antriebstechnik 9/2018
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SPIELFREUDE IMMER DABEI<br />
„Wir wollten in unserer Firma immer etwas Besonderes machen,<br />
durchaus Risiken eingehen und vor allem polarisieren, denn unsere<br />
Erfahrungen aus der Beraterzeit zeigten, dass das Engagement<br />
junger Mitarbeiter oftmals in großen Unternehmen schwindet“,<br />
erklärt Christian Leeser. Seine Antwort war: Spielfreude! „Diese<br />
macht heute unsere Prozesse aus. Spielfreude ist eine Situation, in<br />
der eine Gruppe von Menschen auf ein Ziel gerichtet auf einem<br />
Leistungsniveau zusammenarbeitet, das höher ist als 100 % von<br />
dem, was man glaubt erreichen zu können. Kein Mitarbeiter<br />
braucht dabei Angst zu haben, Fehler zu machen. Wir alle befinden<br />
uns in einem Spiel, in dem jeder im Team alles für den gemeinsamen<br />
Sieg tut und hochmotiviert ist.“ Und dabei ist dem Geschäftsführer<br />
klar, dass sich ein solches Konzept nicht einfach vorschreiben lässt,<br />
sondern nur die Basis dafür geschaffen werden kann, damit Spielfreude<br />
entsteht und wächst.<br />
Etwas Besonderes hat die Fraba dann schließlich auch mit ihrem<br />
neuen und ungewöhnlichen Standort in der Kölner Innenstadt<br />
geschaffen. Die Lage und die Büroräume sind so ausgelegt, um neue<br />
Mitarbeiter zu rekrutieren, die längst in der digitalen Arbeitswelt<br />
angekommen sind. So konkurriert man nicht mehr mit dem Wettbewerb<br />
im alten Industrieumfeld, sondern eher mit Digitaldienstleistern,<br />
denen man durchaus schon einige Talente entlocken konnte.<br />
Auch die Firmensprache Englisch trägt sicherlich dazu bei, dass junge<br />
talentierte Mitarbeiter ein Auge auf Fraba als Arbeitgeber werfen.<br />
„An erster Stelle stehen aber unsere Kernwerte, die vom Management<br />
genauso wie von den Mitarbeitern bedingungslos eingefordert<br />
werden können. Unsere Informationspolitik ist so offen, dass jeder<br />
Mitarbeiter Zugang zu allen Informationen hat, selbst bis zu<br />
Gehaltsliste der Kollegen und Führungskräfte“, so Christian Leeser.<br />
Mit dieser Offenheit – Open Book Policy genannt – will man nicht<br />
nur Mitarbeiter halten, sondern gezielt, ohne Widerstände, anspornen<br />
und motivieren. „Wir glauben, dass die Organisation am<br />
leistungsfähigsten ist, wenn alle Informationen ohne Widerstände<br />
dahin fließen, wo sie genutzt werden und jeder einzelne viel mehr<br />
weiß, als es in vielen anderen Unternehmen der Fall ist. Oberste<br />
Aufgabe für jeden Mitarbeiter ist es, sich in diesem System und für<br />
sein Themengebiet überflüssig zu machen. Die Geschäftsleitung<br />
hat dafür zu sorgen, dass niemand dadurch einen Nachteil erfährt,<br />
sondern dafür belohnt wird“, ist sich Christian Leeser sicher.<br />
VOLLAUTOMATISIERT ZU LOSGRÖSSE 1<br />
Das Spiel endet bei Posital Fraba nicht bei den Mitarbeitern. Es<br />
greift, wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg und um die Entwicklung<br />
neuer Technologien und Geschäftsprozesse geht. Mass Customization,<br />
der Produktfinder und die Einführung magnetischer<br />
Multiturn-Drehgeber – statt optischer Systeme – sind die wesentlichen<br />
Eckpunkte dabei.<br />
„Als wir die Produktion von Köln nach Slubice verlagert haben,<br />
war unser Ziel, eine komplette Standardisierung und Digitalisierung<br />
der Fertigung zu realisieren“, erinnert sich Jörg Paulus, Deutschland-<br />
und Europachef bei Posital Fraba. Basis dafür bildete ein bis<br />
heute modular aufgebauter Encoder-Baukasten, mit dem sich über<br />
1 Mio. unterschiedlicher Sensorvarianten realisieren lassen. Der<br />
Kunde kann sich online über den Produktfinder aus über 3 000 erfassten<br />
Bauteilen in kürzester Zeit seinen optimal konfigurierten<br />
Drehgeber generieren. Verfügbarkeit und sogar der Preis wird<br />
07 Der Wiegand-Draht ist<br />
das Herzstück der magnetischen<br />
Multiturn-Drehgeber<br />
gleich mit ausgegeben. In Zukunft soll auch das Ersatzteilgeschäft<br />
darüber abgewickelt werden. Dafür wird das Angebot der Marktbegleiter<br />
digitalisiert und der Kunde kann über eine Cross-Reference<br />
das zu seiner Applikation passende, adäquate Fraba-Produkt<br />
finden und bestellen. „Hiermit tragen wir den Anforderungen der<br />
Maschinenbauer nach maßgeschneiderten Produkten, kleinsten<br />
Losgrößen und einer schnellen Lieferung Rechnung. Durch Mass<br />
Customization schaffen wir es, dass der Kunde innerhalb von nur<br />
drei Tagen sein Produkt auf dem Tisch liegen hat, mit Express sogar<br />
innerhalb von 24 Stunden“, erklärt Jörg Paulus.<br />
Jährlich verlassen so mehr als 5 000 verschiedene Encoder<br />
Varianten das polnische Werk mit seinem einzigartigen Fertigungskonzept.<br />
Gesteuert wird die Fertigung vollautomatisch. Der Mitarbeiter<br />
erhält den Auftrag über sein Tablet und führt ihn Schritt für<br />
Schritt durch – geführt von Piktogrammen und klaren Arbeitsanweisungen.<br />
„Wir benötigen daher in Sublice keine Facharbeiter,<br />
sondern können sogar neue Mitarbeiter innerhalb von zwei Wochen<br />
in alle Abläufe der Produktion einarbeiten, weil das gesamte Auftragswesen<br />
lückenlos digitalisiert ist. Wir haben einen Weg gefunden,<br />
bei dem wir die Intelligenz der Fertigung aus den Köpfen der Mitarbeiter<br />
in unser System bringen konnten“, so Jörg Paulus.<br />
EIN FAST MAGISCHER PROZESS<br />
Von der Kölner Innenstadt machen wir uns nun auf die Fahrt nach<br />
Aachen. Dort betreibt Posital Fraba seit 2011 sein Entwicklungszentrum<br />
für elektronische und mechanische Produkte innerhalb der<br />
Industrieautomation. Heute arbeiten hier 40 Ingenieure und Techniker<br />
aus 20 Nationen, um innovative Produkte und fortschrittliche Technologien<br />
zu entwickeln. „Der Standort ist nicht zufällig gewählt, bietet<br />
Aachen doch mit seinen technischen Hochschulen die idealen<br />
Voraussetzungen, um die besten Ingenieure für unser Unternehmen<br />
zu finden.“, freut sich Dr. Michael Löken, Leiter des Entwicklungszentrums,<br />
als er uns durch die Räume führt. Und auch hier entdecken<br />
wir wieder das schon bekannte Hotelkonzept – bis auf einen Raum:<br />
Über ein ausgeklügeltes Spulensystem windet sich der dünne<br />
Draht durch die Maschine. Für das Auge ist es kaum erkennbar,<br />
aber der aus der Legierung Vicalloy bestehende Draht hat seine<br />
08 Ingenieure arbeiten im Fraba-Entwicklungszentrum in<br />
Aachen an Verbesserungen der Produkte<br />
<strong>antriebstechnik</strong> 9/<strong>2018</strong> 61