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achwort und Ausblick<br />
Was wissen wir über die Situation europäischer Frauen? Viel wurde von der neuen Frauenbewegung<br />
zur Erlangung gleicher Rechte von Frauen und Männern erreicht.<br />
Wir sehen aber auch heute noch die Benachteiligung von Frauen in verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Bereichen.<br />
In den Tagebüchern lese ich von den Gedanken meiner Mütter und Vormütter. Ich beginne<br />
mit meiner Ururgoßmutter Maria Luise, geboren 1822, die ein ausgezeichnet gutes<br />
Verhältnis zu ihrer Tochter Clara hatte, diese wieder zu ihrer Tochter Hilde, weiter in tätiger<br />
Liebe zur Tochter Gerda und diese zu ihren Töchtern Renate, Dorothee und mir selbst. Da<br />
werden aber auch manche Konflikte offengelegt, die in der Öffentlichkeit von damals nicht<br />
geklärt wurden.<br />
Doch das „Private ist politisch“, habe ich gelernt, und so frage ich:<br />
Was wollten die Mütter uns sagen?<br />
An einigen Beispielen möchte ich das vorstellen. So beschreibt meine<br />
Großmutter Hilde, dass sie traurig darüber ist, dass ihr in der Politik erfolgreicher<br />
Ehemann sie mit der Erziehung der drei Töchter alleine lässt, weil<br />
er viel auf Reisen ist. Aber sie geht den Weg nach vorn. Sie reist ihm, wenn<br />
er von Tagungen im Reichstag kommt, entgegen, um die Ergebnisse zu<br />
erfahren. Auch sie ist politisch engagiert, kann dieses jedoch nicht selbst<br />
ausüben. <strong>Ein</strong> weiteres Beispiel: Die Bildung der Mädchen in der Höheren<br />
Töchterschule war auf die sogenannten Schönen Künste und etwas Hauswirtschaft<br />
beschränkt. Deshalb sorgt Hilde dafür, dass ihre Töchter einen<br />
Beruf erlernen.<br />
Oder noch weiter zurück: Meine Urgroßmutter Clara heiratet als Witwe<br />
ein zweites Mal. Mutig, weil unüblich.<br />
Meine Ururgoßmutter Maria-Luise kann ich eine „Matriarche“ im weiteren<br />
Sinne nennen, denn sie führt selbständig ein großes Haus, erzieht vier<br />
Kinder und verköstigt die armen umherziehenden Handwerksgesellen,<br />
ähnlich wie es der Reformer Adolph Kolping später tat.<br />
Hier zeigt sich: Wenn Frauen und Männer gleichberechtigt an derselben<br />
Sache arbeiten, kann es Veränderungen zum Guten geben. Das<br />
gute Verhältnis zwischen den Müttern und den Töchtern bringt Früchte.<br />
Die Fertigkeiten, die religiöse <strong>Ein</strong>stellung, die Liebe zu ihren Kindern, das<br />
Streben nach Bildung, das gute <strong>Ein</strong>vernehmen zu ihren Ehemännern und<br />
mütterlichen Verwandten führt dazu, dass auch die Nachgeborenen diese<br />
<strong>Ein</strong>stellung übernehmen und an ihre Kinder weitergeben.<br />
Durch die Erforschung der Genealogie<br />
meiner Familie bin ich<br />
aber auch auf Konflikte innerhalb<br />
der Frauenlinie gestoßen. Die Mutter-Tochter-Beziehung<br />
muss zuerst<br />
gesunden, damit die Heilige Geistin,<br />
die „Heilige Ruach“ kommen<br />
kann. So lernen die Mütter und<br />
Töchter, die in der ehemaligen<br />
DDR mit der dortigen „Scheinemanzipation“<br />
aufgewachsen sind,<br />
erst spät das ganzheitliche emanzipatorische<br />
Konzept von Frauen<br />
kennen, die sich völlig aus alten,<br />
unterdrückerischen Strukturen<br />
befreien. Das ist zumindest meine<br />
persönliche Erfahrung. Ich habe<br />
zwei totalitäre Systeme erleben<br />
müssen, erst den Nationalsozialismus<br />
und dann den real existierenden<br />
Sozialismus/Kommunismus.<br />
Im freien Westen konnte<br />
sich der Feminismus anders<br />
entwickeln. Aber die Genealogie<br />
nach der mütterlichen Herkunft,<br />
und gelebte Spiritualität, so stelle<br />
ich es mir vor, bringen Licht auch<br />
in unsere modernen Lebensbedingungen<br />
und wirken mit der Zeit.