10.08.2018 Aufrufe

M. F. Kirsten-Haas: CLARA CLAN – Ein virtuelles Matriarchat

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

38<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-3400<br />

das Geld längst bezahlt ist. Ihr aber haben wohl die<br />

Worte des Nachsatzes am meisten imponiert und<br />

wörtlich richtet sie aus: „Meine Muttel hat gesagt,<br />

sie hätte es längst bezahlt, da soll doch die... usw.“<br />

Heut’ natürlich bin ich Frl. Jakob dankbar, dass sie<br />

die Angelegenheit so freundlich verschleiert hat.<br />

Gerdha aber, die sich in ihrem Recht gekränkt fühlte,<br />

erhob deshalb damals ihr fürchterliches Gebrüll,<br />

sah sie doch keinen Grund dafür ein, für mich zu<br />

leiden und in einem Zimmer eingesperrt zu werden.<br />

Um so heldenhafter war’s, dass sie mir damals den<br />

wirklichen Grund verheimlichte. [...] Mit ihren Freundinnen<br />

ist Gerdha nicht intim, ist auch in ihrem<br />

Wesen, sobald sie Gäste hat, unnatürlich. Sie hält<br />

sich stets zu mir und ist wenig selbständig.<br />

Puppenspiel bereitet auf die Mutterrolle vor.<br />

Die Puppen werden aber leidenschaftlich geliebt,<br />

gepäppelt und bemuttert. Jeden Abend werden<br />

sie alle ausgezogen ins Puppenbettchen (es hat<br />

zum Glück eine Länge von einem Meter und die<br />

entsprechende Breite) gelegt und jeder ein Kuss<br />

aufgedrückt. Sind die Püppchen noch nicht im Bett,<br />

so kann auch Klein Gerdha unmöglich schlafen<br />

gehen. Oft wurde Großmutter in Warmbrunn besucht.<br />

Viel frohe Ferien wurden bei ihr verlebt. Der<br />

Sommer wie der Winter brachten dort ihre Freuden.<br />

Jahre ist’s her, da flog mal ein Storch über Großels<br />

Dach. Gerdha sieht ihm sehr interessiert nach und<br />

meint dann ruhig: „Da wird wohl die Großel ein Kind<br />

bekommen.“ Gerdha macht weiter ihre Sache in<br />

der Schule, immer die goldene Mittelstraße. Hat sie<br />

Arbeiten zurückbekommen, so hält sie das nicht für<br />

nötig, mir zu vermelden. Darüber von mir zur Rede<br />

gestellt, meint sie seelenruhig: „Wenn ich dir nun<br />

heut’ gesagt hätte, dass ich eine sehr gute Arbeit<br />

zurückbekommen habe, dann müsste ich es dir ja<br />

auch melden, wenn ich andermal eine Schlechte<br />

zurückbringe.“<br />

Mit dem Kind wird gebetet. Spiritualität ist eine<br />

Grundlage im <strong>Matriarchat</strong>.<br />

Als kleines Mädchen hat sie mich mal gefragt, ob<br />

der liebe Gott Joseph heiße. Auf meine überraschte<br />

Anfrage, wie sie darauf käme, erklärte sie das sehr<br />

einfach: „Der liebe Gott muss doch Joseph heißen,<br />

denn er ist doch der Vater vom Jesuskindel und<br />

der hieß Joseph.“ Im Gebet: „Gott, mein Gott kann<br />

vor Gefahren ...“ usw. verdreht sie die Stelle, ohne<br />

dass ich’s merke, in: „Gott, mein Gott kam vorgefahren“,<br />

bis ich durch ihre Anfrage: „Warum kommt<br />

Er denn vorgefahren?“ darauf aufmerksam wurde.<br />

Gerdha bleibt linkshändig, sie wird ein großes und<br />

sehr kräftiges Mädel, hat aber keinerlei Ehrgeiz und<br />

keinen Unternehmungsgeist. Sie hat nicht zu viele<br />

Freundinnen und ist auch mit diesen nicht intim,<br />

hält sich vielmehr immer ans Haus und die Familie.<br />

Am Brüderchen hängt sie sehr und ebenso groß wie<br />

die Freude über seine Geburt, ist der Schmerz über<br />

seinen frühen Heimgang. Oft werden Reisen unternommen,<br />

meist zu Großel Clara ins Riesengebirge<br />

[...] Gerdha fühlt sich überall wohl und wird gern als<br />

Gast gesehen, lässt sie doch ihre Fehler bei solchen<br />

Gelegenheiten daheim. - Die Jahre fliehen pfeilgeschwind,<br />

Gerdha wird im März 1917 konfirmiert und<br />

verlässt am 26. März 1918 die Schule. Ihr Abgangszeugnis<br />

ist nicht schlecht, doch zu weiteren Studien<br />

verspürt sie keine Lust. Wir schieben deshalb eine<br />

Berufswahl hinaus [...] Also Gerdha bleibt vorläufig<br />

daheim, ich würde sie auch jetzt während der<br />

Kriegszeit ungern fortgeben. Sie hilft in Haus und<br />

Garten und spielt viel mit dem kleinen Schwesterchen,<br />

unserem Sonnenschein, der am 29. Januar<br />

1916 geborenen Ilse-Senta.<br />

Das Malen habe ich von meiner Mutter geerbt.<br />

Daheim in Jauer stürzt sich Gerdha jetzt auf die<br />

Malerei. Sie scheint Talent zu haben, und ich habe<br />

Freude an ihren Fortschritten. [...] Von Neujahr<br />

an geht’s in die Schneiderstunde, das macht viel<br />

Freude, und ganz regelmäßig sitzt Gerdha von 8<br />

<strong>–</strong> 12 Uhr unter den Nähmädchen der Frl. Keil, die<br />

ihre Sache ausgezeichnet zu verstehen scheint.<br />

<strong>Ein</strong> Kunstwerk nach dem andern entquillt Gerdhas<br />

linker Hand und so schafft sie sich nach und<br />

nach eine ganze Ausstattung für das beabsichtigte<br />

Pensionsjahr in irgendeiner Maidenschule in Mitteldeutschland.<br />

Der Vater hat als Beschützer und Unterstützer der<br />

Mutter eine wichtige Rolle.<br />

Vater will nach Rudolfstadt hinfahren und sich die<br />

Schule ansehen, danach werden dann Entschlüsse<br />

gefasst werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!