Berliner Kurier 04.11.2018
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17<br />
Soldaten haben<br />
in der <strong>Berliner</strong><br />
Innenstadt mit<br />
einem Maschinengewehr<br />
Stellung<br />
bezogen. Es gibt<br />
im Laufe des Tages<br />
Schießereien, bei<br />
denen mindestens<br />
15 Menschen ihr<br />
Leben verlieren.<br />
Spa, Villa La Fraineuse,<br />
11 Uhr. Generalstabschef Schulenburg<br />
gibt zu bedenken, die<br />
Abdankung Wilhelms II. als<br />
deutscher Kaiser sei vielleicht<br />
unumgänglich, die als preußischer<br />
König hingegen nicht:<br />
Seine Majestät möge an der Hohenzollern-Krone<br />
festhalten<br />
und als König von Preußen die<br />
preußischen Truppen in die<br />
Heimat zurückführen. Dem<br />
Kaiser gefällt dieser Vorschlag,<br />
nicht zuletzt weil er ihm den<br />
Weg der Gegenrevolution offenhält.<br />
Es heißt, Generalquartiermeister<br />
Groener habe daraufhin<br />
Reichskanzler Max von Baden<br />
angerufen und ihm mitgeteilt,<br />
er solle „die unbedingte<br />
Abdankung des Kaisers auch<br />
als König von Preußen ruhig<br />
bekannt geben“ (Lothar Machtan:<br />
Kaisersturz).<br />
„Wir können die<br />
Revolution<br />
vielleicht ersticken“<br />
ßerhalb von Spa gelegene Villa<br />
nach seiner fluchtartigen Abreise<br />
aus Berlin Ende Oktober<br />
bezogen hat, empfängt Hindenburg<br />
und Groener.<br />
Etwa ein Dutzend Männer,<br />
unter ihnen Hans von Plessen,<br />
Kommandant des Großen<br />
Hauptquartiers, und Graf<br />
Friedrich von der Schulenburg,<br />
Generalstabschef, wird in den<br />
folgenden Stunden über des<br />
Kaisers Schicksal entscheiden.<br />
Hindenburg überlässt Groener<br />
das Reden. Groener verweist<br />
auf die „kaiserfeindliche<br />
Stimmung in der ganzen Armee“.<br />
Schulenburg hingegen bestärkt<br />
den Kaiser in dessen Absicht,<br />
auf Berlin zu marschieren<br />
oder die Revolution zumindest<br />
in leicht erreichbaren Orten<br />
wie Aachen und Köln niederzuschlagen.<br />
Groener hält dagegen: „Das<br />
Heer wird unter seinen Führern<br />
und Kommandierenden<br />
Generalen in Ruhe und Ordnung<br />
in die Heimat zurückmarschieren,<br />
aber nicht unter dem<br />
Befehl Eurer Majestät; denn es<br />
steht nicht mehr hinter Eurer<br />
Majestät!“<br />
Berlin, Stadtgebiet, 10.15<br />
Uhr. Zigtausende Menschen<br />
strömen Richtung Tiergarten,<br />
sammeln sich zwischen dem<br />
Pariser Platz am Brandenburger<br />
Tor und dem Königsplatz.<br />
Es fallen vereinzelt Schüsse.<br />
Spa, Villa La Fraineuse,<br />
10.30 Uhr. Wilhelm II. erklärt<br />
nach einem Vieraugengespräch<br />
mit Freiherr von Grünau, dem<br />
ständigen Vertreter der Reichsregierung:<br />
Wenn das deutsche<br />
Volk es partout nicht anders<br />
will, sei er bereit, abzudanken.<br />
Flügeladjutant Georg von<br />
Hirschfeld berichtet nach Berlin,<br />
der Kaiser gedenke abzudanken.<br />
Berlin, Königsplatz, Reichstag.<br />
Eine Delegation der SPD<br />
erscheint im Zimmer des Fraktionsvorstands<br />
der USPD und<br />
unterbreitet den Anwesenden<br />
das Angebot, gemeinsam eine<br />
Regierung zu bilden.<br />
Der USPD-Vorsitzende Hugo<br />
Haase hält sich noch in Kiel auf.<br />
Die Partei will ohne ihn keine<br />
Entscheidung treffen.<br />
Berlin, Wilhelmstraße,<br />
Reichskanzlei, 11.30 Uhr. Max<br />
von Baden unterzeichnet die<br />
von ihm eigenmächtig aufgesetzte<br />
Abdankungserklärung<br />
Wilhelms II.als deutscher Kaiser<br />
und preußischer König und<br />
lässt das Wolffsche-Telegraphen-Bureau<br />
informieren.<br />
„Ich sagte mir: die Revolution<br />
ist im Begriff, siegreich zu sein;<br />
wir können sie nicht niederschlagen,<br />
vielleicht aber ersticken“,<br />
schreibt er in seinen Erinnerungen.<br />
Der Kaiser, „ein zweiter Hamlet,<br />
grübelt derweil in Spa noch<br />
über die Frage, ob er abdanken<br />
oder den Tod in der Schlacht<br />
suchen sollte“ (Hagen Schulze:<br />
Weimar).<br />
Chausseestraße, 11.45 Uhr.<br />
Aufständische stürmen den Kasernenhof<br />
des Garde-Füsilier-<br />
Regiments. Ein Offizier befiehlt<br />
seiner Kompagnie: „Feuer!“ Die<br />
weigert sich. Er schießt selber,<br />
trifft drei Männer tödlich:<br />
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