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Frühling 1939 [Berlin Kleinmachnow]. Mit Betrüben stellten Papi und Mama im<br />
Garten fest, dass es kein Obst gegen würde, da selbst der Mai noch manchmal<br />
vier Grad Kälte brachte. [...]<br />
Aber bald beginnen die Mienen sorgenvoll zu werden, denn Kriegswolken ballen<br />
sich am politischen Himmel. Wir müssen unsere Fenster mühsam verdunkeln,<br />
denn man spricht von Fliegerangriffsgefahr. [...] So manches Mal hat Renate<br />
inzwischen im Keller geschlafen, dem Donnern der Flack [„Flieger Abwehr<br />
Kanone“] zugehört, auch mal das Krachen der Bomben vernommen, aber im<br />
übrigen meist im Keller die Sache ziemlich verschlafen. Die „Engländer“ sind<br />
gerade im vorigen Jahr recht oft in Berlin erschienen; dann sagten die Kinder<br />
fast etwas wohlgelaunt: „Morgen gibt‘s paar Stunden später Schule!“ [...]<br />
Renate hat<br />
schon seit Jahren in der Schule keinen Religionsunterricht<br />
mehr. Sie geht nachmittags zum Unterricht beim<br />
Pfarrer, und wir hoffen, dass unsere Kinder trotz aller<br />
Religionsfeindlichkeit sich ihren Glauben erhalten und<br />
sich nicht von der Schönheit desselben abbringen<br />
lassen. [...] Im schönen Elternhaus zusammen mit den<br />
kleineren Schwestern verlebt Renatchen eine frohe<br />
Jugend. Sie versteht es sehr, mit Minzchen zu spielen,<br />
die so gern von ihr vorgelesen bekommt, und Dörtel<br />
kann stundenlang sich mit ihr unterhalten und folgt<br />
stets ihren guten Ratschlägen. Wenn nun der Krieg<br />
bald beendet wird, dann dürfen wir in Allem dankbar<br />
auf glückliche Jahre zurücksehen. Renate aber möge<br />
weiter froh und allzeit guter Dinge bleiben wie bisher,<br />
und uns durch ihre Gesundheit und Frische erfreuen.<br />
Später:<br />
Stratford/Avon 18. Juli 1971<br />
England.<br />
Renate hat noch viel erlebt, seit<br />
ich dieses Buch abschloss. Sie<br />
hat ein gutes Abitur bestanden<br />
und nach vielen Bombenangriffen<br />
im kaputten Haus die Aufräumungs-<br />
und Erneuerungsbauten<br />
mitgemacht. [...] Sie machte<br />
als Studentenumschülerin ihre<br />
Schneidergesellenprüfung. Im<br />
Laufe der Jahre ist ihr diese<br />
Handfertigkeit zum großen Segen<br />
geworden. [...]<br />
Renate heißt<br />
nun schon lange Mrs. Desens und seit dreizehn<br />
Jahren bewohnen sie und mein Schwiegersohn Ernst<br />
Desens mit ihren drei Kindern das schöne Haus in 78,<br />
Oakleyroad. [...]<br />
Stratford bietet Renatel in Sportmöglichkeit im Club<br />
der Kirche und im großen Freundeskreis die Möglichkeit,<br />
sich im neuen Vaterland sehr wohl und geborgen<br />
zu fühlen. Ich, die nun 70 werdende Granny, fühle<br />
mich Jahr für Jahr glücklich und zufrieden im Haus<br />
meiner Lieben. Die Flüge nach Deutschland sind der<br />
Weg, meinen drei lieben Töchtern und allen sieben<br />
Enkeln eine gute Großmama, die sie richtig um sich<br />
haben, zu sein. Stratford, die Shakespeare-Stadt, gibt<br />
neben der Hausarbeit meiner lieben Tochter Renate<br />
Gelegenheit, sich fortzubilden und ihre vielen Pflichten<br />
als Hausfrau, Gattin und Mutter sind von Gottesfurcht<br />
geleitet.<br />
Und in ihrem eigenen Tagebuch schreibt die zwölfjährige Renate, Ende der 1930er Jahre: