018 geplante<br />
große Ausstellung bereits auf Touren.<br />
Früher, so Museumschef Murr, hätte man das<br />
Thema aus der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft<br />
dargestellt. Der grundlegende Ansatz<br />
heute: „Wir wollen nicht über sie, sondern<br />
mit ihnen sprechen.“ Die Gastarbeiter werden<br />
sogar kuratorisch, also gestaltend, einbezogen.<br />
Dazu suchte die Museumsmacher den Kontakt<br />
zur türkischen Gemeinde und veranstaltete<br />
Workshops mit Gruppierungen bis hin zu Moscheevereinen.<br />
Das Ziel: Herausfinden, was für<br />
die Zuwanderer und ihre Nachfahren von Interesse<br />
ist. Murr deutet damit ein weiteres wichtiges<br />
Motiv der Museumsexperten an, „die soziale<br />
Idee, Identität zu stärken“. In vielen<br />
langen Filminterviews trat zutage, wie heterogen<br />
und fragmentiert diese Gesellschaft ist.<br />
Allemal brauche ein Museum materielle Erinnerungen.<br />
Allerdings gebe es gar nicht so viele<br />
Souvenirs der Zuwanderer, kamen sie doch<br />
meist nur mit einem Koffer aus ihrer Heimat<br />
und nahmen ihnen wichtige Stücke oft wieder<br />
mit zurück. Außerdem sucht Murr zu vermeiden,<br />
mit Klischees wie der Wollmütze oder der<br />
Gebetskette in der Ausstellung einer „Reethnisierung<br />
der Gesellschaft“ Vorschub zu leisten.<br />
Folglich werde „die Geschichte von der Gegenwart<br />
in die Vergangenheit zurück erzählt“,<br />
fasst er das Konzept zusammen. Damit trotz<br />
aller aktueller Verwerfungen (Stichwort<br />
Flüchtlingskrise) erkennbar wird, dass viel Integration<br />
gelungen ist, aber doch noch vieles<br />
geschehen muss. Auch im Museum, wo Integration<br />
hierzulande bislang kaum vorkommt. Beispiel<br />
Augsburg: Die fast 40 Prozent Menschen<br />
mit Migrationshintergrund erhalten damit zum<br />
ersten Mal einen musealen Ort und das tim<br />
eine neue Facette seiner Marke.