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Der Burgbote 2000 (Jahrgang 80)

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Reisen im<br />

Reich der Mitte<br />

Die Volksrepublik China ist mit ihrer<br />

Fläche von 9,6 Millionen Quadratkilome<br />

tern nicht nur der drittgrößte Staat der<br />

Erde, sie ist vor allem ein Land voller<br />

Extreme. Dieses bevölkerungsreichste<br />

Land der Welt, in dem heute ca. 1,3 Mil<br />

liarden Menschen leben, besteht zu etwa<br />

zwei Drittel aus Landschaften, in denen<br />

nur sehr wenige Menschen leben kön<br />

nen, so dass letztlich die durchschnittli<br />

che Bevölkerungsdichte Chinas (135 Ein<br />

wohner pro Quadratkilometer) nur halb<br />

so groß ist wie die Deutschlands (260<br />

Einwohner pro Quadratkilometer).<br />

Für Europäer weit im sogenannten<br />

»Fernen Osten« irgendwie im Abseits<br />

gelegen, nimmt China auf einer den<br />

gesamten eurasischen Kontinent als<br />

Schwerpunkt nehmender Karte viel eher<br />

als »Reich der Mitte«, wie der chinesische<br />

Name »Zhongguo« übersetzt lautet,<br />

eine zentrale Stellung ein.<br />

Dies wird seiner zentralen Lage auch<br />

besser gerecht, ist doch die größte<br />

Entfernung innerhalb des Landes (vom<br />

äußersten Westen bei Kaschgar sind es<br />

rund 6000 km bis zur Nordostgrenze am<br />

Zusammenfluss von Amur und Ussuri)<br />

etwas weiter als die Luftlinie von Chinas<br />

Westgrenze nach Wien oder die Strecke<br />

von Hongkong bis zur Nordküste<br />

Australiens.<br />

Die Dimensionen in einem solchen<br />

Land sind kaum vorstellbar, wenn man<br />

sie nicht selbst erlebt hat. Ganz Europa<br />

ließe sich in den Raum der VR China hin<br />

einpacken, ohne jedoch die Möglichkei<br />

ten auszuschöpfen.<br />

Da finden sich im tiefsten Innern des<br />

Landes, in der zentralasiatischen autono<br />

men Region Xinjiang, die Turfansenke<br />

150 m unter dem Meeresspiegel und<br />

1500 km weiter südlich der höchste Berg<br />

der Welt (Mt. Everest, 8848 m) am<br />

Südrand des größten und extremsten<br />

Hochlandes: Tibet.<br />

In mit unseren Breitengraden ver<br />

gleichbaren Gebieten der Manschurei<br />

herrschen im Winter 40 bis 50 Minusgra<br />

de, während das in Südwestchina gele<br />

gene Hochland von Yunnan sich eines<br />

»ewigen Frühlings« erfreut. Und die Tro<br />

penwälder der Insel Hainan im südchine<br />

sischen Meer, die an Sibirien erinnernden<br />

mandschurischen Wälder, das Grasland<br />

Tibets und der Mongolei kontrastieren<br />

ebenso mit den Wüstenlandschaften der<br />

Gobi und des Tarimbeckens, wie es die<br />

Gartenbaukulturen im Umland der<br />

großen Städte und die Reisbauland<br />

schaften Südchinas tun.<br />

Ein gutes Drittel Chinas wird von<br />

Gebirgslandschaften beherrscht, die es<br />

nach fast allen Richtungen auf dem Land<br />

als unüberwindliche Wälle gegen die<br />

Nachbarländer abschirmen. Wo es diese<br />

natürlichen Barrieren nicht besaß, näm<br />

lich im Norden, hatten sich seine Men<br />

schen jenes Monument geschaffen, wel<br />

ches weltweit bekannt und vom Mond<br />

aus sichtbar sein soll, die Große, »zehn<br />

tausend Li lange« Mauer.<br />

Dass dieses Land der wunderschönen<br />

Baudenkmäler und der landwirtschaftlich<br />

intensiv genutzten Böden auch noch ein<br />

zigartige Naturlandschaften aufzuweisen<br />

hat, scheint unvorstellbar zu sein.<br />

Das liegt sehr wahrscheinlich am<br />

gespannten Verhältnis des chinesischen<br />

Menschen zur Natur, die für ihn etwas<br />

gleichsam Faszinierendes als auch<br />

Bedrohliches darstellt. Erst allmählich<br />

wächst auch dort, in dem für uns so<br />

fremden Land, mit der Sehnsucht nach<br />

der Natur auch das Verständnis für die<br />

Nätur.<br />

Jürgen E. Roth

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