Demenzerkrankungen - Österreichische Gesellschaft für Neurologie
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GESELLSCHAFTS-<br />
NACHRICHTEN<br />
SCHWERPUNKT<br />
Zum Schwerpunkt <strong>Demenzerkrankungen</strong><br />
Verehrte Leserin, verehrter Leser<br />
Die Wirkung der derzeit verfügbaren Antidementiva ist moderat, und neue, vor allem kausal wirksame<br />
Substanzen werden dringlich benötigt. Die Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten hat in den vergangenen<br />
Jahren durch den raschen Erkenntniszuwachs in der Neurobiologie demenzieller Prozesse erhebliche Fortschritte<br />
gemacht.<br />
Alzheimer-Erkrankung: Peter Dal-Bianco<br />
beschreibt in diesem Heft in einer Synopsis<br />
zur evidenzbasierten Alzheimer-Behandlung<br />
und zu laufenden Entwicklungen den derzeitigen<br />
Stand der Therapie und weist auf die<br />
Bemühungen hin, den Krankheitsverlauf der<br />
Alzheimer-Demenz zu modifizieren.<br />
Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen,<br />
dass bereits moderat wirkende Substanzen,<br />
die eine Verzögerung des Krankheitsbeginns<br />
um 5 Jahre erreichen können, die Gesamtprävalenz<br />
der erkrankten Personen in den<br />
nächsten Jahrzehnten um ca. 50 % reduzieren<br />
würden. Die Suche nach „Disease-modifying<br />
Drugs“ ist also auch dann lohnend,<br />
wenn solche Substanzen nur moderate Effekte<br />
haben.<br />
Die spannendste Frage wird sein, ob Therapieansätze,<br />
die auf der Amyloid-Hypothese<br />
beruhen, auch tatsächlich zum Erfolg führen.<br />
Letztlich stellen die laufenden Therapieentwicklungsprogramme<br />
auch die Nagelprobe<br />
<strong>für</strong> diese Hypothese dar. Eine ganze Reihe<br />
dieser Programme treten nun in die Studienphase<br />
III, d. h. wir werden relativ bald wissen,<br />
ob die pharmazeutische Industrie auf<br />
das richtige Pferd gesetzt hat oder nicht.<br />
Lesen Sie zu diesem Thema auch einen Kurzbericht<br />
von Dr. Windisch zu den positiven<br />
Phase-II-Ergebnissen zu Metallchelatoren auf<br />
Seite 71.<br />
Seltenere Demenzformen: Die Beiträge<br />
der Autoren Benke, Spatt, Ransmayr,<br />
Leblhuber und Topakian befassen sich mit<br />
selteneren Demenzformen: Sonderformen<br />
der Alzheimer-Demenz, wie die früh einsetzende<br />
Demenz vom Alzheimer-Typ und Demenzen<br />
mit ungewöhnlichen klinischen Defiziten,<br />
die immer noch zu wenig beachtet<br />
werden. Alzheimer-Demenzen mit ungewöhnlichen<br />
neuropsychologischen Defiziten<br />
10<br />
NEUROLOGIE IN<br />
ÖSTERREICH<br />
werden praktisch in jeder neurologischen<br />
Praxis vorstellig.<br />
Benke lenkt in seinem Artikel Ihr Augenmerk<br />
auf die posteriore kortikale Atrophie. Denken<br />
Sie daran, wenn PatientInnen mit kognitivem<br />
Abbau einen Verlust komplexer Sehleistungen<br />
und Parietallappensyndrome aufweisen!<br />
Spatt präsentiert eine konzise Übersicht zur<br />
frontotemporalen Degeneration, die immer<br />
noch häufig zu spät diagnostizierte Form der<br />
Demenz mit variablem Phänotyp. Cholinesterasehemmer<br />
sind bei dieser Demenzform auf-<br />
KONGRESS-<br />
HIGHLIGHTS<br />
FÜR DIE PRAXIS<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Reinhold Schmidt<br />
Neurologische<br />
Universitätsklinik,<br />
Medizinische Universität<br />
Graz<br />
grund des Fehlens eines cholinergen Defizits<br />
fehl am Platz, einige kleine Studien zu Memantin<br />
versprechen mehr, aber es handelt<br />
sich wohl bloß um positive Signale, ohne<br />
dass ein Wirksamkeitsnachweis erbracht ist.<br />
Tab.: Klinischer Erhebungsbogen zur Differentialdiagnose DLB/Alzheimer-<br />
Demenz (Anamneseergänzung <strong>für</strong> die Patientendatei, nicht validiert)<br />
Patientenetikette Datum:<br />
Beim aktuell Untersuchten<br />
Kern- und Stützsymptome der DLB Klinische Merkmale vorhanden nicht vorhanden<br />
der DLB<br />
Schwankungen in Kognition ja<br />
und Wachheit<br />
Wiederholt visuelle Halluzinationen ja<br />
ab Demenzfrühstadium (konkret,<br />
z. B.: Personen, Tiere, Gegenstände)<br />
Parkinsonsymptomatik *Parkinson- und<br />
(selten Tremor) Demenzbeginn<br />
innerhalb eines Jahres<br />
REM-Schlaf-Störung ja<br />
Schwere Neuroleptikasensitivität ja<br />
Visuell-räumliches Defizit ja<br />
ab Demenzfrühstadium<br />
Verminderte striatale Dopamintrans- ja<br />
porteraufnahme in SPECT/PET-Imaging<br />
Die Zeitgrenze mit einem Jahr, innerhalb dessen Demenz auftreten muss, um die klinischen Kriterien<br />
<strong>für</strong> DLB nach McKeith zu erfüllen, entspringt dem Bestreben, möglichst nur PatientInnen mit DLB zu<br />
erfassen, etwa <strong>für</strong> Studien. In der Praxis schließt ein Auftreten der kognitiven Symptomatik mit etwas<br />
längerem zeitlichen Abstand nach Beginn der Parkinsonsymptome, bei ansonsten typischer Symptomatik,<br />
das Vorliegen einer DLB nicht sicher aus.<br />
Auswertung:<br />
DLB wahrscheinlich: 2 Kernsymptome (rot) oder 1 Kern + 1 Stützsymptom (blau)<br />
DLB möglich: nur 1 Kernsymptom oder nur 1 Stützsymptom