Verbesserung des öffenlichen Personennahverkehrs für ... - Mobia
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2. Das ÖPNV-Angebot <strong>für</strong> mobilitätseingeschränkte Personengruppen<br />
REINERT sieht die traditionelle politische Beteiligung ungleich verteilt: Stark vertreten sind »Hochausgebildete,<br />
Angehörige höherer beruflicher Positionen, Männer in mittleren Jahrgängen und der öffentliche Dienst«,<br />
während »ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Jugendliche, Frauen, ältere Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer sowie untere Einkommensschichten« schwach vertreten sind (REINERT 2000:155). Parallelen<br />
finden sich in der Besetzung politischer Gremien und Parteien. Mobilitätsbeeinträchtigte Personen werden möglicherweise<br />
nicht entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung im regionalen Nahverkehrsraum beteiligt.<br />
HUBER sieht in Bezug auf Beteiligung folgende Defizite klassischer Planungsprozesse:<br />
• »einen Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Daseinsvorsorge in der Planung <strong>des</strong> Nahverkehrs,<br />
• „fehlende Verfahren, Mechanismen und Werkzeuge zur Erzeugung echter Lösungsalternativen und<br />
-varianten im Planungsprozess“,<br />
• der Verwaltung fehlen eigene „Kommunikationsstrukturen“, Personaleinsparungen führen zu immer<br />
weniger „zeitlichen und geistigen Freiräumen <strong>für</strong> inhaltliche, kreative, kooperative und eigenverantwortliche<br />
Tätigkeit“,<br />
• Planer kennen die „wirklichen Bedürfnisse und Interessen von betroffenen Bürgern“ nicht,<br />
• Planern fehlen Kenntnisse partizipativer Verfahren sowie Präsentations- und Vermittlungstechniken,<br />
• die verantwortlichen Parteien mischen sich zu wenig ein« (HUBER in: DVWG 2000:21 f.).<br />
Zur Lösung der Defizite werden unterschiedliche Beteiligungsverfahren vorgestellt, z. B. Bürgerentscheid,<br />
Bürgergutachten/Planungszelle, Mediation, Verkehrsforen oder Werkstattverfahren. Diese werden in Kapitel<br />
3 und 5 hinsichtlich der Beteiligungsmöglichkeiten <strong>für</strong> mobilitätseingeschränkte Personengruppen betrachtet.<br />
Der Gleichberechtigungsansatz könnte den institutionellen Rahmen <strong>für</strong> die Beteiligung mobilitätseingeschränkter<br />
Personengruppen im Planungsprozess der Nahverkehrsplanung bilden.<br />
Bestimmte Gruppen sind mehrfach benachteiligt: Ein Personenverkehr, der vor allem auf den motorisierten<br />
Individualverkehr setzt, benachteiligt indirekt ältere und jüngere Menschen, Frauen sowie Nicht- oder Teilzeiterwerbstätige,<br />
deren Verkehrsteilnahme – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – weniger autoorientiert<br />
ist. Gerade aber die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten sind durch die negativen Folgewirkungen<br />
<strong>des</strong> Verkehrs stärker betroffen, weil sie sich ihnen weniger entziehen können und sie weniger Einfluss<br />
auf Entscheidungen haben. KLEMM (1996:207) sieht daher in der Internalisierung der Verkehrskosten<br />
bzw. in der Einführung <strong>des</strong> Verursacherprinzips eine Bedingung <strong>für</strong> größere soziale Gerechtigkeit.<br />
Die Rahmenbedingungen <strong>des</strong> ÖPNV (Demografie, Kürzung der Ausgleichszahlungen, Veränderung/Wegbrechen<br />
der bisher relativ konstanten Nutzergruppen) könnten Argumente <strong>für</strong> eine stärkere Berücksichtigung<br />
der Anforderungen mobilitätseingeschränkter Gruppen sein. Jedoch berücksichtigt die im<br />
Verfahren vorgeschriebene Bürgerbeteiligung, die in der Praxis durch die Beteiligung der Träger öffentlicher<br />
Belange erfolgt, die Interessen mobilitätseingeschränkter Gruppen zu wenig, weil sie:<br />
• von den Betroffenen nicht wahrgenommen wird,<br />
• nur organisierte Interessen beteiligt und<br />
• sozial selektiv bestimmte Personengruppen stärker beteiligt (vgl. REINERT 2000:155).<br />
Für die Empirie ist also zu fragen: Wie steht es um die Beteiligung bei der Nahverkehrsplanung, insbesondere<br />
bei den Nahverkehrsplänen? Warum wurden die seit Langem bestehenden Forderungen nach Beteiligung<br />
nicht verwirklicht? Handelt es sich hier um eine grundsätzliche Zurückhaltung bei Beteiligungsverfahren<br />
(vgl. BRENNER, HERRMANN u. NEHRING 1999).<br />
Der Aspekt der differenzierten Datengrundlage<br />
Bisherige Befragungen zur Nutzung <strong>des</strong> ÖPNV haben überwiegend den Weg <strong>des</strong> erwerbstätigen Menschen<br />
zum Arbeitsplatz oder den Schülerverkehr im Blick und vernachlässigen die mit Reproduktion und Versorgung<br />
verbundene Mobilität (SPITZNER 2002), insbesondere die <strong>für</strong> Frauen so typischen und wichtigen<br />
Wegeketten (STETE 2001, STETE u. KLINKHART 1997) und die Bedürfnisse von anderen in ihrer Mobilität<br />
eingeschränkten Personen (z. B. Senioren, Behinderte). Sie vernachlässigen aber auch andere Bevölkerungsgruppen,<br />
die keine Dauerkartenkunden sind, und ebenso die Bedürfnisse eines teilzeitarbeitenden Vaters,<br />
der die Versorgungsarbeit übernimmt und somit ähnliche Bedürfnisse an den ÖPNV wie eine Frau in<br />
der gleichen Situation hat. Fehlende Daten verhindern sowohl die Entwicklung entsprechender Politik, Programme<br />
und Maßnahmen als auch eine Überprüfung und Weiterentwicklung. Insofern sind differenzierte<br />
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